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Krisenmechanismus als europäischer Dauerzustand

EURO-WÄHRUNG II Der Beitritt von Estland zeigt die Attraktivität des gemeinsames Geldes - Portugal bekommt etwas Luft von den Finanzmärkten - Neue Turbulenzen…

17.01.2011
2023-08-30T12:16:35.7200Z
3 Min

Für Europas Finanzminister gibt es 2011 viel zu tun. Sie stehen vor arbeitsreichen Wochen und Monaten. In aufwändigen Sitzungen müssen sie Estland in die Eurozone integrieren, einen neuen Euro-Rettungsschirm konzipieren und wichtige Personalentscheidungen treffen.

Die Finanzminister sind nicht zu beneiden. Einmal im Monat reisen sie turnusmässig zum Rat der Kassenwarte (Ecofin) nach Brüssel, dazwischen liegen Sondersitzungen, die ihre Anwesenheit erfordern, und Telefonkonferenzen. Auch internationale Treffen wie etwa das im Kreis der G20 müssen bewältigt werden. "Finanzminister brauchen eine starke Kondition, sie sind heutzutage mehr unterwegs als ihre Kollegen in den Außenminsterien", wissen hohe EU-Diplomaten. Das gilt um so mehr für die Fach-Minister der Eurozone, die sich vor den Ecofin-Räten in der einflussreichen Eurogruppe treffen. Wenn diese am 17. Januar zu ihrer ersten Jahressitzung zusammenkommen, gilt es zunächst, den Fachkollegen aus Estland zu begrüssen. Der Baltenstaat ist seit Jahresbeginn 17. Mitglied im Währungsclub und muss damit auch Verantwortung für Europas Schuldnerstaaten übernehmen. Estland wird sich an der European Financial Stability Facility (EFSF) - besser bekannt unter europäischem Krisenmechanismus - in Form von Garantien beteiligen, was vom estnischen Parlament abgesegnet werden muss, bevor die Regierung das EFSF-Rahmenabkommen unterzeichnen kann.

Mammutaufgabe

Beteiligen wird sich das neue Euro-Land auch an der Mammutaufgabe, die auf Europas Finanzministerrunde wartet: die Ausarbeitung eines neuen Krisenmechanismus. Der jetzige läuft 2013 aus und soll durch den sogenannten Europäischen Stabilierungsmechanismus ESM abgelöst werden. An dessen Konzeption können sich laut Beschluss der EU-Staats- und Regierungschefs im Dezember auch Nicht-Euro-Staaten beteiligen, wenn sie dies wünschen. Noch ist allerdings unklar, wer das möchte. Ergo ist der Kreis der "Konstrukteure" noch immer offen, obwohl die Zeit drängt. Gerade mal drei reguläre Sitzungen haben die Finanzminister, um die Aufgabe vor dem EU-Gipfel im März zu lösen. Sondersitzungen sind wahrscheinlich. Geklärt werden muss bis dahin nicht nur die Frage der finanziellen Ausstattung des ESM. Sie gilt als besonders heikel, denn fällt sie hoch aus, werden sich die Märkte fragen, warum das so ist und ob etwa noch weitere Turbulenzen an der Euro-Front anstehen.

Zudem müssen die Kassenwarte entscheiden, in welcher Form private Gläubiger an der Rettung der Schuldnerstaaten beteiligt werden sollen. Im Gipfelbeschluss von Dezember steht, dass dies von "Fall zu Fall" entschieden werden müsse. Nur: Was genau heißt von "Fall zu Fall"? Knifflige Fragen, die einer gut durchdachten Antwort bedürfen. Erst wenn das Konzept steht, können die EU-Chefs entscheiden, um den ESM dann zur Anhörung im Europaparlament und dem anschließenden Ratifizierungsverfahren in den EU-Staaten freizugeben.

Auch wenn das Thema Portugal nicht auf der Tagesordnung des Finanzministertreffens am 17. Januar steht, wird darüber gesprochen werden. Durch die Aufstockung zweier Anleihen mit Laufzeiten von drei und zehn Jahren schaffte das Land am vergangenen Mittwoch ohne Probleme eine Kreditaufnahme von 1,25 Milliarden Euro, auch wenn das Land erheblich höhere Zinsen bieten musste. Die Regierung von Premier José Socrates lehnt Kredite aus dem EU-Rettungsfonds bisher vehement ab und dürfte sich durch die Anleihenplatzierung bestätigt sehen. Grund dafür sind der Verlust an wirtschaftspolitischer Autonomie und die harten Auflagen, die drohen, wenn IWF- und EU-Hilfen in Anspruch genommen werden. Um der Ansteckungsgefahr vorzubeugen, wächst der Druck auf den portugiesischen Regierungschef Socrates. Würde der Bedarfsfall doch noch eintreten, dann kämen Hilfen sehr schnell, versichern Diplomaten in Brüssel. Portugal wäre nach Irland der zweite EU-Staat, der vom Währungsfonds IWF und vom Krisenmechanismus EFSF gestützt würde.

Auf der Agenda der Minister stehen in den nächsten Monaten auch wichtige Personalentscheidungen. EZB-Direktoriumsmitglied Gertrude Tumpel-Gugerell scheidet zum 31.Mai aus. Für sie muss ein Nachfolger gefunden werden. Die Entscheidung in der Eurogruppe soll im Februar fallen, um dann von den EU-Chefs auf dem März-Gipfel bestätigt zu werden. Zwei Frauen sind derzeit im Gespräch: Marcia De Wachter, Direktorin in der belgischen Nationalbank, und Gabriela Sedlakova, Vorstandsmitglied der slowakischen Nationalbank. Im Herbst 2011 endet zudem das Mandat von EZB-Präsident Jean Claude Trichet.

Deutscher EZB-Chef?

Sobald der Franzose die Eurogruppe in einem formellen Schreiben über sein Ausscheiden unterrichtet, geht das spannende Rennen um die Nachfolge los. Ob der neue EZB-Chef dann Axel Weber (Präsident der Bundesbank) oder Mario Draghi (Gouverneur der italienischen Banca d´Italia) heißen oder doch den Namen eines Außenseiters tragen wird, ist nicht vorhersehbar. Die Entscheidung liegt bei den Kassenwarten, die sie im Juni dann an den Europäischen Rat weitergeben werden.