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Immobilien-Sparer verlieren die Nerven

ANLEGERSCHUTZ Mehrere offene Fonds von Schließung bedroht - Schutz geplant

01.11.2010
2023-08-30T11:26:08.7200Z
4 Min

Die Branche bemüht sich, die Wogen zu glätten. Weitreichende Reaktionen von Anlegern nicht betroffener Fonds seien nicht zu erwarten, heißt es beim Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) in Frankfurt. Fragezeichen sind angebracht, nachdem sich die Beschwichtigungstour schon in den vergangenen Wochen als fragwürdig erwiesen hat. Die dramatische Ausweitung der Krise der Offenen Immobilienfonds (OFI) hat dies nicht verhindern können. In den zurückliegenden Wochen mussten drei der auch bei Privatanlegern beliebten Fonds die Segel streichen: Ihr Geld reicht nicht mehr, um die Geschäfte vernünftig weiter führen zu können. Die Fonds werden aufgelöst. Rund 150.000 Anleger müssen zum Teil mit herben Einbußen rechnen. Es könnte noch mehr treffen: Rund ein Dutzend weiterer OFIs nutzt seit Monaten die gesetzliche Möglichkeit, die Schotten für bis zu zwei Jahre dicht zu machen. Ihnen fehlt ebenfalls das Geld, um die Wünsche der Anleger befriedigen zu können. 25 Milliarden Euro liegen in diesen Fonds, an das Geld kommen die Anleger derzeit nicht heran. Drei dieser Fonds müssten noch im November wieder öffnen. Gelingt ihnen das nicht, ist nicht auszuschließen, dass am Ende auch diese OFIs mit einem Vermögen von satten 4,7 Milliarden Euro abgewickelt werden.

Hohe Abschläge

Alle drei jetzt beerdigten Fonds waren bereits seit drei Jahren dicht, Anteile wurden weder verkauft noch zurückgenommen. Sie konnten allenfalls mit hohen Abschlägen über die Fondsbörse in Hamburg abgestoßen werden. Der US Grundinvest der Gesellschaft KanAM, der Degi Europa von Aberdeen und der P 2 Value der US-Gesellschaft Morgan Stanley litten alle unter dem gleichen Problem: Zu viele Anleger wollten zu schnell zu viele Anteile zurückgeben. Dafür fehlte den Fondsmanagern die Liquidität. Auch andere Missstände spielten eine Rolle. Der P2 wurde erst 2005 aufgelegt und hat "auf dem Höhepunkt des Immobilienzyklus nur Schrott gekauft", wie ein Insider sagt. Der Degi gehörte einst zur Fondsgesellschaft der Dresdner Bank. Mit der Übernahme des Instituts durch die Commerzbank brach der Vertrieb praktisch zusammen.

Wie vorgeschrieben haben die Fonds das Kapital der Anleger in Gewerbeimmobilien investiert. Beim Degi lag das Vermögen in der Spitze bei 4,5 Milliarden Euro. Geblieben ist davon nur rund ein Viertel. Und dies, obwohl die Fondsmanager in den letzten Jahren zahlreiche Immobilien für hohe dreistellige Millionenbeträge verkauft haben, um bei Wiederöffnung des Fonds die Wünsche der Anleger bedienen zu können.

Solide Anfänge

Die Krise trifft einen Anlagesektor, der seit der Auflage des ersten Fonds 1959 vor allem Kleinanlegern als solide, langfristig orientiert und dabei noch renditeträchtig angedient wurde. 45 Jahre lang erfüllte sich dieses Versprechen. In den letzten 20 Jahren lag die durchschnittliche Rendite der OFIs bei 4,8 Prozent pro Jahr. Und noch haben die Anleger das Vertrauen nicht verloren: Bis Ende August haben sie in diesem Jahr netto 2,6 Milliarden Euro frisch in die Fonds investiert. Derzeit stecken in den 46 Fonds knapp 88 Milliarden Euro.

Aber das könnte sich jetzt ändern. Für die Fondsbranche sind die Liquidationen eine Katastrophe. Auch Fonds, die bislang über jeden Ruf erhaben sind, könnten jetzt in die Bredouille kommen, weil die Skepsis bei ihren Anlegern wächst. Die Fondsbranche und auch der Gesetzgeber haben die Dinge viel zu lange laufen lassen. Dass die OFIs unter einem Konstruktionsfehler leiden, ist seit 2004 offensichtlich. Sie sind auf die langfristige Anlage in Gewerbeimmobilien ausgerichtet, nicht auf einen kurzfristigen Kauf und Verkauf von Fondsanteilen. Großanleger wie etwa Versicherungen hatten die Malaise vor drei Jahren zum Beginn der Finanzkrise ausgelöst. Sie hatten OFIs zur kurzfristigen Geldanlage genutzt, gaben Anteile in Millionenhöhe zurück. Da die Fonds nur begrenzt liquide Mittel halten dürfen, kamen die Manager in die Bredouille und machten den Fonds zu. Ansonsten hätten sie auf die Schnelle Immobilien mit hohen Abschlägen verkaufen müssen.

Verlust bis 70 Prozent

Den Wertverlust der Anteile hat das nicht verhindert. Der Hamburger Anlegerschutzanwalt Peter Hahn schätzt, dass sich die Einbußen beim P2 Value auf bis 70 Prozent belaufen können. Der Degi hat im Jahresverlauf fast 24 Prozent verloren. Allerdings dürften Anleger, die seit vielen Jahren dabei sind, noch mit einem Gewinn davon kommen, schließlich hat der Fonds seit 1972 pro Jahr im Schnitt eine Rendite von 5,1 Prozent hingelegt. Schrittweise sollen die Anleger aller drei Fonds in den nächsten drei Jahren ausgezahlt werden, je nach Fortgang der Immobilienverkäufe. KanAm will noch 2010 rund 250 Millionen Dollar ausschütten.

Berater verklagt

Mehrere Anleger haben bereits gegen Berater geklagt, die den Degi Europa oder den P2 Value der US-Bank Morgan Stanley als sicher und wertstabil angepriesen, aber nicht auf das Risiko der Schließung hingewiesen hatten. Die Commerzbank hat sich mit einer Kundin verglichen. Anlegeranwalt Hahn strebt weitere Klagen an.

Die Bundesregierung hat die Malaise endlich erkannt. Die von allen Beteiligten begrüßten Änderungen im Anlegerschutzgesetz kommen allerdings für die drei derzeit in Auflösung befindlichen und für die geschlossenen OFI zu spät. Dem Gesetzentwurf zufolge müssen neu erworbene Anteile künftig mindestens zwei Jahre gehalten werden. In den beiden folgenden Jahren soll die Rückgabe nur mit Abschlägen von zehn und fünf Prozent möglich sein. Allerdings sollen Kleinanleger bevorzugt behandelt werden: Monatlich dürfen sie künftig Anteile im Wert von bis zu 5.000 Euro zurückgegeben. Auch die Grünen stützen den Ansatz der Regierung. Sie fordern aber zudem (17/3210) eine Umkehr der Beweislast bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen, so "dass künftig die Finanzdienstleister beweisen müssen, dass sie eine umfassende Beratung hinsichtlich der Kosten, Risiken und Eigenschaften des Produkts erbracht haben".

Das Vorhaben der Regierung "sollte die Probleme entschärfen", sagt der Geschäftsführer einer renommierten Fondsgesellschaft. Andere Beobachter sind skeptisch. Offene Immobilienfonds könnten künftig verstärkt als geschlossene Fonds betrachtet werden. Das könnte die Kleinanleger eher abschrecken.