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Südeuropäische Erfahrungen in Berlin

HAUSHALT Vor dem Hintergrund steigender Anleihezinsen beschließt das Parlament den Etat 2012. Opposition für Eurobonds

28.11.2011
2023-08-30T12:16:53.7200Z
3 Min

Der Bundeshaushalt 2012 steht. Am vergangenen Freitag stimmte der Bundestag dem von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) eingebrachten Zahlenwerk mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen zu. Geplant sind im kommenden Jahr Ausgaben von 306,2 Milliarden Euro (plus 400 Millionen). Die Nettokreditaufnahme (Neuverschuldung) soll 26,1 Milliarden Euro und damit rund vier Milliarden Euro mehr betragen als im laufenden Jahr.

Ob die Bundesregierung dieses Geld weiterhin zu Traumkonditionen von unter zwei Prozent bei den Banken und Versicherungen leihen kann, ist jedoch offen. Während die Haushaltsberatungen in Berlin liefen, kamen aus Frankfurt schlechte Nachrichten: Deutschland blieb zum ersten Mal auf einer Staatsanleihe zum Teil sitzen. Investoren boten nur 3,89 Milliarden Euro für eine Anleihe mit zehnjähriger Laufzeit von sechs Milliarden Euro. Schäuble machte damit südeuropäische Erfahrungen. Die auf Niedrigstniveau liegende Rendite von 1,98 Prozent ließ die Investoren zurückschrecken.

Kurse fallen

In der Folge brachen der Eurokurs und die Kurse selbst von Anleihen von Ländern in Kerneuropa wie Belgien und Frankreich ein. Fallende Kurse bedeuten bei Anleihen wie beim Prinzip der kommunizierenden Röhren steigende Zinsen. Steigen die Kurse nicht, würde das bedeuten, dass diese Länder und auch Deutschland bei neuen Anleihen erheblich mehr Zinsen bieten müssten als bisher, was die Haushalte belasten würde. Die Annahmen des Bundeshaushaltes, 2012 mit 36,77 Milliarden Euro Zinsausgaben auskommen zu kommen, könnte in Frage gestellt werden. Während die meisten Börsenanalysten das Absatzproblem der deutschen Anleihe als "Warnschuss" interpretierten, sah eine Minderheit den gesamten Anleihemarkt in Gefahr. Auch der mit hervorragenden Ratings versehene Euro-Rettungsschirm EFSF muss bereits höhere Zinsen zahlen als Schäuble.

Dass EU-Kommissionspräsident Barroso noch den in der Bundesregierung wenig beliebten Eurobonds (gemeinsamen europäischen Staatsanleihen) das Wort redete, verunsicherte Börsen und Politik weiter. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Mittwoch in der Debatte über den Etat des Bundeskanzleramtes, sie halte es für außerordentlich bedauerlich und unpassend, dass die EU-Kommission den Fokus gerade jetzt auf diese Eurobonds lege und der Eindruck entstehen könne, man werde durch eine Vergemeinschaftung der Schulden aus den Problemen herauskommen: "Genau das wird nicht klappen."

Auch Rainer Brüderle, der Vorsitzende der FDP-Fraktion, sagte: "Eurobonds ist Einheitszins. Das ist Zinssozialismus. Sozialismus ist immer falsch. Auch bei den Zinsen." CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder zeigte sich ebenfalls überzeugt, "dass wir diese Staatsschuldenkrise nur bewältigen können, wenn nicht ständig neue Schulden gemacht werden". Merkel lehnte in ihrer Rede auch eine andere Rolle für die Europäische Zentralbank (EZB) ab, die nach vielen in anderen Euroländern geäußerten Vorstellungen stärker zur Staatsfinanzierung beitragen soll. Die EZB sei verantwortlich für die Geldwertstabilität: "Das ist ihr Mandat, das übt sie aus. Und deshalb darf an dem Mandat nach meiner festen Überzeugung nichts, aber auch gar nichts geändert werden."Merkel räumte zugleich mit Blick auf den Rettungsschirm ein, dass nur eine "endliche Menge Geld" für Schutzwälle zur Verfügung stehe.

Zuvor hatte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel Merkel und der Koalition vorgeworfen, mit ihrer Politik gemeinsame europäische Staatsanleihen verhindern zu wollen, obwohl sie über die Anleihenaufkäufe durch die Europäische Zentralbank längst durch die Hintertür eingeführt worden seien. Das seien "Merkel-Bonds", kritisierte er und forderte Wachstumsprogramme. Gabriel warf der Bundesregierung außerdem vor, nicht genügend zu sparen, aber andere europäische Regierungen zur Sparpolitik zwingen zu wollen.

Linkspartei-Vorsitzender Klaus Ernst warf Merkel vor, jedes halbe Jahr zur Finanzkrise etwas anderes zu sagen. Heute sperre sie sich als einzige gegen Eurobonds. "Ich prophezeie Ihnen, diese Position werden Sie kein halbes Jahr durchhalten." Auch die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast, hielt Merkel vor, bei Rettungsschirm und Transaktionssteuer erst abgelehnt und dann zugestimmt zu haben. Heute lehne Merkel Eurobonds ab: "Ich bin sicher, sie werden kommen, oder wir haben es wirklich versemmelt" sagte die Grünen-Politikerin.