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Die Visitenkarte

MEDIEN Bundestag unterstützt Reform der Deutschen Welle. Der Sender will Programme und Strukturen verschlanken

11.04.2011
2023-08-30T12:16:41.7200Z
6 Min

Die Deutsche Welle ist die "mediale Visitenkarte Deutschlands in der Welt". So verkündete es Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) am vergangenen Donnerstag vor dem Bundestag. Und unisono klang es so auch aus den Reihen der CDU/CSU, der SPD, der FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Doch was ist Deutschland sein traditionsreicher Auslandssender, der seit 1953 in alle Welt sendet, wert? Im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ARD und ZDF erhält die Deutsche Welle (DW) nichts aus dem Topf der Rundfunkgebühren, sondern wird aus Steuergeldern finanziert.

Derzeit erhält der Sender rund 283 Millionen Euro aus dem Haushalt Neumanns. Daran soll sich nach dessen Willen in Zukunft auch nichts ändern: "Trotz der drastischen Sparmaßnahmen im gesamten Bundeshaushalt im Umfang von 80 Milliarden Euro in der mittefristigen Finanzplanung bis 2014 habe ich entschieden", kündigte der Staatsminister an, "die Größenordnung des Haushaltes der Deutschen Welle im Wesentlichen beizubehalten, obwohl er mehr als ein Viertel meines Etats ausmacht."

Steigende Kosten

Ums Sparen und Verschlanken des Programmangebotes wird DW-Intendant Erik Bettermann, der die Debatte über die Zukunft seines Hauses im Bundestag von der Zuschauertribüne aus verfolgte, jedoch trotzdem nicht herumkommen. Bis zum Jahr 2013 werden die laufenden Kosten des Senders um 16,4 Millionen Euro ansteigen. So ist es der "Aufgabenplanung der Deutschen Welle 2010 bis 2013" (17/1289) zu entnehmen, über die der Bundestag beriet und ihr gemäß der Beschlussempfelung des Kultur- und Medienauschusses (17/5260) mit den Stimmen der Union, der SPD, der FDP und der Grünen auch grünes Licht erteilte. Lediglich die Linksfraktion stimmte gegen die Entschließung, sie fürchtet um die journalistische Unabhängigkeit des Auslandssenders.

Die Entscheidung über die inhaltliche Ausgestaltung seines Programms liegt zwar gemäß der rundfunkrechtlichen Unabhängigkeit nach Artikel 5 des Grundgesetzes und des Deutsche-Welle-Gesetzes beim Sender selbst. Allerdings unterliegt die Deutsche Welle als Anstalt des öffentlichen Rechts der Aufsicht der Bundesregierung, die zusammen mit dem Bundestag im Beteiligungsverfahren zur Planung des Senders Stellung bezieht.

Abschied vom Radio

Verschlanken muss die Deutsche Welle nicht nur ihr Programmangebot, sondern auch die Übertragungswege und -breite. So verabschiedet sie sich vom klassischen Hörfunk via Kurzwelle. Stattdessen will man verstärkt auf das Fernsehen und das Internet setzen. "Gerade in diesen Tagen erleben wir, dass die Kraft der Bilder einfach durch nichts zu ersetzen ist", argumentierte der CDU-Abgeordnete Reinhard Grindel in der Debatte. "Wenn wir unsere Sicht auf die Probleme der Welt vermitteln wollen, dann kommen wir nicht darum herum, bei der Auseinandersetzung auch auf die Wirkkraft der Bilder zu setzen und dieses Medium besonders zu bedienen."

Die deutsche Sicht der Dinge soll der Auslandssender auch weiterhin verbreiten. Die Deutsche Welle sei "Botschafterin gesellschaftlicher und kultureller Werte wie Demokratie, Menschenrechte und Pressefreiheit", betonte die SPD-Parlamentarierin Ulla Schmidt. Deswegen soll der Sender sein Programm zukünftig verstärkt auf jene Länder und Regionen der Welt konzentrieren, in denen diese Werte nicht oder nur unterentwickelt garantiert sind. Dazu gehören vor allem die Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas sowie auch Russland. Für den FDP-Abgeordneten Burkhardt Müller ist es deshalb auch nicht akzebtabel, wenn der Sender Hörfunk auf Griechisch anbiete, "aber die Fernsehnachrichten für Afghanistan trotz erfreulicher Quoten einstellen" musste.

Leitsprache Englisch

In Zukunft will die Deutsche Welle deshalb auch etliche Sprachen - etwa Hindi, Kroatisch und Rumänisch - aus ihrem Angebot streichen. Dafür rückt Englisch vor allem im TV- und Online-Angebot in den Vordergrund. Über Internet sollen allerdings Angebote in 30 Sprachen erhalten bleiben. Auch die deutschsprachigen Angebote werden teilweise reduziert: Zum einen weil Deutsche im Ausland über Satellit und Internet weltweit Zugriff auf deutsche Medien haben, zum anderen weil sie nicht länger der Hauptadressat des Senders sind. Das Programm soll verstärkt auf die sogenannten Multiplikatoren zugeschnitten werden - also Menschen, die in ihren Ländern Einfluss auf die öffentliche Meinung haben, etwa Journalisten, Regimekritiker und Entscheidungsträger.

Die Deutsche Welle, so führte der CDU-Abgeordnete Wolfgang Börnsen an, stehe in einem weltweiten Wettbewerb mit 24 anderen Staaten, die über Auslandssender verfügen. Im Jahr 1992 habe es mit der BBC und CNN lediglich zwei weitere internationale Sender gegeben. Doch inzwischen "melden sich Russland, die arabischen Staaten und besonders die Volksrepublik China auf der Weltbühne der Meinung". Dies seien Länder, so hob Börnsen hervor, "die auf die Freiheit nicht achten, die den Parlamentarismus missachten, Länder, die die Menschen- und Bürgerrechte in die Ecke stelle; die Deutsche Welle setzt dagegen. Gut so!"

Kritik der Linksfraktion

Massive Bedenken an der Neuausrichtung des Senders übte hingegen die Fraktion Die Linke. Sie stört sich massiv daran, dass der Auslandssender verstärkt mit dem Auswärtigen Amt, dem Verteidigungsministerium und dem Wirtschaftsministerium bei der medialen Außendarstellung Deutschlands zusammenarbeiten soll. Dies sei mit den Prinzipien eines unabhängigen Journalismus und eines staatsfernen Rundfunks nicht in Einklang zu bringen, bemängelte Kathrin Senger-Schäfer. "Wenn Ministerialbeamte den Journalistinnen und Journalisten den Griffel führen, ist von journalistischer Freiheit keine Rede mehr", schimpfte die Parlamentarierin.

Diesen Vorwurf wies der FDP-Abgeordnete Patrick Kurth umgehend zurück: Es sage viel aus über das Gesellschaftsbild der Linksfraktion, wenn sie glaube, "dass unabhängige Journalisten, die bei der Deutschen Welle arbeiten, plötzlich in Kadavergehorsam verfallen", nur weil der Sender mit Ministerien zusammenarbeiten soll. "Wir sind hier in einem freien Land. Die Journaille ist frei und bleibt es auch bei der Deutschen Welle", sagte Kurth.

Umgang mit den Mitarbeitern

Mahnungen an die Regierungsbank und die Leitung der Deutschen Welle waren trotz prinzipieller Zustimmung aber auch aus den Reihen der SPD und der Grünen zu vernehmen. Ihre Fraktion lege großen Wert darauf, dass die Reform des Auslandssenders "sozialveträglich und transparent gestaltet wird", führte Ulla Schmidt für die Sozialdemokraten an. Für die Mitarbeiter der Deutschen Welle müssten Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen angeboten werden, wenn sie zukünftig in anderen journalistischen Sparten arbeiten sollten. Auch betriebsbedingte Kündigungen müssten vermieden werden. Und die Regierung müsse ihre Zusagen hinsichtlich der Finanzierung einhalten. Der Sender beschäftigt derzeit rund 1.500 festangestellte und 1.500 freie Mitarbeiter.

Ähnlich äußerte sich auch die Grünen-Abgeordnete Tabea Rößner. Unter den Beschäftigten herrsche eine große Unruhe und Verunsicherung. Der Umbau der Deutschen Welle könne aber nur gelingen, wenn Führungsebene und Personal "gemeinsam einen guten Weg gehen werden". Rößner kritisierte, dass das Budget des Senders "in keinem Verhältnis zu der breiten Palette von Anforderungen" stehe. Bei allen berechtigten Anforderungen der Politik müsse man schon hinterfragen, was die Deutsche Welle tatsächlich leisten könne.

Diesen Vorwurf griff Wolfgang Börnsen auf, und hielt SPD und Grünen entgegen, dass der Auslandsender gerade in ihrer Regierungszeit zum "Steinbruch für den Bundeshaushalt" gemacht worden sei. Von den "radikalen Kürzungen" um fast 70 Millionen Euro habe sich der Sender bis heute nicht erholt. "Die Wende kam mit Staatsminister Bernd Neumann", lobte der Christdemokrat seinen Parteifreund.

Hilfe von ARD und ZDF

Um der Deutschen Welle zusätzlich unter die Arme zu greifen, sprachen sich die Vertreter der Koalition und der Opposition dafür aus, dass der Auslandssender zukünftig kostenfrei auf Sendungen von ARD und ZDF zurückgreifen können soll. Gleiches gelte für das Korrespondentennetz und die Infrastruktur der öffentlich-rechtlichen Sender.

Staatsminister Neumann kündigte in der Debatte an, dass er darüber mit der zuständigen Rundfunkkommission der Bundesländer verhandeln werde. Diese habe bereits ihre Gesprächsbereitschaft zugesagt. Denkbar wäre es, ein von ARD, ZDF und Deutscher Welle besetztes Gremium zu schaffen, das über die Zulieferung von Programmmaterial und den gemeinsamen Rechteerwerb sowie die Übernahme von Sendeformaten beschließt. Sollte Neumann damit Erfolg haben, dann könnten bald "Die Sendung mit der Maus" und "Löwenzahn", so wünschte es sich der FDP-Abgeordnete Patrick Kurth, am Hindukusch oder in den südamerikanischen Anden zu empfangen sein.