Die Szenerie erinnert an ein Computerspiel: Durch das Zielfernrohr an Bord des Hubschraubers erkennt man Menschen am Boden, dann werden sie erschossen. Am Ende des Videos hört man: "Nice"! Der amerikanische Hubschrauberpilot ist begeistert - gerade liquidierte seine Mannschaft einige "Aufständische". Die Videoaufzeichnungen der Angriffe im Irak, darunter auch die Tötung von zwei britischen Reuters-Reportern, gelangten unter der Bezeichnung "Collateral Murder" zu zweifelhaftem Weltruhm. Wahrscheinlich spielten US-Soldaten der Internetplattform WikiLeaks die geheimen Dateien zu. Seitdem sind die Aufzeichnungen weltweit zu sehen. Nach diesem Anfangserfolg veröffentlichte WikiLeaks Dokumente aus den Beständen des Pentagons über die Kriege im Irak und in Afghanistan sowie Depeschen aus dem State Department. Der internationale Skandal folgte den Veröffentlichungen auf dem Fuße.
Auch deutsche Computer-Hacker engagierten sich schon früh bei WikiLeaks und trugen maßgeblich zum technologischen Aufbau bei. Der geheimnisvolle Sprecher "Schmitt" publizierte jetzt unter seinem richtigen Namen Daniel Domscheit-Berg ein faszinierendes Buch über seine dreijährige Tätigkeit bei WikiLeaks und über dessen Gründer, Julian Assange; auch wenn einige Stellen nach einer peinlichen Abrechnung klingen. Immerhin hatte Assange den Deutschen im Jahr 2010 aus seiner Mannschaft herausgeschmissen, weil dieser ihn einmal zu oft kritisiert hatte. "Was schiefging, musste externe Gründe haben, der Guru war unantastbar und durfte nicht in Frage gestellt werden", erzählt Domscheit-Berg. Dennoch trauert er dieser Zeit nach: WikiLeaks sei das Beste, was ihm in seinem Leben passiert sei, gesteht er freimütig ein.
Detailgetreu berichtet der Autor über die Geschichte von WikiLeaks, über die Unterstützung des "Anonymous" in seinem Kampf gegen Scientology oder über das Engagement für Medienfreiheit in Afrika. Domscheit-Berg ist ein unterhaltsames Buch gelungen, das WikiLeaks und die Legende Assange teilweise entzaubert.
Inside WikiLeaks. Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt.
Econ Verlag, Berlin 2011; 303 S., 18 €