Piwik Webtracking Image

Von Äpfeln und Birnen

Haushalt 2012 Ausgaben steigen auf 306,2 Milliarden Euro - Streit um Neuverschuldung

28.11.2011
2023-08-30T12:16:53.7200Z
4 Min

Das wirtschaftliche Umfeld gibt Grund zu Sorge: Die europäische Finanzkrise schwelt weiter und droht auf die Realwirtschaft überzugreifen. Vor diesem Hintergrund verabschiedete der Bundestag am Freitag den Haushalt 2012 (17/6600) nach viertägiger Beratung auf Beschlussempfehlung des Haushaltausschusses (17/7123, 17/7124). In namentlicher Abstimmung votierten 307 Abgeordnete dafür, 253 Parlamentarier stimmten dagegen.

Der Bund soll danach im kommenden Jahr 306,2 Milliarden Euro ausgeben können. Damit erhöhte der Bundestag die Ausgaben gegenüber dem Regierungsentwurf um 200 Millionen Euro. In diesem Jahr sollen die Gesamtausgaben des Bundes 305,8 Milliarden Euro betragen. Die Steigerung beträgt somit 0,1 Prozent; die Inflationsrate wird im kommenden Jahr auf 1,9 Prozent prognostiziert.

Schuldenbremse eingehalten

Der Bundestag reduzierte die für 2012 von der Regierung geplante Neuverschuldung auf 26,1 Milliarden Euro. Im Entwurf waren noch 27,2 Milliarden Euro vorgesehen. Für dieses Jahr ist eine Neuverschuldung von 48 Milliarden Euro etatisiert; die tatsächliche Nettokreditaufnahme soll aber bei rund 22 Milliarden Euro liegen. Nach der Schuldenbremse ist 2012 eine maximal zulässige Nettokreditaufnahme von 40,49 Milliarden Euro möglich.

Für Investitionen stellte das Parlament im kommenden Jahr 26,86 Milliarden Euro bereit. Das sind 464 Millionen Euro mehr als im Regierungsentwurf (26,39 Milliarden Euro) vorgesehen. Die Einnahmen aus Steuern sollen 2012 insgesamt 249,19 Milliarden Euro betragen. Das sind 1,84 Milliarden Euro mehr als die Regierung eingeplant hatte. Die Höhe der eingeplanten Steuereinnahmen beruht auf der jüngsten Steuerschätzung.

Die haushaltspolitischen Sprecher der Koalition, Norbert Barthle (CDU/CSU) und Otto Fricke (FDP), erklärten in der Debatte, mit diesem Etatentwurf werde der eingeschlagene "wachstumsfreundliche Konsolidierungskurs" fortgesetzt - obwohl die Finanzkrise weiter bestehe und "dunkle Wolken am Konjunkturhimmel" (Barthle) aufziehen würden. Deutschland bleibe in Europa sowohl der Wachstumsmotor als auch der Stabilitätsanker. Barthle sagte weiter, dass die Koalition in den Haushaltsberatungen mehr Mittel unter anderem für Infrastruktur, für Bildung und Forschung und für den Städtebau bereitgestellt habe. Diese Mittel seien an anderer Stelle eingespart worden. Er nannte "Konsolidierung, Investitionen und steuerliche Entlastung" einen Dreiklang, der die Haushaltspolitik der Koalition präge. "Wir machen eine vorausschauende Haushaltspolitik", betonte Fricke. Deshalb sei die geplante Neuverschuldung von 26,1 Milliarden Euro auch nur ein Höchstwert, der - wie in den vergangenen Jahren - auch deutlich unterschritten werden könnte.

Demgegenüber kritisierten die Sprecher der drei Oppositionsfraktionen vor allem die geplante Neuverschuldung. Sie sei höher als die wahrscheinliche Nettokreditaufnahme in diesem Jahr. So werde gegen den Geist der Schuldenbremse, die ein jährliches Absinken der Neuverschuldung vorsehe, verstoßen. Für Carsten Schneider, den haushaltspolitischen Sprecher der SPD, ist der Etatansatz "voller Löcher" Es werde keine Vorsorge für mögliche Risiken etwa bei Zinsen getroffen. Außerdem spare die Koalition nicht. Mehreinnahmen durch die gute Konjunkturentwicklung würden gleich wieder ausgegeben statt sie zur Schuldentilgung zu verwenden. Nach der in diesem Jahr zu erwartenden Neuverschuldung von 22 Milliarden Euro solle im kommenden Jahr die Nettoneuverschuldung wieder auf 26,1 Milliarden Euro steigen. Die Bundesregierung fordere ganz Europa auf zu sparen, und in Deutschland würden die Defizite erhöht. "Damit haben Sie jegliche finanzpolitische Autorität in Europa verspielt", sagte er an den Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gewandt. Dieser entgegnete, man dürfe nicht den für dieses Jahr erwarteten Abschluss mit dem für das kommende Jahr geplanten Defizit vergleichen. "Das ist Äpfel mit Birnen vergleichen", sagte er.

Kürzungen kritisiert

Dietmar Bartsch, Haushaltsexperte der Linksfraktion, hielt den Etat für "ungerecht, unsozial und unsolide". Wichtige Zukunftsausgaben würden nicht angegangen. Es gebe eine massive Umverteilung von unten nach oben. Für die haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Priska Hinz, ist der Etat ein "Dokument des Scheiterns". Es fehle jeder Gestaltungswille. Auch sie kritisierte die Kürzungen im Sozialbereich. Die Verringerung der Neuverschuldung um 1,1 Milliarden Euro gegenüber dem Regierungsentwurf sei ausschließlich auf eine Verringerung der geschätzten Ausgaben für die Zinszahlungen zurückzuführen.

Bundesfinanzminister Schäuble betonte, dass die "Unruhe an den Finanzmärkten" auf die Realwirtschaft überzugehen drohe. "Wir setzen alles daran, um das zu verhindern." Der Euro müsse stabil bleiben. Deshalb sei es wichtig, dass auch in Zukunft die unabhängigen Zentralbanken nicht als Notenpressen zur Verfügung stehen würden. Der eingeschlagene Weg der wachstumsfreundlichen Defizitreduzierung, der sich im Etatentwurf widerspiegele, werde dazu beitragen, dass Deutschland die Wachstumslokomotive in Europa bleibe.

Mehrere Entschließungsanträge der Oppositionsfraktionen (SPD: 17/7860, Die Linke: 17/7861, Bündnis 90/Die Grünen: 17/7863) lehnte de Bundestag mit den Stimmen der Koalition ab.

Zur Kenntnis nahm der Bundestag die mittelfristige Finanzplanung des Bundes bis 2015 (17/6601, 17/7126). Sie sieht vor, dass die Ausgaben nur moderat steigen. Betrugen die Ausgaben 2010 noch 303,7 Milliarden Euro, so sollen sie im Jahr 2015 auf 315 Milliarden Euro steigen. Stark steigen sollen die Ausgaben für Rentenversicherungsleistungen, die 2010 noch bei 80,7 Milliarden Euro lagen und bis 2015 auf 85,5 Milliarden Euro erhöht werden sollen. Ansteigen werden auch die Zinsausgaben für die Staatsverschuldung. Sie lagen 2010 noch bei 33,15 Milliarden Euro und sollen bis 2015 auf rund 49,1 Milliarden Euro anwachsen- trotz der geplanten Reduzierung der Nettokreditaufnahme auf 14,7 Milliarden Euro im Jahr 2015.