Piwik Webtracking Image

Parlamentarisches Profil : Der Gesundheitsreformer: Lars Lindemann

13.12.2010
2023-08-30T11:26:11.7200Z
3 Min

Als die Macht der SED zu bröckeln begann, war Lars Lindemann hautnah dabei. Es war ein Schlüsselerlebnis seiner Biographie, als er damals im Oktober 1989, gerade 18 Jahre alt, in Leipzig auf die Straße ging, um gemeinsam mit Zehntausenden gegen ein Regime zu demonstrieren, das seine Bürger bespitzelte, seine Kritiker einschüchterte und verfolgte. "Der Ruf: Wir sind das Volk, hat mich im liberalen Sinne politisiert", erinnert sich Lindemann, der seit Oktober 2009 für die FDP im Bundestag sitzt.

Nicht von einer Partei, das sei ihm damals schlagartig klargeworden, geht alle Gewalt aus, sondern vom Volk. "Nach diesem Erlebnis habe ich angefangen, mich politisch einzumischen", sagte Lindemann. Eine gewisse Grundskepsis gegenüber dem Staat hat sich der FDP-Politiker bis heute bewahrt.

Die Eckdaten seiner Biographie lesen sich zugleich wie Stationen der DDR-Geschichte. Als Lindemann im Mai 1971 im brandenburgischen Herzberg zur Welt kommt, steht im ostdeutschen Teilstaat gerade ein Machtwechsel an: Auf Weisung Moskaus wird Staatsführer Walter Ulbricht, verantwortlich für eine jahrelange Misswirtschaft, durch den fast zwanzig Jahre jüngeren Erich Honecker ersetzt.

Als Lindemann 1989 in Brandenburg das Abitur ablegt, sind wiederum die Tage des Honecker-Regimes gezählt. Nach dem Mauerfall studiert Lindemann Betriebswirtschaft und Recht in Gießen, später dann in Berlin, wo er nach seiner Zulassung zum Rechtsanwalt im Jahr 2003 in einer Großkanzlei anfängt.

Eine klassische Parteikarriere hat Lindemann seitdem nicht durchlaufen. Dafür lag es wohl zu wenig in seiner Absicht, einmal Berufspolitiker zu werden. So sucht man auch politische Ämter oder berufliche Tätigkeiten für Mandatsträger vor seinem Einzug ins Parlament in seinem Lebenslauf vergeblich. Parteipolitisches Engagement grundierte sein berufliches Leben stets, dominierte es aber nicht. Lindemann, der im November 1996 als Student zur FDP kam, fing an als Schatzmeister seiner Partei im Westberliner Ortsverband Grunewald, dann im Bezirk, heute ist er es im Land Berlin. Vor allem aber hat Lindemann in dieser Zeit praktische Erfahrung auf jenem Themenfeld sammeln können, auf das sich seine Arbeit im Bundestag heutet richtet: die Gesundheitspolitik.

Von 2004 bis 2008 war der FDP-Abgeordnete, der für seine Partei im Gesundheitsausschuss sitzt, Geschäftsführer der Evangelischen Kliniken im brandenburgischen Lehnin und Vorstandsmitglied eines Vereins, der sich für eine flächendeckende palliativmedizinische Versorgung in Brandenburg einsetzt. Seit 2008 ist Lindemann, auch neben seinem Mandat, Angestellter eines Berliner Krankenhauses.

Wenn es wünschenswert für eine Demokratie ist, dass ihre Repräsentanten aus dem Berufsleben zum Mandat - und nach ein oder zwei Amtsperioden auch wieder dorthin zurückkehren -, dann scheint Lindemann diesem Wunsch nahezukommen. Was er einst alltäglich in Klinik und Krankenhaus beobachten konnte, das fließt heute auch in seine Arbeit als Abgeordneter ein. Seine ganze Energie gilt, wie Lindemann betont, einer "grundlegenden und strukturellen Reform des Gesundheitswesens". Dies werde, so fügt er an, auch mit Einschnitten verbunden sein. "Doch soll man nicht immer über ein Mehr diskutieren, sondern auch über die Funktionsfähigkeit. Denn nur ein System, das funktioniert, ist auch solidarisch." Die von Lindemann unterstützte Finanzreform der gesetzlichen Krankenversicherung hat im November den Bundestag passiert, im Januar tritt sie in Kraft. Lindemann weiß: Jetzt, vielleicht nur jetzt, kann er eine Reform des Gesundheitswesens aktiv mitgestalten, in der komfortablen Position eines Mandatsträgers und Mitgliedes einer Regierungsfraktion. "Das Mandat ist die Krönung des politischen Lebens, eine gewisse Ehre und Last zugleich", unterstreicht Lindemann und schiebt gleich hinterher: "Aus nationaler Sicht".

Wer darüber hinaus will, könnte man meinen, wird wohl nach Brüssel gehen müssen. Mit seinen 39 Jahren hat Lars Lindemann noch genug Zeit, darüber nachzudenken.