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Syrien erreicht Innenpolitik

NAHOST Zwei Mal befasste sich der Bundestag mit der Lage in Syrien. Heftige Vorwürfe gegen Die Linke

23.01.2012
2023-09-19T12:08:41.7200Z
4 Min

Mit scharfen Worten haben Vertreter der Koalitionsfraktion die Haltung einiger Linken-Abgeordneten zum Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad kritisiert. In einer auf Verlangen von Union und FDP anberaumten Aktuellen Stunde im vergangenden Donnerstag warfen sie der Linksfraktion vor, sich mit dem despotischen Regime in Damaskus und nicht mit den seit Monaten protestierenden Syrern zu solidarisieren. Hintergrund der Debatte war ein Aufruf einer Initiative mit dem Titel "Kriegsvorbereitungen stoppen - Embargos beenden - Solidarität mit den Völkern Irans und Syriens", den einige Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion unterzeichnet hatten. In ihm wird der USA und der Nato der Vorwurf gemacht, einen Krieg "gegen die strategisch wichtigen beziehungsweise rohstoffreichen Länder Syrien und Iran" vorzubereiten. Die Linksfraktion gab die Kritik im Plenum vor allem an Union und FDP zurück und erinnerte an deren "lange Tradition der Kollaboration" mit arabischen Despoten.

»Makabren Aufruf«

Als erster Redner der Debatte warf Andreas Schockenhoff (CDU) den Unterzeichnern vor, nicht zur Kenntnis zu nehmen, dass es das syrische Volk selbst sei, das sich mit "übermenschlichem Mut" gegen ein "Mörderregime" stelle und dass es führende syrische Oppositionelle und andere arabische Staaten seien, die ein Eingreifen der internationalen Staatengemeinschaft forderten. Der beste Beweis, dass es dem Westen nicht um Rohstoffinteressen gehe, sei zudem, dass die Sanktionspolitik Ölausfuhren aus Syrien und dem Iran unterbinde wolle, um diese Regime zum einlenken zu bewegen - auch wenn das für einige Länder der EU schmerzhaft sei. Der Sozialdemokrat Günter Gloser nannte das Papier "einen makabren Aufruf" und ein "Zeugnis des blanken Zynismus gegenüber den Opfern" in Syrien. Zynisch sei der Aufruf auch gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft, die etwa im Rahmen der UN versuche, den blutigen Konflikt friedlich beizulegen. Nicht die USA und die Nato würden einen Angriff starten, es sei Syriens Präsident Assad gewesen, der bereits vor Monaten einen "Angriff auf die eigene Bevölkerung" gestartet habe, sagte Gloser.

Politisch blind

Die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion, Birgit Homburger, sah die gesamte Linksfraktion in der Verantwortung, weil sie sich nicht entschlossen vom Aufruf und den Unterzeichnern distanziere. Die Haltung der Fraktion in der Syrien-Frage nannte Homburger nicht nur "politisch blind und ignorant". Die Linke mache sich auch zum "Mittäter" des Assad-Regimes. Die Syrer seien offenbar fest entschlossen, Menschenrechte und Demokratie einzufordern". Und dabei haben sie unsere Unterstützung, sagte Homburger und verwies auf ein Treffen von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) im vergangenen Herbst mit dem Vorsitzenden des (oppositionellen) syrischen Nationalrates, Burhan Ghalioun.

Angesichts der massiven Kritik holte Ulrich Maurer als stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion zum Rundumschlag aus. Zwar sei es "nicht gut", dass der Aufruf die Gewalt des syrischen Regimes gegen die Bevölkerung nicht eindeutig verurteile. Dass nun aber die Koalitionsfraktionen ihn zum Thema einer Aktuellen Stunde machten, sei "Heuchelei". Seit Jahren stehe die Linke an der Seite der Opposition in Syrien, während Bundesregierung und Koalitionsfraktionen lange eher an der Seite Assads gestanden hätten, sagte Maurer. Noch im Jahre 2011 seien 166 Syrer unter Verantwortung der schwarz-gelben Bundesregierung aus Deutschland abgeschoben worden. Und im Juni 2011 hätten Union und FDP im Auswärtigen Ausschuss einen Antrag der Linken abgelehnt, den Export von Kriegswaffen nach Syrien zu stoppen. Jetzt kämen beide Fraktionen daher, "und blasen sich auf und verbreiten Lügen über meine Partei", kritisierte Maurer. Als "unangemessen" bezeichnete Volker Beck von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Titel und Gegenstand der Debatte, weil in ihr schwierige Fragen zu einer gewaltfreien Lösung und eine Verhinderung eines Bürgerkrieges in Syrien nicht konkret verhandelt werden könnten. Den Inhalt des Aufrufs nannte Beck "politisch reichlich unterkomplex". Seine Betonung des Prinzips der Nichteinmischung in innenpolitische Angelegenheiten anderer Länder erinnere an die 1980er Jahre. Dieses Prinzip sei mit dem OSZE-Prozess längst überwunden, sagte Beck.

Knallharte Interessenpolitik

In einer Beratung eines Grünen-Antrags zu Syrien (17/8132) am Freitag nannte Kerstin Müller (Grüne) die Untätigkeit des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen einen "politischen Skandal". Russland fahre eine "knallharte Interessenpolitik". Verantwortlich für die Blockade einer scharfen Resolution sei auch China. Man müsse die "Gräueltaten" des Assad-Regime klar verurteilen. Nach Ansicht der Grünen gibt keine Zukunft Syriens mit dem gegenwärtigen Machthaber Bashar al-Assad und dessen Regime. Deswegen müsse er zurücktreten und den Weg für demokratischen Reformen freimachen, schreibt die Fraktion in ihrem Antrag. Außerdem müsse Assad sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten. Ferner sei die syrischen Opposition unter anderem durch finanzielle Hilfe, Beratung und Reiseerleichterungen zu unterstützen.

Thomas Feist (CDU) nannte es wichtig, ein "Bekenntnis gegen das syrische Regime" auszusprechen. "Klare Signale" müsste der UN-Sicherheitsrat und Arabische Liga setzen. Russland und China nutzten ihre Veto-Macht. "Wir brauchen eine Resolution im Sicherheitsrat, die das Vorgehen der syrischen Führung klar und deutlich verurteilt", sagte der Abgeordnete.

In Syrien muss die Gewalt beendet werden, so das Fazit des SPD-Abgeordneten Rolf Mützenich. "Scham- und Hilflosigkeit" fühle man vor allem angesichts der Zurückhaltung des UN-Sicherheitsrates. Das Verhaltnis zur Arabischen Liga müsse unbedingt gestärkt werden. "Alle Sympathie" bekomme die syrische Opposition. Rainer Stinner (FDP) bekannte, er sei "froh und dankbar", dass die Türkei sich einmische. Derweil kündigte Wolfgang Gehrcke (Die Linke) an: Im zwei namentlichen Abstimmungen wolle seine Fraktion die Abschiebung von Flüchtlingen nach Syrien und Rüstungsexporte unterbinden.