Piwik Webtracking Image

Eine entschiedene Wahl

Russland Am Sonntag bestimmen die Bürger ein neues Parlament. Zu sagen hat es wenig

28.11.2011
2023-08-30T12:16:52.7200Z
2 Min

"Wen soll ich am 4. Dezember wählen?" Eine banale und doch komplizierte Angelegenheit. Doch Julia, eine junge Russin, die in den kleinen Vortragsraum im Zentrum Moskaus gekommen ist, gibt nicht auf: "Was soll ich tun, um meinen Widerwillen gegen diese Wahl zu bekunden?", fragt sie die Mitarbeiter der kleinen russischen Wahlbeobachter-Organisation "Golos" (Stimme). So offen zeigen wenige ihren Protest.

Am kommenden Sonntag wählen die Russen die Duma, ihr Parlament. Die Zentrale Wahlkommission hat Städte und Dörfer mit Plakatwänden versehen, selbst auf den Moskauer Metro-Tickets prangen Sätze: "Ich stimme für Russland. Ich stimme für mich selbst." Doch vor allem werden die Russen in der Mehrheit für "Einiges Russland", die Kreml-Partei, stimmen - trotz steigender Unzufriedenheit mit der Arbeit der Regierung. Russische und internationale Wahlbeobachter klagen zudem seit Wochen über Manipulationen im Vorfeld der Wahl.

Rollentausch Der Sieg der Regierungspartei steht so gut wie fest, auch wenn die Zustimmung in der Bevölkerung sinkt, vor allem nach dem angekündigten Rollentausch von Präsident Dmitri Medwedew und Regierungschef Wladimir Putin. Hätten im Oktober 2007 noch 68 Prozent für "Einiges Russland" gestimmt, wären es nach Angaben des unabhängigen Umfrage-Instituts Lewada-Zentrum nun nur noch 51 Prozent.

Russische Parteien sind mit den westlichen nicht zu vergleichen. Registrierung, Zulassung, Fernsehwerbung, die Wahlen selbst und die Auszählung der Stimmen werden von der Exekutive kontrolliert - von der Regierung Putin. Es ist ein gelenktes Parteiwesen mit einer klar autoritären Struktur. Die Duma - ihre Vertreter werden mittels einer Verhältniswahl für fünf Jahre direkt bestimmt - hat zwar die Funktion, Gesetze zu verabschieden, letztlich aber agiert sie wie ein Berater. Die Entscheidungen trifft der Präsident. Waren 2003 noch 44 Parteien zur Wahl angetreten, sind in diesem Jahr lediglich sieben zugelassen. Solche wie die liberale "Parnas" des früheren Vize-Regierungschefs Boris Nemzow oder die linke "Rot Front" von Sergej Udalzow wurden erst gar nicht registriert.

Nach "Einiges Russland", derzeit mit 315 Mandaten und absoluter Mehrheit in der Duma, dürften die Kommunisten mit Gennadi Sjuganow an der Spitze zweistärkste Kraft werden (laut Lewada-Umfrage 20 Prozent). Es folgen die Liberal-Demokratische Partei (LDPR) um den Nationalpopulisten Wladimir Schirinowski mit 14 Prozent sowie "Gerechtes Russland" mit sieben Prozent. Der liberalen "Jabloko"-Partei, den Wirtschaftsliberalen von "Rechte Sache" und den "Patrioten Russlands" räumen Beobachter kaum Chancen auf einen Sprung über die Sieben-Prozent-Hürde ein. Der Prostest aber bleibt: "Am besten machen Sie Ihren Wahlzettel ungültig", rät Andrej Busin, Jurist bei Golos, der fragenden Julia. Sie notiert eifrig mit.