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Kurz notiert

24.10.2011
2023-08-30T12:16:50.7200Z
3 Min

Die Menschheit sah sich zum ersten Mal mit der Gefahr eines Atomkrieges konfrontiert: Im Oktober 1961 rollten zuerst amerikanische, dann sowjetische Panzer zum Grenzübergang in Berlin und nahmen gegeneinander Aufstellung. DDR-Volkspolizisten hatten zuvor die westlichen Alliierten beim Betreten der sowjetischen Besatzungszone aufgefordert, ihre Ausweise vorzuzeigen. Dieser "Ausweiszwang" verletzte das Vier-Mächte-Abkommen. US-Präsident Kennedys "Sonderbeauftragter" in Berlin, General Lucius D. Clay, entschied deshalb, Moskaus Provokation entgegenzutreten.

Dass die Sowjetunion nicht angreifen würde, leitete Clay aus Moskaus Reaktion ab: Gegenüber den 30 in Berlin stationierten US-Panzern positionierten die "Russen" 30 sowjetische - mehr nicht. Die übrigen Panzer blieben in den Kasernen. Das berichtete der General seinem Präsidenten in einem Telefonat. "Verlieren Sie nur nicht die Nerven", sagte Kennedy daraufhin. "Wir machen uns Sorgen über die von euch dort drüben in Washington", antwortete Clay.

Mit seinem "Berlin-Ultimatum" - der Forderung nach einem Abzug der alliierten Truppen aus West-Berlin und einer Änderung der Verträge über den Status von Berlin - unterstützte der Kreml seit 1961 die DDR-Pläne für eine Isolierung West-Berlins. "Berlin ist der gefährlichste Ort der Welt", sagte Regierungschef Nikita Chruschtschow im Juni. Er wollte "durch eine Operation an diesem schlimmen Ort diesen Dorn, dieses Krebsgeschwür entfernen". Den Bau der Mauer am 13. August hatte Kennedy eher positiv bewertet, da sie die Berlin-Krise beenden konnte. Deshalb verzichtete er auf eine Mobilmachung der US-Truppen.

In seinem hervorragenden Buch hat Kempe die Hintergründe der Berlin-Krise im Jahr 1961 umfassend dargestellt. Dazu analysierte er zahlreiche unbekannte amerikanische und sowjetische Dokumente, die er in einen globalen Kontext stellt. Sein Fazit: Die weiche Haltung der USA in der Berlin-Frage veranlasste die Sowjetunion zur Stationierung der Atomraketen auf Kuba.

"Womit sollen wir anfangen? Vielleicht besprechen wir zuerst die Frage der Einstellung der Kernwaffenversuche und der Abrüstung, oder wollen wir mit der deutschen Frage anfangen?" Der Gesprächspartner will mit dem Thema Abrüstung beginnen und dann um 12 Uhr zur deutschen Frage übergehen. "Einverstanden".

Zitiert wird nicht ein Ausschnitt aus der US-Fernsehserie "The West Wing", sondern ein Gespräch der beiden mächtigsten Männer der Welt: US-Präsident John F. Kennedy und Regierungschef Nikita Chruschtschow aus der UdSSR. Sie kamen am 3. und 4. Juni 1961 in Wien zusammen, um die brennendsten internationalen Probleme zu besprechen. Auf der Tagesordnung standen unter anderem die Berlin Frage, die Krise in Laos und die nukleare Abrüstung.

Rückblickend markierte das Wiener Treffen einen Wendepunkt im Kalten Krieg: Chruschtschow betrachtete den jungen Präsidenten als politisches Leichtgewicht. "Diese Wahrnehmung bestimmte seine Politik bis zur Kuba-Krise im Herbst 1962, als ihm das Verhalten des Präsidenten Kennedy Respekt abnötigte", schreibt der Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung, Stefan Karner, in seiner Einleitung.

"Wenn Sie unsere Bestrebungen nicht richtig verstehen, so kann das zu einer Verschärfung unserer Beziehungen führen". Mit dieser diplomatisch formulierten Drohung versuchte Chruschtschow, Kennedy in der Berlin-Frage unter Druck zu setzen. Dann wurde er aggressiv: "Auch eine direkte Konfrontation" werde diese Frage nicht zu Gunsten der USA entscheiden. Als Kennedy vor dem "Risiko der offenen Konfrontation zwischen USA und UdSSR" warnte, antwortete der Russe lapidar: "Wir wollen keinen Krieg, wenn Sie ihn uns aber aufnötigen, wird es ihn geben." Der Kreml-Chef unterstellte dem Präsidenten, dass er in der Berlin-Frage "unter Adenauers Druck" handelte.

Nicht nur die erstmals veröffentlichten stenographischen Protokolle des Treffens sind lesenswert, sondern auch die zahlreichen Begleittexte.

Frederick Kempe

Berlin 1961. Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt. Siedler Verlag

München 2011 671 S., 29,99 €

Stefan Karner u. a. (Hrsg.)

Der Wiener Gipfel 1961.

StudienVerlag

Innsbruck 2011 1056 S., 39,90 €