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Sportübertragungen adé?

RUNDFUNK Abgeordnete aller Fraktionen kämpfen gegen Sponsoring-Verbot für ARD und ZDF

06.12.2010
2023-08-30T11:26:10.7200Z
3 Min

Stellen Sie sich vor, Deutschland wird im kommenden Januar Handball-Weltmeister, aber keiner sieht es. Ein durchaus mögliches Szenario, zumindest wenn die Ministerpräsidenten der Länder an der geplanten Neuregelung des Rundfunkstaatsvertrags festhalten, die ein Sponsoring-Verbot für ARD und ZDF an Werktagen nach 20 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen vorsieht. In der Sitzung des Sportausschusses am vergangenen Mittwoch wurde das Vorhaben der Ministerpräsidenten-Konferenz heftig kritisiert. Sowohl die geladenen Vertreter von Sportverbänden und des öffentlich-rechtlichen Fernsehens als auch die Abgeordneten aller Fraktionen sprachen sich für mehr Verbots- ausnahmen zugunsten des Sports aus.

Derzeit sieht die Vorlage der Länderchefs, die am 15. Dezember endgültig beschlossen werden soll, nur Ausnahmeregelungen für Fußball-Weltmeisterschaften, Spiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, einige DFB-Pokalspiele sowie Olympische Spiele vor. Wie ernst die Lage zu sein scheint, zeigte das doch ungewöhnliche Vorgehen der Parlamentarier. Ein vom SPD-Abgeordneten Martin Gerster vorgestellter Antrag wurde spontan zu einem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen gemacht. Aufgegriffen wird darin die Forderung der Sportminister-Konferenz, Ausnahmen für "andere bedeutende nationale und internationale Veranstaltungen" zuzulassen.

Kleine Verbände betroffen

Wenn ab 20 Uhr kein Sponsorhinweis mehr möglich sei, stelle das ein Zugangshindernis beim Sportrechteerwerb dar, machte Michael Amsinck, Geschäftsführer von Sport A, der gemeinsamen Sportrechteagentur von ARD und ZDF, deutlich. "Das kann eigentlich nicht gewollt sein", sagte er. ARD und ZDF würden insgesamt mehr als 80 Sportarten übertragen, sagte der ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. Komme es zu dem Sponsoring-Verbot, das nach Aussage Balkauskys auf eine Initiative der privaten Sender zurückgeht, werde es zu Einschränkungen der Übertragung von Sportereignissen insbesondere kleinerer Verbände kommen.

Das befürchtet auch Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Es bestehe die Gefahr, dass Leichtathletik-Events nicht mehr übertragen würden, was die Suche nach Sponsoren noch schwieriger mache, sagte er. Auch für die Austragung internationaler Großereignisse könne sich Deutschland nicht mehr bewerben, da die von den internationalen Verbänden geforderten umfassenden Fernsehübertragungen nicht zu leisten wären. Unverständnis über die einseitige Bevorzugung des Fußballs äußerte Hubert Schwarz, Geschäftsführer des Deutschen Skiverbandes (DSV). Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, dass ein DFB-Halbfinalspiel wertvoller sein solle als eine Handballweltmeisterschaft. Für den DSV hätte die Neuregelung "gravierende Folgen", sagte Schwarz. Skiweltcupveranstaltungen in Deutschland seien dann nicht mehr finanzierbar. Auch Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), sieht die Ausnahmen "falsch gesetzt".

Einig im Protest

Der Widerspruch wird von den Abgeordneten im Sportausschuss unterstützt. Der Unions-Abgeordnete Frank Steffel (CDU) nannte es "gesellschaftspolitisch gewollt", populäre Sportarten im Free-TV zu übertragen. Sein Fraktionskollege Klaus Riegert zeigte sich von der Ausnahmeregelung enttäuscht. Auch der Chef Des Deutschen Fußball-Bundes, Theo Zwanziger, würde nicht wollen, dass "Fußballländerspiele gegen Ski- oder Leichtathletikweltmeisterschaften abgewogen werden".

Und SPD-Mann Gerster befürchtet gar: "Wenn die Regelung so kommt, wird dadurch der virtuelle Tod für den Sport in der Mediengesellschaft besiegelt." Der Linken-Abgeordnete Ilja Seifert äußerte sein Unverständnis darüber, dass die Olympischen Spiele von dem Verbot zwar ausgenommen würden, nicht aber die Paralympics.

Aus Sicht der FDP müsse es eine Gleichbehandlung der Sportarten geben, sagte deren Sportexperte Joachim Günther und urteilte: "Der geänderte Rundfunkstaatsvertrag ist nicht zeitgemäß." Die Grünen, so Viola von Crammon, sind für ein Sponsoring-Verbot. Dies dürfe sich aber nicht auf Kultur- und Sportveranstaltungen erstrecken.

Ob die Ministerpräsidenten sich von dem Votum des Sportausschusses beeindrucken lassen, scheint fraglich. Michael Vesper zeigte sich skeptisch. Sowohl er als auch DOSB-Präsident Thomas Bach hätten sich schriftlich an alle Ministerpräsidenten gewandt, jedoch nur wenig ermutigende Antworten erhalten. Zudem geraten die Länderchefs auch durch die im Verband VPRT organisierten deutschen Privatsendern unter Druck. Laut VPRT-Präsident Jürgen Doetz würden die bereits jetzt vereinbarten Ausnahmen den Grundsatz eines Verbots erheblich einschränken. Insofern müsse es zumindest dabei bleiben, da sonst "die Ausnahme faktisch zur Regel" werde.