Piwik Webtracking Image

Laborieren an den Folgen der Krise

FINANZEN Mit einer Serie von Gesetzen werden Banker-Boni und Spekulationen reduziert

13.12.2010
2023-08-30T11:26:11.7200Z
4 Min

Für die Berliner Koalition begann das Jahr 2010 mit einem "wichtigen Impuls für die Generierung von Wachstum", wie der CDU-Finanzexperte Leo Dautzenberg zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz, dem ersten großen Gesetzeswerk der frisch ins Amt gekommenen Bundesregierung , sagte. Die Opposition ließ dagegen kein gutes Haar an dem Projekt und sprach entweder von einem "Wachstumsverhinderungsgesetz" (SPD-Finanzexpertin Nicolette Kressl) oder vom "Wachstum für Reiche" (Gregor Gysi, Chef der Linksfraktion). In der Tat hatte die Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelbetriebe von 19 auf sieben Prozent auch noch Monate nach dem Inkrafttreten für heftige öffentliche Debatten gesorgt.

Kindergeld erhöht

Dabei stand diese Maßnahme zwar im Mittelpunkt aller Debatten, aber war mit einer Milliarde Euro Steuerausfällen keineswegs der größte Brocken im Wachstumsbeschleunigungsgesetz. 4,3 Milliarden kamen Familien mit Kindern durch eine Kindergelderhöhung um 20 Euro im Monat zugute. Auch die steuerlichen Kinderfreibeträge wurden von 6.024 auf 7.008 Euro erhöht. Zudem gab es Korrekturen an der Erbschaftsteuer. Die Steuersätze für Geschwister und Neffen wurden wieder gesenkt. Wenige Monate nach dem Inkrafttreten freute sich die FDP-Fraktion über absehbare Wirkungen in der Hotellerie: Jeder dritte Betrieb habe die Preise gesenkt, Neueinstellungen seien geplant. "Die Mehrwertsteuersenkung für die Hotelbranche wirkt", zeigten sich der tourismuspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Horst Meierhofer, und der FDP-Obmann im Tourismusausschuss, Jens Ackermann zufrieden.

Wie die große hatte auch die christlich-liberale Koalition sich noch mit den Folgen der 2008 ausgebrochenen Wirtschafts- und Finanzkrise herumzuschlagen, auch wenn die Wachstumsraten bereits wieder anstiegen und die Arbeitslosenzahlen fielen. Selbst auf dem Finanzsektor ging es wieder aufwärts. Die Gewinne sprudelten, und die Banker kassierten wieder Sonderzahlungen (Boni), als hätte es die Krise und die Zusammenbrüche von Instituten wie der Hypo Real Estate und anderen, die mit dreistelligen Milliardenbeträgen an Garantien und Einlagen gestützt werden mussten, nie gegeben. Doch eine Finanztransaktionssteuer, wie von der Opposition lauthals gefordert, mochte die Koalition bisher nicht einführen. Zwar besteht die grundsätzliche Bereitschaft, doch Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble warten auf eine internationale oder wenigstens europäische Einigung. Die SPD-Fraktion hingegen forderte, eine Transaktionsteuer schnell einzuführen. Es drohe ein Vertrauensverlust in die Politik, "wenn sie es nicht schafft, auch die Verursacher der Krise mit in die Haftung zu nehmen". Dautzenberg sprach von "Schnellschüssen", die nicht weiterhelfen würden, und der FDP-Finanzexperte Frank Scheffler erinnerte an die Koalitionsvereinbarung, nach der Steuererhöhungen zur Krisenbewältigung nicht in Frage kommen.

Union und FDP griffen zu anderen Maßnahmen. So wurde eine Überwachung der Ratingagenturen beschlossen. Diese Agenturen, deren Einstufungen von Firmen und Staaten Basis für Anlageentscheidungen großer und kleiner Investoren sind, hatten amerikanische Schrott-Anleihen noch mit Bestnoten ausgestattet, als der Immobilienmarkt bereits im Zusammenbruch begriffen war. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, dürfen die Agenturen künftig nicht mehr gleichzeitig ihre Kunden beraten und anschließend deren Produkte bewerten.

Die Verbriefung unsicherer Kredite und deren Weiterverkauf als angeblich erstklassige Wertpapiere wurde verboten. Ebenfalls nicht mehr möglich sind sogenannte ungedeckte Leerverkäufe. Das bedeutet, dass Händler zum Beispiel Aktien verkauften, die sie gar nicht hatten. In Erwartung eines Kursverlustes wollten sie die Papiere später unter dem Verkaufspreis einkaufen und dem Käufer geben. Die Kursdifferenz hätte dem Verkäufer einen dicken Gewinn beschert. Mit dem Verbot ungedeckter Leerverkäufe sollte den Turbulenzen auf den Anleihemärkten entgegengetreten werden; allerdings zeigen die Entwicklungen der jüngsten Zeit, dass Anleihen bestimmter Staaten weiterhin unter großem Druck stehen.

Um die Vergütungen der Banker zu regulieren, wurden Grenzen gesetzt und die Bankenaufsicht ermächtigt, gegen unangemessen hohe Vergütungen vorzugehen. Variable Gehaltsbestandsteile für Banker wurden reduziert. In dem vom Bundestag bereits beschlossenen Gesetzentwurf zur Bankenrestrukturierung heißt es, die Vergütung von Bankern, deren Institute Stabilisierungsmittel in Anspruch genommen habe, dürfe 500.000 Euro im Jahr nicht übersteigen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass "staatliche Mittel nicht durch unangemessene Vergütungsleistungen aus dem Unternehmen abfließen". Außerdem sollen die Banken einen Restrukturierungsfonds einzahlen, der im Fall eines drohenden Zusammenbruchs eines Instituts eingreifen soll. Der Fonds soll ein Volumen von 70 Milliarden Euro haben.

Arbeitszimmer absetzbar

Zuletzt waren die Fraktionen des Bundestages noch mit dem Jahressteuergesetz beschäftigt, mit dem die Kosten des häuslichen Arbeitszimmers wieder steuerlich abzugsfähig und eingetragene Lebenspartnerschaften bei der Erbschaftsteuer mit Ehepaaren gleichgestellt werden. Eine von der Opposition beantragte Gleichstellung im Einkommensteuerrecht hatte die Koalition abgelehnt.

Letztes großes Projekt der Koalition ist das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz. Das Gesetz verfolgt zwei große Ziele: Einerseits sollen die Anleger unter anderem durch umfangreiche Registrierungspflichten der Anlageberater besser vor Falschberatung geschützt werden. Andererseits werden die Verkaufsmöglichkeiten von Anteilen an offenen Immobilienfonds durch Haltefristen eingeschränkt. Dadurch soll verhindert werden, dass die Fonds in Liquiditätsschwierigkeiten kommen, wenn Anleger wie in der Finanzkrise in Massen ihre Anteile verkaufen wollen.