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Zank um Zahlen

RENTE Regierung gibt grünes Licht für Altersbezüge ab 67 - Opposition warnt vor unsozialen Abschlägen

06.12.2010
2023-08-30T11:26:10.7200Z
3 Min

Es war ein besonders ärgerlicher Irrtum, der dem Bundesarbeitsminsterium da unterlaufen war: In einer Anzeige zur Rente mit 67 hatte es fälschlicherweise geheißen: "...wer heute 47 Jahre oder älter ist, muss gar nicht oder nur wenige Monate länger arbeiten". Tatsächlich müssen heute 47-Jährige 22 Monate über ihren 65. Geburtstag hinaus arbeiten, wenn sie später die volle Rente bekommen wollen. Die verunglückte Kampagne war in der vorvergangenen Woche in Zeitungen geschaltet worden, der Druckfehler beim Korrekturlesen im Ministerium nicht aufgefallen.

Ein gefundenes Fressen für SPD-Chef Sigmar Gabriel. In der Bundestagsdebatte zur Rente mit 67 und anderen rentenpolitischen Vorlagen am vergangenen Donnerstag griff er Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) scharf an: "Das ist mehr als ein Tippfehler", wetterte Gabriel, "das ist der Versuch, den Leuten etwas vorzumachen".

Im Plenum ging es an diesem Tag um den Regierungsbericht zur Rente mit 67 (17/3814) , den Rentenversicherungsbericht 2010 (17/3900) und zwei Oppositionsanträge (SPD: 17/3995, Bündnis 90/Die Grünen: 17/4046). Und wie nicht anders zu erwarten, flogen den Abgeordneten die Zahlen und Statistiken der Befürworter und Kritiker der Rente mit 67 an diesem Morgen nur so um die Ohren.

Schritt für Schritt

Zur Erinnerung: Bleibt die Rente mit 67 so, wie es die Große Koalition vor drei Jahren beschlossen hat, soll das gesetzliche Renteneintrittsalter wegen des demografischen Wandels ab 2012 von heute 65 Jahren in kleinen Schritten bis 2029 auf 67 steigen. Alle vier Jahre muss die Regierung, so steht es im Gesetz, berichten, wie sich die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer entwickelt hat, und beurteilen, ob die Lebensarbeitszeit wie geplant verlängert werden kann.

"Sie kann", lautete eindeutig das Urteil der Bundesarbeitsministerin, die als erste Rednerin ans Pult trat. "Die Rente mit 67 ist notwendig und vertretbar", bekräftigte sie. In den vergangenen 50 Jahren sei die Lebenserwartung um 11 Jahre gestiegen, die Dauer des Rentenbezugs von im Schnitt 10 auf 18 Jahre, argumentierte sie. Während vor 10 Jahren noch sechs Erwerbstätige eine Rente finanzierten, seien es heute nur noch drei. Die Rente mit 67 rückgängig zu machen oder zu verschieben, "wie dies von Teilen der SPD gefordert wird", sagte von der Leyen, "wäre verantwortungslos". Es gebe heute "mehr und bessere Jobs für Ältere und sie nehmen noch zu", rechnete die Ministerin vor: Die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-Jährigen habe sich in den vergangenen 10 Jahren verdoppelt. "Wann, wenn nicht jetzt, wagen wir den Aufbruch in eine altersgerechte Arbeitswelt?", rief die Ministerin.

Nicht jetzt, nicht 2012, lautet die Antwort der SPD-Fraktion, die den Start der Rente mit 67 verschieben will. Und auch SPD-Chef Gabriel hatte die passenden Zahlen parat: Im vergangenen Jahr hätten "ganze zehn Prozent" der 64-jährigen Angestellten und Arbeiter eine sozialversicherungspflichtigen Stelle gehabt, bei der Gruppe der 60- bis 64-Jährigen seien es 23,4 Prozent gewesen. Die Rente mit 67 bedeute nichts anderes als eine Rentenkürzung. Und dies, obwohl etwa in Westdeutschland 65 Prozent der Männer und 97 Prozent der Frauen eine Rente von weniger als 1.200 Euro im Monat hätten.

Der Parteivorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, brachte seine Kritik in einem Bild auf den Punkt: Man mache ein Gesetz, das die Menschen vom Drei-Meter-Brett springen lässt, aber man habe vergessen, in das Becken auch Wasser zu füllen. Und begründet seine Kritik - wie auch sonst - mit Zahlen: Nur 6,4 Prozent der 64-Jährigen hätten eine "sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung", bei den Malern und Lackierern seien es nur noch 2,9 Prozent, bei den Mechanikern 2,8 Prozent, bei den Zimmerern und Dachdeckern 1,6 Prozent. "Was sie machen, ist vollkommen neben der Spur", sagte Ernst. Es gehe jedoch nicht um die Situation für Ältere auf dem Arbeitsmarkt "heute", entgegnete Johannes Vogel (FDP), denn die Rente mit 67 werde ja nicht morgen eingeführt. Die Frage sei, wie "die Entwicklung" ist. Und die sei schließlich besser, als alle "jemals erhoffen konnten".

Dennoch sei "die Mehrheit der Bevölkerung nach wie vor gegen die Rente mit 67", betonte Wolfgang Strengmann-Kuhn (Die Grünen). Die Menschen hätten Angst, dass sie nicht so lange arbeiten können, dass die Rente gekürzt wird, dass Altersarmut droht. Die Grünen-Fraktion ist - anders als SPD- und Linksfraktion - nicht für eine Verschiebung der Rente mit 67. Doch müsse die Regierung Maßnahmen der Weiterbildung und Qualifizierung, der Beschäftigungsförderung für Ältere sowie für mehr "gute Arbeit" ergreifen, "die dazu führen, dass mehr ältere Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden, um eine Rentenkürzung zu vermeiden", heißt es in ihrem Antrag.