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Der Bürger bestimmt die Tagesordnung

PETITIONEN Knapp 17.000 Eingaben erreichten den Ausschuss im Jahr 2010

26.09.2011
2023-08-30T12:16:49.7200Z
3 Min

Ob bei Problemen durch fehlenden Lärmschutz an ICE-Strecken oder vermeintlich falsche Rentenberechnungen. Ob aus Sorge vor gesellschaftlichen Fehlentwicklungen oder auch der schlichten Angst um die eigene Existenz: Viele verzweifelte Bürger sehen im Petitionsausschuss des Bundestages ihre letzte Hoffnung.

Im Jahr 2010 gingen 16.849 Eingaben bei dem Ausschuss ein, dessen Einsetzung das Grundgesetz in Artikel 45 fordert. Das geht aus dem Petitionsbericht 2010 (17/6250) hervor, über den der Bundestag am vergangenen Mittwoch debattiert hat. Dabei verwies die Ausschussvorsitzende Kersten Steinke (Die Linke) auf die hohe Zahl der Petitionen, die zeige, "dass die Menschen in Deutschland nicht politikverdrossen sind". Im Schnitt seien 66 Petitionen täglich eingegangen - 150.000 Mal sei die Homepage des Petitionsausschusses pro Tag angeklickt worden. Steinke zeigte sich zufrieden und will dennoch mehr: Eine Stunde pro Sitzungswoche sollten im Plenum des Deutschen Bundestages eingegangene Petitionen inhaltlich beraten werden, lautet ihre Forderung. Dadurch, so Steinke weiter, könne "manch folgende Debatte anders und nachdenklicher verlaufen".

Das Positive sehen, aber auch Kritik üben - diesem Motto folgten auch die Redner der anderen Fraktionen. Der Unionsabgeordnete Günther Baumann etwa urteilte, dass Petitionsarbeit erfolgreich sein könne, "wenn man hartnäckig bleibt". Dies zeigten die vielen positiven Beispiele, da immerhin 43 Prozent aller Eingaben 2010 "positiv bearbeitet wurden". Kritik übte er jedoch an der Opposition, die das Petitionsrecht zunehmend als eine politische Plattform nutzen würde. "Das Petitionsrecht ist nicht für Populismus oder politische Profilierung da", sagte der CDU-Politiker.

Lebensschicksale

Dem hielt Sonja Steffen (SPD) entgegen, dass es die Koalitionsfraktionen seien, die sich gegen die Mitberatung von Gesetzentwürfen entschieden hätten. Dabei könne der Ausschuss gerade durch die Einsicht in konkrete Einzelfälle in bestimmten Bereichen "einen wichtigen und kompetenten Beitrag leisten". Ihr mache die Arbeit im Ausschuss viel Freude, eben weil sie "konkrete Lebensschicksale betrifft", sagte Steffen. Durch Petitionen würden die Abgeordneten auf Probleme und Missstände aufmerksam gemacht. Diese Rückkopplung sei für das Parlament als Kontrollinstanz gegenüber der Bundesregierung und als Gesetzgeber von großer Bedeutung.

Der Grünen-Abgeordnete Hermann Ott richtete seine Kritik konkret an die Unionsfraktion. Diese würde immer wieder darauf hinweisen, dass das Petitionsrecht kein Instrument zur direkten Demokratie sei. Wenn die Menschen aber durch Online-Petitionen Anstöße zu Gesetzesinitiativen geben könnten, sei das sehr wohl ein Instrument der direkten Demokratie, befand Ott, der dem Ausschuss "fehlenden Glanz" attestierte. "Der Petitionsausschuss gilt nicht als cool", sagte der Parlamentarier mit Blick auf das eher mäßig besetzte Plenum. Mehr Glanz und Bedeutung könne durch Verbesserungen bei den öffentlichen Petitionen erreicht werden, schlug Ott vor. So müsse nach Ansicht seiner Fraktion die Zeichnungsfrist für die benötigten 50.000 Unterschriften von derzeit drei auf acht Wochen erhöht werden.

Der FDP-Abgeordnete Peter Röhlinger nannte die Arbeit des Ausschusses "wichtig und verantwortungsvoll". Viele Anliegen würde der Ausschuss einstimmig unterstützen: "Wir helfen über Parteigrenzen hinweg." Es gebe jedoch auch Fälle, in denen der Ausschuss nicht helfen könne, räumte Röhlinger ein. Gerade in solchen Fällen sei es wichtig, dass die Begründung "verständlich formuliert wird". Als ausgesprochen positiv bewertete er, dass durch die Online-Petitionen gerade die junge Generation erreicht werde.