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Komplizierte Operation

PATIENTENRECHTE Die Koalition will in diesem Jahr für ein Gesetz sorgen. Die Opposition ist skeptisch

11.04.2011
2023-08-30T12:16:41.7200Z
3 Min

Mechthild Rawert versucht, ein bisschen zu sticheln. Die Koalitionsfraktionen seien sich noch gar nicht einig, sagt die Berliner SPD-Abgeordnete. Auf der Tagesordnung des Bundestages steht am vergangenen Freitag das Thema Patientenrechte. Der CDU-Abgeordnete Erwin Rüddel hat gerade angekündigt, die Koalition wolle noch in diesem Jahr ein Patientenrechtegesetz vom Parlament verabschieden lassen. Es wäre eine kleine Sensation. Denn in den vergangenen 15 Jahren hat es mehrere - allesamt vergebliche - Versuche gegeben, die Rechte von Patienten zu bündeln und grundlegend zu stärken. Ob es dieses Mal gelingt?

Im Boot

"Entschieden ist noch nichts", betont Rawert. Ärzteverbände, Krankenkassen und Verbraucherschützer hätten zu den Eckpunkten schon ihre Zustimmung signalisiert, kontert Rüddel. Auch verweist er darauf, dass die von der FDP gestellten Bundesminister für Justiz und Gesundheit, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Philipp Rösler, "engagiert und konstruktiv" am Grundlagenpapier des Patientenbeauftragten Wolfgang Zöller (CSU) "mitgearbeitet" hätten. Alle Entscheidungsträger sind im Boot, will das wohl heißen.

Die SPD-Fraktion kann sich zugute halten, mit ihrem Antrag (17/907, 17/5227) zumindest die Debatte in dieser Legislaturperiode angestoßen zu haben, auch wenn die Vorlage an diesem Tag an der Stimmenmehrheit der Unions- und FDP-Fraktion scheitert. In dem Antrag verlangen die SPD-Abgeordneten, die in allerlei Gesetzbüchern, Krankenkassenvorschriften und Gerichtsurteilen verstreuten Patientenrechte rechtsklar und transparent in einem Gesetz zusammenzufassen - ein Punkt, der unter den Fraktionen unstrittig ist. Ansonsten sei der Antrag aber "nicht zielgenau und überzogen", kritisiert CDU-Mann Rüddel. Die Koalitionskritik richtet sich etwa gegen den Vorschlag, dass demjenigen keine arbeitsrechtlichen Sanktionen drohen sollen, der in Kliniken eigene oder fremde Fehler meldet. Dies sei ein zentraler Aspekt, um die Patientensicherheit zu verbessern, sagt SPD-Gesundheitsexpertin Marlies Volkmer.

Die Rednerinnen der beiden anderen Oppositionsfraktionen spenden dem SPD-Antrag demonstrativ Lob. "Erhebliche Schnittmengen" zu eigenen Überlegungen sieht Kathrin Vogler (Die Linke). Als wichtige Diskussionsgrundlage stuft Maria Klein-Schmeink (Grüne) den SPD-Antrag ein. Dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung bescheinigt sie immerhin, "über die Koalitionsvereinbarung ein Stück hinauszugehen". Dort stehe nämlich nur, dass bestehende Patientenrechte gebündelt werden sollten. Vogler dagegen bemängelt, die von Zöller vorgelegten Eckpunkte ließen befürchten, dass der lange angekündigte Gesetzentwurf "nicht mehr werden wird als ein kleiner Hopser".

Ein Knackpunkt ist das Thema Beweislast bei Behandlungsfehlern. Die liegt bislang in der Regel beim Patienten. Genaue Zahlen zu Behandlungsfehlern in Deutschland fehlen. Das Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass von jährlich 40.000 gerichtlich 12.000 anerkannt werden. Verbraucherschützer vermuten, dass pro Jahr bis zu eine Million Menschen Opfer von Behandlungsfehlern werden. Der Patientenbeauftragte will nun im Einklang mit der gängigen Rechtsprechung ins Gesetz schreiben, dass bei "groben Behandlungsfehlern" der Arzt beweisen muss, dass ihn keine Schuld trifft; also etwa, dass nicht ein Operationsfehler zu einer Unterschenkenkelamputation geführt hat.

Rüddel hebt hervor, die Koalition habe "nicht die Absicht, Ärzte unter Generalverdacht zu stellen". Allerdings wären weitergehende Regelungen mit dem Koalitionspartner auch nicht zu machen. Die FDP-Abgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus lehnt in der Debatte eine Ausdehnung der Beweislastumkehr "zu Lasten der Ärzte" strikt ab. Das werde es mit der FDP nicht geben, stellt sie klar. "Eine Stärkung der Patientenrechte darf nicht auf Misstrauen aufgebaut werden", sagt sie und fügt hinzu: "Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse." Im schlimmsten Fall könne die Angst vor Fehlern zur "Behandlungsverweigerung" führen.

Volkmer verweist darauf, dass auch die SPD keine generelle Beweislastumkehr bei Behandlungsfehlern anstrebe. Gleichwohl müsse diese Möglichkeit erweitert werden, etwa wenn Behandlungsdokumentationen nicht vollständig seien. Ihre Grünen-Kollegin Klein-Schmeink befindet mit Blick auf die Beweislastumkehr, Zöller bleibe "weit hinter dem zurück, was eigentlich notwendig wäre". Sie kündigt an, ihre Fraktion werde in Kürze selbst einen Antrag für ein Patientenrechtegesetz in den Bundestag einbringen.

Dampf machen

Zöller greift an diesem Tag nicht in Debatte ein. Im Gespräch mit dieser Zeitung kündigt er aber an, mit dem Patientenrechtegesetz den Kassen Dampf bei der Bewilligung medizinischer Leistungen machen zu wollen (siehe Interview). Entscheidet eine Kasse nicht innerhalb weniger Wochen über einen Kur- oder Rollstuhlantrag, soll die Leistung nach Vorstellungen Zöllers automatisch als genehmigt gelten und die Kasse die Kosten erstatten. Damit wäre die Opposition wohl einverstanden; doch mehr als eine "Ankündigung" habe die Koalition bislang nicht zustande gebracht, sagt Volkmer. Monika Pilath z