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Zu oft verzettelt

internet-ENQUETE Trotz Übereinstimmungen beim Thema Medienkompetenz lässt der Zwischenbericht viele Fragen offen

23.01.2012
2023-08-30T12:17:23.7200Z
4 Min

Auf der einen Seite steht der mit großer Übereinstimmung verabschiedete Zwischenbericht der Projektgruppe Medienkompetenz (17/7286). Auf der anderen Seite stehen viele offene Fragen und das Hickhack um Geschäftsordnungsanträge und verschobene Abstimmungen. Das Zwischenfazit der Arbeit der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" fällt durchwachsen aus, wie sich während der Bundestagsdebatte zum Tätigkeitsbericht der Kommission (17/5625) am vergangenen Freitag zeigte.

Die am 4. Mai 2010 eingesetzte Enquete mit ihren 34 Mitgliedern - 17 Abgeordnete und 17 externe Sachverständige - soll bis zur parlamentarischen Sommerpause 2012 Ergebnisse und Handlungsempfehlungen vorlegen, die der Verbesserung der Rahmenbedingungen der Informationsgesellschaft in Deutschland dienen. Bisher jedoch verzettelte sie sich allzu oft in tagespolitischen Streitereien, wofür sich Opposition und Koalition während der Debatte gegenseitig verantwortlich machten.

Drängende Fragen

Die Politik tue sich schwer, die sozialen und gesellschaftlichen Umbrüche, die durch das Internet entstanden seien, zu gestalten, sagte der SPD-Abgeordnete Lars Klingbeil. "Der Deutsche Bundestag muss anfangen, diesen Wandel zu gestalten", forderte er. Die Enquete-Kommission sei als eine Art Denkfabrik und auch ein Experimentierfeld für neue Möglichkeiten der politischen Partizipation konzipiert gewesen. Nach zwei Jahren stelle er jedoch fest: "Diesem Anspruch ist die Kommission nicht gerecht geworden." Auf viele drängende Fragen seien noch keine Antworten gefunden worden, urteilte Klingbeil.

Die Abgeordnete Halina Wawzyniak (Die Linke) zeigte sich ebenfalls enttäuscht. "Ich habe zu Beginn die Hoffnung gehabt, dass jenseits parteipolitischer Zwänge diskutiert werden kann." Es sei leider nicht so gewesen, dass "das Argument zählt und nicht die Fraktionszugehörigkeit", sagte sie. Dies brachte Wawzyniak prompt den Vorwurf ihres Kollegen Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) ein, da "ein bisschen naiv" an die Sache herangegangen zu sein. Der Abgeordnete zog ein eher positives Fazit. Auch wenn nicht alles perfekt sei, "sind wir doch auf dem richtigen Weg", sagte von Notz. "Wer hätte denn zu Beginn der Arbeit der Enquete-Kommission gedacht, dass sich der Bundestag fraktionsübergreifend gegen Netzsperren, für mehr Open-Data, für verbessertes E-Goverment, für mehr Open-Source-Lösungen, für die Privatkopierregelung bei Downloads, für die Netzneutralität und die Weiterentwicklung des bestehenden Urheberrechts einsetzt", sagte der Parlamentarier. Er hoffe nun, dass die Bundesregierung diese Handlungsempfehlungen auch später umsetzt "und nicht tagespolitisch entscheidet".

Einen sogar sehr großen Erfolg der Enquete erkannte auch Halina Wawzyniak: "Es gibt nun eine Sensibilisierung der Politik für Netzpolitik." Dass es nicht zu mehr gereicht habe, habe damit zu tun, dass es sehr häufig um "Formalien und Klein-Klein" gegangen sei. Ärgerlich sei auch gewesen, dass die Abstimmungen über die Zwischenberichte der Projektgruppen Netzneutralität und Datenschutz durch die Koalition mehrfach verschoben wurden, "weil Mehrheiten unsicher waren".

Es habe in der Tat "politische Schützengräben gegeben, in denen sich abgeduckt wurde", räumte der Unionsabgeordnete Jens Koeppen ein. Für ihn sei jedoch entscheidend, dass "engagierte Debatten mit sehr viel Herzblut geführt wurden und ein Konsenswille erkennbar war". Bei der Arbeit der Kommission sei es ihm auch darum gegangen, den "gefühlten Klassenkampf zwischen digitaler und analoger Welt" zu beenden. Dabei müssten Überreglementierungen vermieden werden und das Prinzip der Selbstregulierung Vorrang haben. "Unser Leitbild ist der mündige Bürger. Wir setzen auf Wettbewerb", betonte der CDU-Mann.

"Gar nicht so schlimm", findet es Manuel Höferlin (FDP), dass nicht immer konsensuale Handlungsempfehlungen erreicht wurden. Schließlich sollte die Kommission nichts beschließen, sondern nur Empfehlungen geben. "Im Bundestag werden später die Schlussfolgerungen gezogen", sagte Höferlin. Wenn - wie im Bereich Datenschutz geschehen - keine der Handlungsempfehlungen eine Mehrheit gefunden hat, zeige das, dass es "zwei Wege zum gleichen Ziel gibt", mit denen sich der Bundestag befassen könne. Den Schwarzen Peter schob Höferlin der Opposition zu. Sie sei es gewesen, die "tagespolitische Dinge bewusst in die Diskussion getragen hat". Das wollte der SPD-Abgeordnete Gerold Reichenbach so nicht stehen lassen. Viele Themen seien nicht ausdiskutierbar gewesen, weil die Koalitionsmitglieder Rücksicht auf Konflikte in den eigenen Reihen hätten nehmen müssen. Durch Verschiebungswünsche, Sitzungsunterbrechungen und andere Tricks habe die Koalition versucht, Abstimmungen zu verhindern, kritisierte Reichenbach.

»Hort der Harmonie«

Viel Lob fand in der Debatte die Arbeit der Projektgruppe Medienkompetenz. Angesichts der Abläufe in anderen Projektgruppen sei dies offenbar ein "Hort der Harmonie gewesen", befand Tabea Rößner (Grüne). Der Vorsitzende der Projektgruppe Thomas Jarzombek (CDU) betonte, dass man einen guten Bericht vorgelegt habe, der auch "in der Szene gut angekommen ist". Ein wichtiger Punkt sei die gemeinsame Forderung, dass es künftig für jeden Schüler einen Laptop geben müsse. Die Ausstattung mit Laptops allein reiche nicht, ergänzte Aydan Özoguz (SPD): "Die Computer müssen auch sinnvoll im Unterricht integriert werden." Die Abgeordnete Petra Sitte von der Linskfraktion betonte, dass "Medienkompetenz für alle" nur dann erreichbar sei, wenn künftig eine internetfähige Hardware zum Existenzminimum gehört.