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Teure Altlasten

UMWELT Regierung und Oppsition streiten über Suche nach einem atomaren Endlager

28.11.2011
2023-08-30T12:16:53.7200Z
4 Min

Eigentlich sind die neuesten Zahlen alarmierend: das arktische Meereis schmilzt schneller als bisher und bis Ende des Jahrhunderts wird ein Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter erwartet - mehr als doppelt soviel wie der Weltklimarat IPCC bislang prognostiziert hatte. "Es zeigt sich, dass die Realität die Modelle überholt", warnte der Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung kurz vor dem UN-Weltklimagipfel, der am heutigen Montag in Durban (Südafrika) beginnt. Und doch beherrschte nicht wie in den vergangenen Jahren der Klimawandel die politische Debatte, sondern die Energiewende - und damit auch die Frage eines atomaren Endlagers. Nachdem die Koalitionsregierung als Folge der Reaktorkatastrophe von Fukushima den Atomausstieg besiegelt hatte, brachte es der Umwelthaushalt 2012 erstmals auf den Punkt, wie die Energiewende finanziell umgesetzt werden soll.

Kleiner Haushalt

Der Haushalt des Umweltministeriums, in der Fachsprache Einzelplan 16 genannt, sei auf den ersten Blick "wirklich klein", gab Bernhard Schulte-Drüggelte, Berichterstatter der CDU/CSU Fraktion, zu. Mit 1,59 Milliarden Euro mache er nur 0,5 Prozent des Gesamthaushaltes aus. Insgesamt stünden für den Umweltbereich im Haushalt 2012 jedoch 7,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Dies entspreche einem Anteil von 22 Prozent, erklärte Schulte-Drüggelte in der Debatte am vergangenen Dienstag. Die Kürzung um 45,36 Millionen Euro beweise, dass die Regierung in Zeiten der Konsolidierung mit dem Geld der Steuerzahler "sorgfältig und verantwortungsbewusst umgehe", sagte er.

Der FDP-Politiker Stephan Thomae hob hervor, dass es sich beim Umweltbereich um eine "Querschnittsaufgabe" handele, in dem die Dimension des Ausstiegs aus der Kernenergie und des Umstiegs in erneuerbare Energien "deutlich sichtbar" werde.

Diesen Einstieg in ein neues Energiezeitalter konnte die Opposition nicht erkennen: "Mit diesem Haushalt vergrößern Sie nicht nur die fiskalische Verschuldung, sondern auch die ökologische Verschuldung", sagte Sven-Christian Kindler, der für die Fraktion Bündnis 90/die Grünen im Haushaltsausschuss sitzt. Als ein Beispiel nannte er die geplanten Ausgaben aus dem Energie- und Klimafonds. Die Erlöse des Fonds, der aus dem Emissionshandel finanziert wird, seien "massiv überbucht" kritisierte er. Vor ihm hatte bereits Matthias Miersch (SPD) angeprangert, dass dort - statt wie geplant 17 Euro pro Tonne CO2 - momentan nur 10 Euro pro Tonne CO2 erzielt würden. "Das ist keine verlässliche Politik", mahnte Miersch. Auch die Linke sieht in dem Haushalt keinen Richtungswechsel der Umweltpolitik: "Der Haushalt spiegelt nicht den vermeintlichen Erkenntnisgewinn der schwarz-gelben Regierung nach oder durch Fukushima wieder", betonte Dorothée Menzner von der Linksfraktion.

Ganz im Gegensatz zu Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), der die Energiewende als das "herausragende Thema dieser Legislaturperiode" bezeichnete. Neue Zeiten sieht er daher auch in der jahrelangen Streitfrage um ein Endlager für atomare Abfälle gekommen: "Wir haben jetzt in Deutschland den sichersten Ort zu suchen", sagte Röttgen, der am 11. November bei einer Sitzung mit Vertretern der Ländern in dieser Frage eine "weiße Landkarte", also eine offene Suche ohne Tabus, angekündigt hatte.

Röttgen betonte, dass die sicherst mögliche Entsorgung von radioaktivem Abfall weder ein lokales noch ein regionales, sondern ein Thema sei, "das in deutsche Verantwortung fällt, und zwar in die Verantwortung unserer Generation", betonte Röttgen. Der Opposition warf er vor, in der Vergangenheit versagt zu haben: "Sie haben dezidiert gesagt, wir suchen nicht nach einem Endlager" und fügte hinzu: "Sie haben sich weggeduckt, weil Ihnen die Aufgabe zu schwer war."

An der offenen Suche nach einem Endlager hat die Opposition allerdings große Zweifel - und machte das auch am Haushalt fest: "Solange sie weiterhin so viel Geld, nämlich 73 Millionen Euro in den Ausbau des Standorts Gorleben stecken, sind sie an einer Suche, die sich auf ganz Deutschland erstreckt gar nicht interessiert", argwöhnte Bärbel Höhn (Bündnis90/Die Grünen). Nach Meinung von Dorothée Menzner (Die Linke) seien 25 Millionen Euro zur bergtechnischen Sicherung von Gorleben ausreichend. Ansonsten habe auch der Untersuchungsausschuss gezeigt, dass "Gorleben ungeeignet" sei, erklärte die Umweltpolitikerin.

Alte Meiler

Die SPD erinnerte daran, dass neben den Ausgaben für die Endlagerung noch weitere immense Kosten für den Abriss der Atomkraftwerke auf die Haushalte zukommen werden. "Die ersten Rechnungen gehen davon aus, dass dieser Abriss 18 Milliarden Euro kostet", sagte Marco Bülow. Auch andere Lagerstätten, in denen momentan Atommüll lagere, wie die Asse oder Morsleben, würden weitere Kosten in Milliardenhöhe verursachen, warnte er. Das zeige, "dass das Märchen von der billigen Atomenergie, das sie jahrelang gesungen haben, eine große Lüge ist", erklärte der Umweltexperte. Für die FDP forderte Michael Kauch die Opposition auf, bei der Endlagersuche endlich einen Konsens zu finden - und lobte dabei sogar den politischen Gegner: Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg,Winfried Kretschmann, habe bei den Gesprächen über ein Endlager den richtigen Schritt gemacht, indem er erklärt habe, "dass das Ende von Gorleben keine Vorbedingung für Konsensgespräche ist."