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Schwarzgeld straffrei, aber wird Reue teuer?

FINANZEN Detailregelungen für die Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung sind in der Koalition umstritten - Opposition will strafbefreiende Regelung ganz…

28.02.2011
2023-08-30T12:16:38.7200Z
5 Min

Kleine Ursache - große Wirkung: Meinungsverschiedenheiten über einen Steuerzuschlag für Reue zeigende Steuerhinterzieher, die sich beim Finanzamt selbst anzeigen und damit straffrei ausgehen, hat den Zeitplan der Koalition durcheinandergebracht. Während die CDU/CSU-Fraktion diesen auch als "Verwaltungsgebühr" bezeichneten Zuschlag in den Entwurf eines Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes (17/4182, 17/4802) einfügen und damit eine Anregung des Bundesrates aufnehmen will, sträubt sich der kleinere Koalitionspartner FDP: "Der Verwaltungszuschlag ist ein verkappter Strafzuschlag. Das passt nicht zu der strafbefreienden Erklärung", wurde der FDP-Finanzexperte Daniel Volk in Medien zitiert.

Mit deutlichen Worten hielt die Union dagegen und meinte, dass falsche Rücksichtnahme fehl am Platz sei. "Es ist ein Gebot der Steuergerechtigkeit, dass die Nachzahlung eines Steuerhinterziehers nicht ebenso behandelt wird wie die Nachzahlung eines ehrlichen Steuerzahlers", erklärten die CDU/CSU-Finanzexperten Klaus-Peter Flosbach und Manfred Kolbe. Man werde "das Gespräch mit unserem Koalitionspartner suchen, um einen solchen Zuschlag auf den Weg zu bringen", kündigten Flosbach und Kolbe an.

Zeitplan durcheinander

Der zusätzliche Gesprächsbedarf in der Koalition führte dazu, dass der Finanzausschuss seine usprüngliche Planung nicht realisieren und die Beratungen über den Gesetzentwurf am vergangenen Mittwoch nicht abschließen konnte. Jetzt soll der Entwurf am 16. März weiter beraten werden. Bis dahin werde auch über die Ergebnisse der interessanten Anhörung gesprochen werden, kündigte die Unionsfraktion in der Ausschusssitzung an. Mit dem Gesetzentwurf soll die Möglichkeit zur strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung eingeschränkt werden. Damit soll erreicht werden, dass Steuerhinterzieher sich nicht nur wegen Einkünften anzeigen, die ihnen ohnehin nachgewiesen werden dürften (Teilselbstanzeige). Statt dessen sollen sie alle bisher nicht deklarierten Einkünfte nennen. Außerdem geht es um einen Vorschlag des Bundesrates, einen Zuschlag auf den Hinterziehungsbetrag in Höhe von fünf Prozent einzuführen.

Die SPD-Fraktion erklärte, es habe sich in der Tat um eine "sehr interessante Anhörung" gehandelt. Kein einziger Sachverständiger habe den Gesetzentwurf gutgeheißen. Außerdem sei die Anhörung ein "Offenbarungseid" gewesen. Der Streit innerhalb der Koalition von Union und FDP habe sich durch die gesamte Veranstaltung gezogen. Nach Ansicht der SPD-Fraktion sind zahlreiche Fragen unbeantwortet. So sei unklar, ob der Zuschlag eingeführt werde und wie hoch er sein könnte. "Klare Kante" wäre nach Ansicht der SPD-Fraktion die bessere Lösung, und die bestehe in einer Abschaffung der Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige. Die Linksfraktion, die wie die SPD-Fraktion für die Abschaffung der Selbstanzeige plädierte, bezeichnete es als folgerichtig, nach der Anhörung nicht sofort über den Gesetzentwurf abzustimmen. Es seien zahlreiche Widersprüche zwischen Gesetzesbegründung und Gesetzestext deutlich geworden. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sah noch erheblichen Handlungsbedarf bei dem Gesetzentwurf.

Die FDP-Fraktion wiederum bezweifelte, dass die SPD die Anhörung richtig wiedergegeben habe. Eine Mehrheit der Sachverständigen habe den Erhalt der Selbstanzeige befürwortet. Die FDP-Fraktion fühle sich nach der Anhörung in ihrer Auffassung bestätigt, die Möglichkeit zur Selbstanzeige grundsätzlich beizubehalten. Zu dem vom Bundesrat vorgeschlagenen Zuschlag verwies die Fraktion auf unterschiedliche Bewertungen. So habe die Bundessteuerberaterkammer auf einen erheblichen Verwaltungsaufwand durch diese Regelung verwiesen. Der Vorschlag des Bundesrates sei "nicht überzeugend". Gründlichkeit müsse vor Schnelligkeit gehen, empfahl die FDP.

Verfassungsrechtliche Zweifel

Tatsächlich hatte die Bundessteuerberaterkammer in der öffentlichen Anhörung am vergangenen Montag kritisiert: "Dieser Zuschlag wird in der Praxis zu Abgrenzungsproblemen bei der Umsetzung führen und steuersystematisch nur schwer zu begründen sein. Außerdem bestehen gegen die Einführung in der vom Bundesrat vorgsehenen Weise aus unserer Sicht erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken", hieß es in der Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer.

Andere Sachverständige hatten die Anregung des Bundesrates dagegen positiv bewertet. So erklärte Professor Ekkehardt Reimer (Universität Heidelberg), den Zuschlag in Höhe von fünf Prozent der hinterzogenen Steuern "ist verfassungskonform, weil es sich bei diesem Zuschlag nicht um eine Strafe handelt". Professor Markus Jäger (Richter am Bundesgerichtshof) wies darauf hin, der Zuschlag müsse steuerrechtlich zulässig und strafrechtlich geeignet sein. "Das ist regelbar", sagte Jäger. Es gebe eine Parallele zu dieser Zuschlagsregelung bei Steuerstraftaten im Zollbereich. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Höhe von fünf Prozent nannte er unproblematisch.

Regierungsdirektor Klaus Hermann (Oberfinanzdirektion Koblenz) bezeichnete den Zuschlag als brauchbar. Er würde sich aber einen höheren Satz als fünf Prozent wünschen. Ähnlich äußerte sich Professor Lorenz Jarass (Hochschule RheinMain Wiesbaden) in seiner Stellungnahme: "Der Steuerhinterzieher sollte in jedem Fall bei Selbstanzeige - zusätzlich zur Steuerschuld und denn Verzugszinsen - einen deutlichen Steuerzuschlag (zum Beispiel 50 Prozent) entrichten müssen." Auch Dieter Ondracek, Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft, unterstützte nachdrücklich die Einführung eines Zuschlags. Fünf Prozent seien aber zu wenig.

Komplizierter

Zu den geplanten Einschränkungen, mit der Teilselbstanzeigen unmöglich gemacht werden sollen, gab es mehrere kritische Stimmen. So wies Professor Karl-Georg Loritz (Universität Bayreuth) darauf hin, dass sich das Instrument der Selbstanzeige grundsätzlich bewährt habe. Er warne "dringend" davor, dieses Instrument zusätzlich zu verkomplizieren. So müsse ein Steuerpflichtiger, der eine Selbstanzeige vornehmen wolle, in Zukunft seine gesamten Steuererklärungen (auch als Geschäftsführer von Gesellschaften) durchsehen, ob sie irgendeinen auch fahrlässig begangenen Fehler enthalten. Irgendein Fehler dürfe jedoch nicht eine Selbstanzeige rückwirkend wirkungslos machen und zu einer Strafbarkeit führen. Die Einführung eines Zuschlags hält Loritz für möglich.

Wie Loritz wies Professor Roman Seer (Ruhr Universität Bochum) in seiner schriftlichen Stellungnahme auf Probleme bei der Einschränkung der Selbstanzeige hin. Unternehmer müssten für alle noch nicht strafverfolgungsverjährten Zeiträume prüfen, ob irgendeine Unrichtigkeit existiere, die berichtigt werden müsse, um "reinen Tisch" machen zu können. Das sei kaum möglich. "Aufgrund der Rechtsunsicherheit wird der Betroffene dann gegebenenfalls lieber auf die im Bestand unsichere Selbstanzeige verzichten und statt dessen sogar versuchen, die Straftat zu vertuschen", warnte Seer. Auch die Bundessteuerberaterkammer konnte sich mit dem Vorschlag, im Rahmen der Selbstanzeige künftig alle noch nicht verjährten Steuerverkürzungen berichtigen zu müssen, nicht anfreunden: "Dieser weite Anknüpfungspunkt ist aus unserer Sicht systemfremd und in der Praxis nicht umsetzbar. Es sollte am bisherigen Tatbegriff festgehalten werden."

Ganz anders argumentierte Susanne Uhl vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Sie verlangte in der Anhörung eine völlig Abschaffung des Instruments der strafbefreienden Selbstanzeige statt eine Renovierung des Gesetzes: "Denn weder hat die Regel in der Vergangenheit zu höherer Steuerehrlichkeit noch zur Eröffnung zusätzlicher unbekannter Steuerquellen geführt."