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Das dubiose Treiben der Schattenbanken

FINANZEN Internationale Institute und Fonds umgehen die Regulierung

04.07.2011
2023-08-30T12:16:46.7200Z
4 Min

Ein neues Gespenst geht um auf den internationalen Finanzmärkten: die Schattenbank. Nachdem infolge der Finanzkrise in fast allen Ländern die Regeln für Banken und Finanzgewerbe verschärft und Bestimmungen zum Schutz vor Zusammenbrüchen eingeführt worden waren, hat sich hinter den Skylines der Bankentürme nicht nur in der deutschen Finanzmetropole Frankfurt ein neues Geschäftsfeld entwickelt: die Schattenbank. Dort kann ohne störende Regeln und Aufsichtsbehörden wie vor der Krise gezockt werden, was das Zeug hält. Besonders angenehm für die Akteure: Die neue Unterwelt des Geldsektors gilt nicht als Bank, so dass Aufsichtsvorschriften ins Leere laufen.

Oliver Roth, Kapitalmarktstratege der Close Brothers Seydler Bank, einer deutschen Wertpapierhandelsbank, erklärt in "Der Aktionär online", wer dahinter steckt: "Es sind die gleichen Verdächtigen, mit denen wir bereits in der letzten Finanzkrise unliebsame Bekanntschaft gemacht haben." Dabei handelt es sich um Zweckgesellschaften internationaler Banken, Geldmarktfonds, Hedgefonds und Private-Equity-Firmen. Allein in den USA seien die Verbindlichkeiten dieser Schattenbanken auf 15,3 Billionen Dollar angewachsen. "Das entspricht der Gesamtverschuldung der USA", erläutert Roth.

Appell der Politik

Auch in der deutschen Politik schrillen bereits die Alarmglocken. Die Arbeiten der Gruppe der 20 größten Wirtschaftsnationen und des internationalen Finanzstabilitätsrates als globales Frühwarnsystem zu systemrelevanten Instituten sowie zur Regulierung des Schattenbankensystems müssten weiter vorangetrieben werden, fordern die Fraktionen von CDU/CSU und FDP in einem gemeinsamen Antrag (17/6313), der am Donnerstag vom Bundestag an die Ausschüsse überwiesen wurde. Ziel müsse es sein, "auf nationaler Ebene den Finanzmarkt krisenfest zu machen und auf europäischer wie globaler Ebene einen entscheidenden Beitrag für dauerhaft stabile Finanzmärkte zu leisten".

Steueroasen

Mit der Anhebung des Aufsichts- und Regulierungsstandards müsse verhindert werden, dass die Finanzmarktakteure Geschäftstätigkeiten in weniger oder gar nicht regulierte Bereiche auslagern, fordern die Fraktionen. Das betreffe nicht nur regionale Verlagerungen in "nicht-kooperative Jurisdiktionen", also Länder, in denen keine oder nur eine schwache Regulierung des Kapitalmarktes erfolge. Die waren früher unter dem Begriff "Steueroasen" bekannt.

Mehr Aufmerksamkeit müsse auch dem Schattenbankensektor gewidmet werden. Dazu zählen die Fraktionen die Aktivitäten von Zweckgesellschaften, Geldmarktfonds und Hedgefonds. Es müsse vermieden werden, das ein großer Teil der Geschäfte außerhalb des Bankensektors stattfinde "und in diesen Bereichen Risiken entstehen, denen gerade mit den umgesetzten Regulierungsmaßnahmen im Bankensektor entgegengewirkt wurde".

Finanzmarktsteuer

Zu den weiteren Forderungen gehört die Einführung einer europäischen Finanzmarktsteuer "zur Entlastung der nationalen Haushalte" und nicht wie von der EU gewünscht, zur Finanzierung des Brüsseler Etats. Die Verwendung externer Ratings von sogenannten Ratingagenturen soll reduziert werden. Investoren müssten Risiken wieder stärker eigenverantwortlich einschätzen. Für die internationalen Ratingagenturen sollen zivilrechtliche Haftungsregelungen eingeführt werden.

In einer Bilanz weisen CDU/CSU- und FDP-Fraktion auf zahlreiche Maßnahmen hin, mit denen zukünftige Fehlentwicklungen vermieden werden sollen. Zu den zentralen Reformen gehörten die unter dem Begriff "Basel III" bekannten neuen Kapital- und Liquiditätsregeln für Banken. Die Regelungen, die in Deutschland vom 1. Januar 2013 an zur Anwendung kommen sollen, sollen die Verlusttragfähigkeit nicht nur jeder einzelnen Bank, sondern die Widerstandsfähigkeit des ganzen Bankensektors stärken. Auch im Versicherungsbereich gebe es eine Reform des Aufsichtsrechts (Solvency II).

Allerdings warnt die SPD-Fraktion in diesem Zusammenhang vor einer Einschränkung der Kreditvergabefähigkeit kleiner deutscher Sparkassen und Genossenschaftsbanken durch "Basel III". In einem an die Ausschüsse überwiesenen Antrag (17/6294) wird die Bundesregierung aufgefordert, sich gegenüber der EU-Kommission für eine Umsetzung der Basel-III-Vorschriften durch eine Richtlinie und nicht wie in Brüssel geplant durch eine EU-Verordnung einzusetzen. Eine Richtlinie könne vom Bundestag nicht mehr geändert werden. Damit bestehe die Gefahr, dass die Wettbewerbsbedingungen für die in Deutschland weit verbreiteten kleinen Sparkassen und Genossenschaftsbanken verschlechtert würden. "Dem Deutschen Bundestag würden somit seine Mitwirkungsmöglichkeiten genommen, und nationale Besonderheiten könnten grundsätzlich nicht berücksichtigt werden", warnt die SPD-Fraktion.

Die Koalitionsfraktionen erinnern in ihrer Bilanz auch an das Restrukturierungsgesetz. Mit Hilfe der neuen Regeln könnten systemisch relevante Banken entweder schonend restrukturiert oder abgewickelt werden. Die Finanzierung erfolge durch einen Fonds, der von Beiträgen der Banken gespeist werde. "Damit wird die Finanzwirtschaft erstmals für die Kosten zur Bewältigung einer Finanzkrise herangezogen", loben die Fraktionen.

Neue Regeln

Manager alternativer Investmentfonds, von Hedgefonds und von Fonds mit privatem Beteiligungskapital müssten in Zukunft bestimmte Zulassungskriterien erfüllen, deren Einhaltung beaufsichtigt werde. Die EU-Richtlinie werde spätestens im Frühjahr 2013 in deutsches Recht umgesetzt, kündigen CDU/CSU- und FDP-Fraktion an. Des weiteren erinnern sie an die verschärften Kapital- und Liquiditätsanforderungen. In sogenannte Kreditverbriefungen dürften Banken nur noch dann investieren, wenn deren Emittenten fünf Prozent (ab 2015 zehn Prozent) der verbrieften Risiken selbst behalten würden. Gefährliche Finanzmarktpraktiken wie ungedeckte Leerverkäufe deutscher Aktien sowie von Staatsanleihen der Eurozone seien verboten und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen sei mit neuen Zuständigkeiten ausgestattet worden. Begrüßt wird die Schaffung des europäischen Finanzaufsichtssystems. Zur Stärkung des Verbraucherschutzes sei ein "Beipackzettel" für Finanzprodukte eingeführt worden.