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Geschlossen gegen Braun

TERRORISMUS Der Bundestag setzt ein Zeichen gegen Neonazis - und streitet über ihre Bekämpfung

28.11.2011
2023-08-30T12:16:53.7200Z
3 Min

Es war ein starkes Signal der Geschlossenheit gegen Rechtsextremismus, das der Bundestag in der vergangenen Woche angesichts der jüngst bekannt gewordenen Mordserie von Neonazis aussendete: Zum ersten Mal hatten sich alle fünf Fraktionen auf einen gemeinsamen Entschließungsantrag (17/7771) verständigt, der dann auch einstimmig vom Plenum angenommen wurde. Dessen Bedeutung, betonte Linksfraktionschef Gregor Gysi in der Debatte, "besteht darin, dass wir trotz unterschiedlichster Auffassung in vielen Fragen den Rechtsterroristen in Deutschland sagen: Ihr scheitert an uns gemeinsam - von der CSU bis zur Linken".

»Zutiefst beschämt«

In dem Beschluss zeigt sich das Parlament "zutiefst beschämt", dass "nach den ungeheuren Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes rechtsextremistische Ideologie in unserem Land eine blutige Spur unvorstellbarer Mordtaten hervorbringt". Zugleich unterstreicht der Bundestag seine Entschlossenheit, "sowohl die politisch-gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten und ihren Verbündeten vertieft fortzusetzen als auch die unabdingbaren Konsequenzen für die Arbeit der Sicherheitsbehörden rasch zu ziehen". Auch müsse man alle demokratischen Gruppen stärken, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, heißt es in dem Beschluss.

Zu Beginn der Sitzung brachte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) namens aller Abgeordneten die "Trauer, Betroffenheit und Bestürzung" des Parlaments über die Morde zum Ausdruck. Man sei entschlossen, alles mit den Mitteln des Rechtsstaats Mögliche zu tun, um sicherzustellen, dass der Schutz von Leib und Leben und die Grundrechte "in diesem Land Geltung haben - für jeden, der hier lebt, mit welcher Herkunft, mit welchem Glauben und mit welcher Orientiertung auch immer".

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) warb für eine bessere Verzahnung von Polizei und Verfassungsschutz sowie zwischen Bund und Ländern. Er kündigte unter anderem eine Verbunddatei und ein Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus an. Zur Frage eines NPD-Verbotsverfahren sagte Friedrich, das dafür erforderliche Abschalten von V-Leuten sei mit einem Risiko verbunden. Er halte V-Leute für ein "unverzichtbares Frühwarnsystem", doch sei zu prüfen, ob man ein Verbotsverfahren dennoch mit Erfolg durchführen kann. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) betonte, auf keinen Fall dürfe ein Verbotsverfahren ohne ausreichende Erfolgsaussicht eingeleitet werden.

Die Vorsitzenden der drei Oppositionsfraktionen, Frank-Walter Steinmeier (SPD), Renate Künast (Grüne) und Gysi, verlangten wie die Koalition eine umfassende Aufklärung der Vorgänge. Steinmeier plädierte zudem dafür, alle Hindernisse für ein NPD-Verbotsverfahren zu beseitigen und die V-Leute abzuschalten. Ähnlich äußerte sich Gysi. Alle drei hielten Sicherheitsbehörden "Blindheit gegenüber der rechten Seite" vor, wie es Künast formulierte, und forderten die Streichung der Extremismusklausel, die Träger von Projekten gegen Extremismus unterzeichnen müssen, wenn sie Fördergelder vom Bund wollen. Die Klausel, wonach die, "die gegen Rechtsextreme kämpfen, selber erst erklären müssen, dass ihre Mitkämpfer auf dem Boden des Grundgesetzes stehen", sei "eine Anfeindung", sagte Künast. Wie sie griff auch Steinmeier in diesem Kontext Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) persönlich an. Sie habe Menschen unter "linksextremen Generalverdacht" gestellt, die gegen Rechtsextremismus ankämpften, kritisierte er.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe entgegnete, es habe nichts mit Generalverdacht zu tun, "ein Bekenntnis zur Demokratie zur Grundlage für öffentliche Förderung zu machen". Sein FDP-Kollege Christian Lindner ergänzte, die Demokratie verteidigen könne man nur mit Demokraten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nutzte am folgenden Tag die Generaldebatte des Bundestages (siehe Beitrag unten), um die Mordtaten als "Angriff auf unser demokratisches Gemeinwesen" zu verurteilen. Zugleich mahnte die Regierungschefin, alle Seiten sollten sich den Vorwurf ersparen, "auf irgendeinem Auge blind zu sein". Das treibe nur einen "Keil in die Gemeinsamkeit der Demokraten".