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Hochmotivierte mit mangelhaften Perspektiven

BILDUNG Parlamentarier kritisieren befristete Arbeitsverträge für junge Wissenschaftler an Hochschulen

26.09.2011
2023-08-30T12:16:49.7200Z
2 Min

Bis auf die FDP waren sich alle Fraktionen weitgehend einig: Die große Anzahl der befristeten Anstellungen des wissenschaftlichen Nachwuchses an den deutschen Hochschulen führt zu prekären Lebensverhältnissen und mangelhaften beruflichen Perspektiven. Vor allem die Oppositionsfraktionen bemängelten dies in der Debatte um die "Zukunft des wissenschaftlichen Nachwuchses" am vergangenen Donnerstag. Gegenstand der Aussprache waren je ein Antrag der SPD-Fraktion (17/6336) und der Fraktion Die Linke (17/6488).

"Die Leute sind hoch motiviert, aber sie leiden unter großer beruflicher Unsicherheit", kritisierte Swen Schulz (SPD). Es gebe zu wenig Aufstiegschancen an den deutschen Hochschulen. Weniger als zehn Prozent der Wissenschaftler hätten überhaupt noch eine unbefristete Stelle. Viele würden aufgrund der Perspektivlosigkeit ins Ausland gehen. "Das ist ein Problem für die gesamte Gesellschaft, weil uns die Leute verloren gehen", mahnte der Sozialdemokrat. Die SPD fordert in ihrem Antrag eine Personaloffensive für die Hochschulen. Es sollen 2.500 Professorenstellen und 1.000 Juniorprofessorenstellen geschaffen werden.

Der Sprecher der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der CDU/CSU-Fraktion, Albert Rupprecht, teilte die Kritik in einigen Punkten. Er wies aber auch darauf hin, dass die Anzahl der Wissenschaftler in Deutschland erheblich gestiegen sei. "Es gab noch nie so viele Stellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs an den Hochschulen wie derzeit", sagte Rupprecht. An diesem Zuwachs habe der Bund einen wesentlichen Anteil. Dennoch müsste man die Frage stellen: Wieso geben die Hochschulen dem wissenschaftlichen Nachwuchs diese Sicherheit in den Arbeitsverträgen nicht weiter? "Wir fordern Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit genauso wie Orientierung an Leistung und Qualität", betonte Rupprecht.

»Akademisches Proletariat«

Die Linksfraktion wendet sich insgesamt gegen die Befristung von Arbeitsverträgen in der Wissenschaft. "Wenn über akademischen Nachwuchs gesprochen wird, dann haben wir es nicht mit der Vorschulgruppe des Wissenschaftssystem zu tun", sagte Petra Sitte. Es gehe in dieser Debatte um 85 Prozent der Wissenschaftler dieses Landes. Das deutsche Universitätssystem weise im Kern immer noch die Personalstruktur des 19. Jahrhunderts, der alten Ordinarienstruktur, auf. Inzwischen sei ein akademisches Proletariat entstanden, befand Sitte.

Gegen den Ausbau unbefristeter Stellen wandte sich hingegen Martin Neumann (FDP). Das deutsche Hochschulsystem sei international vernetzt. Da gebe es keinen Platz für nationale Besonderheiten. Grundsätzlich forderte Neumann mehr "Autonomie für die Hochschulen". Das würde auch gleichzeitig die Situation der Wissenschaftler verbessern.

Krista Sager (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte ebenfalls die prekären Beschäftigungsverhältnisse von Wissenschaftlern. "Wenn Wissenschaft als Beruf im Wettbewerb mit privaten Arbeitgebern immer unattraktiver wird, dann gefährdet das das deutsche Wissenschaftssystem insgesamt." Die Parlamentarierin forderte, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zu überarbeiten und die Tarifsperre im Wissenschaftszeitvertrag aufzuheben.