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Kurz notiert

26.03.2012
2023-08-30T12:17:28.7200Z
3 Min

Um den Titel "Wiege der Demokratie" streiten sich einige Länder: Die Griechen verweisen auf ihre antiken Glanzzeiten und die athenische Demokratie, die sich vor rund 2.500 Jahren zu entwickeln begann. Die Briten wiederum loben die Magna Charta von 1215 und die Bill of Rights von 1689 als grundlegende Verfassungsdokumente. Die Amerikaner blicken voll stolz auf ihre Unabhängigkeitserklärung von 1776 und die Franzosen rühmen ihre Revolution von 1789 als Meilensteine für die Entwicklung der modernen Demokratie. Mitgeschrieben haben sie alle an der Erfolgsgeschichte jener Verfassungsform, die in der westlichen Welt als das politische Maß aller Dinge gilt.

Doch betrachtet man es einmal genau, so muss man von Athen, London, Washington und Paris an das andere Ende der Welt reisen, um in die Heimat der ersten annähernd voll entwickelten Demokratien - wenn es so etwas überhaupt gibt - zu gelangen. Es waren Neuseeland und Australien, die in den Jahren 1893 und 1901 auf nationaler Ebene das Wahlrecht für Frauen einführten und damit jenen 50 Prozent der Bevölkerung in den demokratischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess einbanden, von dem sie bislang ausgeschlossen waren. In Europa rang man sich dazu erst nach dem Ersten Weltkriegs nach und nach durch. Es mutet merkwürdig an, dass der Berliner Historiker Paul Nolte diesem Ereignis nicht mehr Platz einräumt, als er es in seiner grundlegenden und lebendigen Darstellung der Demokratie in Geschichte und Gegenwart tut.

Noltes Buch ist deshalb so zu empfehlen, weil es nicht nur einen umfassenden Überblick über die Geschichte der Demokratie in 2.500 Jahren bietet, sondern weil es auch die aktuellen Probleme und Herausforderungen moderner Demokratien beleuchtet. Und er arbeitet überzeugend heraus, wo die Stärke der Demokratie liegt, die auch immer wieder für Enttäuschungen sorgt. Im Gegensatz zu allen anderen bekannten Verfassungsformen sei sie in der Lage, sich kritisch zu hinterfragen und weiter zu entwickeln. Nach der Demokratie könne es deshalb nur eines geben: die Demokratie.

Paul Nolte:

Was ist Demokratie? Geschichte und Gegenwart.

Verlag C.H. Beck, München 2012; 512 S., 17,95 €

Nein, so wirklich schlauer ist man nach der Lektüre nicht. Wer sich erhofft, das Phänomen "Piratenpartei" besser zu verstehen, der sollte sich trotzdem das Vergnügen gönnen, das schmale Taschenbuch zu lesen. Der Widerspruch zwischen diesen beiden Aussage liegt im Charakter einer Partei, die scheinbar aus dem Nichts entstand, plötzlich in aller Munde war, bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen im September vergangenen Jahres beachtliche 8,9 Prozent der Stimmen einsammelte und derzeit beste Aussichten hat, nicht nur den ein oder anderen weiteren Landtag, sondern auch den Bundestag zu entern.

Die Piraten entziehen sich bislang jeder Einordnung im klassischen Links-Rechts-Schema. Da hilft es auch nicht, Vergleiche mit dem Auftsieg der Grünen vor 30 Jahren zu bemühen. Auch wenn den Etablierten die Öko- und Pazifistenpartei anfangs ähnlich chaotisch organisiert erschien wie die Piraten von heute, so ließ sich doch benennen, für was die Grünen inhaltlich standen. Bei den Piraten ist das abgesehen von ihren Dauerthemen Transparenz und freier Zugang zu Wissen und Information im digitalen Zeitalter deutlich schwieriger.

Das Taschenbuch kommt so kunterbunt daher wie die Piraten selbst. Es bietet eine Mischung aus bereits erschienenen Artikeln prominter Journalisten wie Frank Schirrmacher oder Juli Zeh, Interviews und Eigenbeiträgen von Piraten wie Julia Schramm oder Andreas Baum. Die beiden letzten Kapitel über die namensgebenden echten Piraten auf den Weltmeeren und die Piratensender der 1960er Jahre lassen zumindest durchschimmern, warum sich eine Partei einen solchen Bürgerschreck-Namen verpasst.

Den Autoren gelingt es durchaus, ein Gefühl für die Piraten und ihre Ziele zu vermitteln. Abschließende Antworten können sie hingegen nicht geben. So wie die Piraten selbst. Das tut dem reinen Lesevergnügen aber keinen Abbruch. Interviews mit Politikern, bei denen man die Antwort meist im Voraus kennt, kann man täglich woanders lesen und hören.

Friederike Schilbach:

Die Piratenpartei. Alles klar zum Entern?

Bloomsbury Verlag, Berlin 2011; 217 S., 7,95 €