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»Der Wahnsinn geht weiter«

Finanzen Koalition und Opposition streiten über Steuersenkungspläne

04.07.2011
2023-08-30T12:16:46.7200Z
3 Min

Zum heftigen Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition geriet am Mittwoch eine von Bündnis 90/Die Grünen beantragte Aktuelle Stunde zu den "Auswirkungen der Steuersenkungspläne der Koalition auf die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen und auf die Schuldenbremse".

"Der Wahnsinn geht weiter", kommentierte Fritz Kuhn (Grüne) die Steuersenkungspläne, die nach Ansicht der Grünen politisch vor allem der FDP nutzen sollten. Er warf den Liberalen vor, die Folgen eines solchen Vorgehens nicht zu bedenken. Durch Steuersenkungen, so der Abgeordnete, werde die Umsetzung der Schuldenbremse zerstört. Diese Regel könne nur funktionieren, wenn in wirtschaftlich guten Zeiten höhere Steuereinnahmen antizyklisch zur Schuldentilgung verwandt würden, um in konjunkturell schlechten Phasen finanzielle Spielräume zu haben. Laut Kuhn weist der Etat für 2012 ein Defizit von mehr als 30 Milliarden Euro auf.

Norbert Barthle (CDU) erklärte, den Grünen werde es nicht gelingen, einen Keil zwischen Union und FDP zu treiben. Sie würden es auch nicht schaffen, beim Thema Schuldenbremse die Glaubwürdigkeit der Koalition zu erschüttern. Heute würden sogar weniger Kredite aufgenommen als nach der Schuldenregel eigentlich erlaubt seien. Union und FDP sei es gelungen, die Neuverschuldung unter 30 Milliarden Euro zu senken, so der CDU-Abgeordnete: "Wenn jemand den Haushalt konsolidieren kann, dann ist es diese Koalition." Barthle kündigte an, Union und FDP würden eine Reform der "kalten Steuerprogression" in Angriff nehmen. Die "kalte Progression" führt bei bestimmten Einkommen dazu, dass Zuwächse von der mitsteigenden Steuerbelastung aufgefressen werden. Diesem Prinzip wohnt laut Barthle "ein Stück Ungerechtigkeit" inne.

»Gespensterdebatte«

Joachim Poß (SPD) kritisierte, in der Steuerpolitik veranstalte die Koalition "Klamauk" und eine "Gespensterdebatte". Bei der Steuersenkung gehe es um die "Rettung der FDP, und dies mit untauglichen Mitteln". Die Kanzlerin mache dabei aus Machtkalkül mit. Er beklagte, dass gegenwärtig "Haushaltsrisiken plötzlich keine Rolle mehr spielen". Der Abgeordnete verwies zustimmend auf Äußerungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), nach dessen Auffassung keine Spielräume für Steuersenkungen existierten und stattdessen erst einmal konsolidiert werden müsse. Auch habe Schäuble zu Recht erwähnt, so Poß, dass in Deutschland die Steuerbelastung unter dem Durchschnitt der Industrieländer liege.

Volker Wissing (FDP) warf Grünen und Linken "Scheinheiligkeit" vor, weil sie einst die Schuldenbremse abgelehnt hätten, heute aber das hohe Lied auf dieser Regel sängen. Er hielt der Opposition vor, von Einsparungen zu reden. In Nordrhein-Westfalen aber präsentiere Rot-Grün einen verfassungswidrigen Etat. Die Liberalen "kämpfen um eine gerechtere Besteuerung der Beschäftigten". Auch betreibe die Koalition eine "Politik der Konsolidierung". Zudem habe man sich für die kommunale Ebene engagiert. Es sei jedoch "verantwortungslos", wie die Opposition die Bürger von der Teilhabe am Aufschwung ausschließen wolle.

Dietmar Bartsch (Linksfraktion) erklärte, in der Geschichte der Bundesrepublik habe noch keine Koalition in einer Legislaturperiode so viele Schulden angehäuft wie die jetzige Regierung. Auf den Etat, so erklärte der Linke-Abgeordnete, kämen noch viele Belastungen zu. Niemand habe etwas dagegen, bei kleinen und mittleren Einkommen die Steuern zu senken. Die Linke sei auch bereit, an einer Reform der kalten Progression mitzuwirken. Allerdings sei es nötig, die Entlastungen für niedrigere Einkommen durch höhere Belastungen der Vermögenden zu finanzieren.