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Den Schatz im Handy heben

ROHSTOFFE Union und FDP wollen die Versorgung sichern. Die Opposition setzt auf Recycling und Entwicklungspolitik

24.10.2011
2023-08-30T12:16:50.7200Z
4 Min

Ob Handy, Notebook oder Solarzelle: Keines dieser Alltagsprodukte würde ohne Metalle wie Lithium, Gallium oder die sogenannten Seltenen Erden funktionieren. Die weltweite Nachfrage nach solchen Rohstoffen steigt, das Angebot ist knapp und die Vorkommen sind auf der Erde ungleich verteilt.

Eine Woche nach dem Abschluss eines Rohstoffabkommens zwischen der Mongolei und Deutschland debattierte der Bundestag am vergangenen Donnerstagüber zwei Anträge zur Rohstoffversorgung und zur internationalen Rohstoffpolitik. Während die Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag (17/7353) vor allem die sichere und langfristige Versorgung der Wirtschaft ins Zentrum rückten, forderten die Fraktionen von SPD und Grünen, stärker auf Recycling und die Beschränkung von Rohstoffspekulation zu setzen. Die Fraktion Die Linke forderte mit einem eigenen Antrag (17/6153, 17/7151) eine "gerechte und entwicklungsförderliche internationale Rohstoffpolitik" ein, die nicht den Wünschen der deutschen Industrie folge, sondern eine soziale und wirtschaftliche Entwicklung in den Länden des Südens vorantreibe.

Der Antrag der Koalition wurde von der Mehrheit des Plenums angenommen, der Antrag der Linken bei Enthaltung der SPD-Fraktion abgelehnt.

Importabhängigkeit

"Deutschland zählt zu den größten Rohstoffkonsumenten der Welt", sagte Ernst Burgbacher (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, zum Auftakt der Debatte. Deutschland brauche Rohstoffe, um Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum zu sichern. Mit Abkommen wie jenem mit der Mongolei öffne die Bundesregierung Türen zu rohstoffreichen Ländern. "Durch diese Türen muss die Wirtschaft dann allerdings selbst gehen", sagte Burgbacher und erläuterte die weiteren Schwerpunkte der Rohstoffstrategie der Bundesregierung.

Dazu zählten etwa ein Rohstoff-Informationssystem für mittelständische Betriebe, Investitionsgarantien, das Engagement gegen wettbewerbsverzerrende Handelsbeschränkungen auf internationaler Ebene, vor allem aber Maßnahmen für mehr Rohstoffeffizienz und Recycling. "Wir können es uns schlicht nicht leisten, wertvolle Rohstoffe auf den Müll zu kippen", sagte Burgbacher.

»Kolonialisierung«

Der energiepolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rolf Hempelmann, warf der Koalition vor, beflügelt von der Erfolgsmeldung aus der Mongolei jetzt einen Antrag "mit heißer Nadel" zu stricken. Damit springe die Koalition zu kurz. Das Beispiel zeige, dass die Bundesregierung wenig Konkretes für die Entwicklung im Partnerland vorsehe. Solche Abkommen erweckten den Eindruck einer "dritten Welle der Kolonialisierung", von der die Bundesregierung ein paar "Glasperlen" mit nach Hause bringe. "Wir können nicht die Methode Chinas verwenden, das die Rohstoffe in den Ländern Afrikas oder auch in Brasilien ausbeutet, die dortigen Märkte gleichzeitig mit ihren billigen Industrieprodukten überschwemmt und damit verhindert, dass dort eine eigene Wertschöpfung entsteht", sagte Hempelmann.

Einen Zweispalt der "interessengeleiteten und gleichzeitig wertegebundenen Außenpolitik" machte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder, aus. Gerade in rohstoffreichen Länder herrschten häufig große Armut und "sehr schwierige politische Verhältnisse". Dennoch sei "realpolitisches Handeln notwendig, weil dies unseren Interessen entspricht", sagte Mißfelder und verwies auf die Abhängigkeit großer deutscher Unternehmen von Rohstoffimporten. Der Linken warf Mißfelder einen "Pawlowschen Ideologiereflex" vor: "Sobald Sie das Thema Ressourcen, Industrie, Wirtschaft, Rohstoffe hören, sagen Sie: Kein Krieg für Rohstoffe!" Ohne eine "engagierte Rohstoffaußenpolitik" aber würde die Industrie in Deutschland schlicht eingehen, warnte Mißfelder.

Wolfgang Gehrcke von der Fraktion Die Linke warf der Bundesregierung vor, sich um die Menschenrechte "einen Dreck zu scheren", wenn es um den Profit gehe. Seine Fraktion betone den fairen Ausgleich zwischen Rohstoffproduzenten und -konsumenten und frage nach den Arbeitsbedingungen von Menschen, die Rohstoffe fördern. "Wir wollen Ausgleich und nicht Dominanz", sagte der außenpolitische Sprecher der Linken. Zudem sagte Gehrcke zum militärischen Aspekt des Themas, Rohstoffsicherheit und die Sicherung von Handelswegen seien Gründe für deutsche Militäreinsätze wie in Afghanistan.

»Kein Innovationsbrummer«

Der Fraktionsvize von Bündnis 90/Die Grünen, Fritz Kuhn, kritisierte, dass sich die Koalition zu stark auf die Rohstoffsicherung und zu wenig auf Recycling und Rohstoffeffizienz konzentriere. Zudem werde sie ihrem eigenen Anspruch einer europäischen Rohstoffpolitik nicht gerecht: "Hat die Kanzlerin die EU vorher über ihr Vorhaben in der Mongolei informiert?", fragte Kuhn. Überdies sei das Abkommen mit seiner starken Ausrichtung auf Steinkohle nicht gerade ein "Innovationsbrummer". Besonders schwach sehe die Koalition in der Frage der Rohstoffspekulation aus, die für die deutsche Wirtschaft wie für die Entwicklungsländer "extrem schädlich und gefährlich" sei. Schwarz-Gelb scheue das Wort Regulierung "wie der Teufel das Weihwasser", sagte Kuhn.

Die "kräftigen Preisanstiege" für Metalle seien weniger Folge von Spekulationen, sondern des Aufstiegs von Schwellenländern wie China, sagte Klaus Breil von der FDP-Fraktion. Rohstoffsicherung sei vor allem eine Aufgabe der Wirtschaft selbst, die Bundesregierung setze lediglich die Rahmenbedingungen: mit Lieferabkommen, "staatlich untermauerten Rohstoffpartnerschaften", Investitionskrediten und dem Abbau von "Handels- und Wettbewerbsverzerrungen". Außerdem müsse das Recycling noch gesteigert werden, sagte der energiepolitische Sprecher der Liberalen.