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Auge in Auge

NAHOST Israel und Palästina bewegen sich keinen Millimeter. Palästinenser-Führer setzt alles auf eine Karte

26.09.2011
2023-08-30T12:16:49.7200Z
4 Min

US-Präsident Barack Obama hat bisher nicht gehalten, was er versprochen hat - einen eigenen Staat für die Palästinenser bis spätetens Herbst dieses Jahres. Der israelische Premier Benjamin Netanjahu hat zu lange auf Zeit gespielt und die Freunde Israels mit seinem Siedlungsausbau irritiert. Und der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, scheint alles auf eine Karte zu setzen. Am vergangenen Freitag hat Abbas einen Antrag auf Vollmitgliedschaft Palästinas bei den Vereinten Nationen gestellt. Der Friedensprozess komme nicht voran, begründete er diesen Schritt vor der Vollversammlung, die vergangene Woche tagte. Die Arabische Liga unterstützt seinen Plan; ebenso tun dies etwa 150 der 193 UN-Mitglieder, darunter Russland und China. Die USA hatten allerdings ihr Veto angekündigt. Hinter den Kulissen hatte eine hektische Kompromisssuche begonnen.

Der FDP-Außenexperte Rainer Stinner brachte es in der Bundestagsdebatte zu Palästina am vergangenen Mittwoch auf den Punkt: Man diskutiere zu einem Zeitpunkt, an dem "alles im Fluss" sei und "jede Stunde eine neue Situation entsteht".

Maxime unseres Handelns

Peter Beyer (CDU) erklärte, die "Vision" einer Region, in der zwei Staaten, Israel und Palästina, innerhalb "sicherer und anerkannter Grenzen" nebeneinander existieren, bleibe "Maxime" unseres Handelns. Das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat sei insofern "unbestritten". Aber Präsident Abbas müsse "mit mehr als einem bloßen Antrag daherkommen", ergänzte der CDU-Abgeordnete. Deutschland trage eine historische Verantwortung für die "legitimen Sicherheitsinteressen" Israels. Beyer machte gleichzeitig darauf aufmerksam, "dass die Regierung in Jerusalem es selbst Israels Freunden mit ihrer Politik nicht immer leicht macht". Zu nennen sei der Siedlungsausbau und die Politik gegenüber den Palästinensern. Sie seien Opfer der verfahrenen Situation und litten unter den zuweilen "überzogenen Maßnahmen" Israels. Klar müsse aber auch sein: Wenn die palästinensische Führung den Verdacht nicht entkräften könne, dass sie den Terror unterstütze, könne sie kein Partner in den Friedensgesprächen sein.

Existenzrecht Israels

Das Existenzrecht des Staates Israel und das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat dürften niemals in Frage gestellt werden, betonte auch der SPD-Abgeordnete Christian Lange. Derzeit finde eine "Welle der Anerkennung" eines palästinensischen Staates statt. Damit wachse die Dringlichkeit, "Bewegung in die Sache zu bringen", konstatierte Lange. Berlin müsse andererseits beiden Staaten klarmachen, dass sie durch eine Zuspitzung der Auseinandersetzung in der Generalversammlung der Vereinten Nationen einer Lösung der "Endstatusfragen" nicht näherkommen, betonte der SPD-Abgeordnete.

Die Sozialdemokraten forderten mit ihrem Antrag (17/6298) "Den Nahost-Friedensbemühmungen neuen Schwung verleihen" die Bundesregierung auf, dass sie ihre "negative Vorfestlegung" gegen die palästinensische Bemühmungen bei den Vereinten Nationen aufgeben und stattdessen alles offenhalte, was zu einer gemeinsamen europäischen Haltung führen könnte. Die Bundesregierung solle sich andererseits für ein "sofortiges Ende des israelischen Siedlungsbaus in den palästinensischen Gebieten" einsetzen, heißt es in der Initiative weiter. Schließlich gelte es, ein wichtiges politisches Signal auszusenden, in dem sie die palästinensische Vertretung in Deutschland aufwertet, betont die SPD-Fraktion in ihrem Antrag.

Zwei-Staaten-Lösung

Für die FDP-Fraktion unterstrich ihr Außenexperte Rainer Stinner in der Debatte: "Wir wollen die Zwei-Staaten-Lösung." Dies sei kein "Selbstzweck", sondern "sie soll konkret das Leben der Menschen verbessern". Sie müsse aber von beiden Seiten gewollt sein. "Deshalb kommen wir an der Notwendigkeit von Verhandlungen zwischen den Palästinensern und Israel über die bekannten Inhalte nicht vorbei", sagte Stinner. Bei jeder Lösung müssten die "völlig berechtigten Sicherheitsinteressen Israels" Berücksichtigung finden. Stinner stimmte aber gleichzeitig jenen zu, die Kritik an der israelischen Führung übten. Man frage sich manchmal, ob das Verhalten Israels in den letzten Monaten den Sicherheitsinteressen dienlich gewesen sei, sagte der FDP-Abgeordnete.

Der Linken-Abgeordnete Wolfgang Gercke unterstrich, seine Fraktion wolle, dass Deutschland bei den Vereinten Nationen dafür stimmt, dass Palästina als Vollmitglied aufgenommen werde. Man sei der Auffassung, dass dies der deutschen Verantwortung gegenüber Israel und Palästina entspreche.

Für ihn sei es ein "Riesenfortschritt", dass die "unbefriedigende Situation" nicht mit dem "Griff zur Waffe", nicht mit neuer Gewalt, sondern mit dem Gang zu den Vereinten Nationen beantwortet worden sei, unterstrich Gercke. Die Fraktion Die Linke hatte zur Debatte einen Antrag (17/6150) vorgelegt. Darin forderten die Abgeordneten explizit, den Staat Palästina anzuerkennen.

Nur so könnten Israelis und Palästinensern ein Leben in Frieden, in politischer Unabhängigkeit, in nationaler Sicherheit und wirtschaftlichem Wohlstand ermöglicht werden. Die Proklamation des Staates Palästina sei deshalb auf UN-Ebene und auf der Grundlage der Grenzen von 1967 zu unterstützen, fordern die Abgeordneten. Desweiteren solle Bundespräsident Christian Wulff den Staat Palästina mittels einer Note anerkennen. Israel müsse seinen völkerrechtswidrigen Siedlungsbau beenden und die palästinensischen Gebiete "nicht länger als Teil der Innenpolitik" betrachten. Von der Hamas sei die Anerkennung des Staates Israel einzufordern, heißt es im Linken-Antrag weiter.

Kerstin Müller von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sprach von Europas großer Chance, "eine vermittelnde Rolle zwischen den Konfliktparteien und den USA einzunehmen". Die Außenexpertin schloss nicht aus, dies könnte am Ende zu neuen Verhandungen führen. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) dürfe diese Chance und große Verantwortung nicht erneut "leichtfertig" verspielen, so wie er das in der Libyen-Frage getan habe, unterstrich Müller. Sowohl der Antrag der SPD-Fraktion als auch die Initiative der Fraktion Die Linke fanden bei der Abstimmung am vergangenen Mittwoch keine Mehrheit.