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"...hebt der Präsident die Sitzung sofort auf" Christsozialen

GESCHÄFTSORDNUNG Beschlussunfähigkeit heißt Ende der Beratung. Die Bundestagshistorie kennt eine Reihe solcher Fälle

18.06.2012
2023-08-30T12:17:33.7200Z
2 Min

Nur in relativ wenigen Fällen kommt es im Bundestag auf die absolute Mehrheit an, also auf mindestens einen Abgeordneten mehr als die Hälfte aller Mitglieder des Parlaments. Sie liegt derzeit bei 311 Volksvertretern und muss etwa für die Wahl des Bundestagspräsidenten und der Bundeskanzlerin aufgebracht werden oder für die Zurückweisung von Bundesratseinsprüchen - und bei Feststellung der Beschlussfähigkeit des Parlaments. Die nämlich ist nach Paragraf 45 der Geschäftsordnung des Bundestages dann gegeben, "wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist". Wird - wie am vergangenen Freitag bei der "Hammelsprung"-Abstimmung" (siehe Beitrag oben) - festgestellt, dass mehr als jedes zweite Parlamentsmitglied fehlt und der Bundestag somit beschlussunfähig ist, "hebt der Präsident die Sitzung sofort auf", wie es in der Geschäftsordnung weiter heißt und von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) auch praktiziert wurde.

In Paragraf 20 Absatz 5 der Geschäftsordnung heißt es zwar: "Ist eine Sitzung wegen Beschlussunfähigkeit aufgehoben worden, kann der Präsident für denselben Tag einmal eine weitere Sitzung mit derselben Tagesordnung einberufen", doch kam es dazu vergangene Woche nicht. Nach der Sitzung des Ältestenrates, der nach dem Eklat vom Freitag tagte, galt es auch als ausgeschlossen, dass es in dieser Woche noch zu einer Sondersitzung des Bundestages kommt, um so eine Verabschiedung des Betreuungsgeld-Gesetzes noch vor der parlamentarischen Sommerpause zu ermöglichen. Vielmehr soll das Gesetz nach Angaben einer Sprecherin der Unions-Fraktion nach der Sommerpause beschlossen werden.

Dass eine Bundestagssitzung wegen Beschlussunfähigkeit aufgehoben wird, kommt zwar nicht oft, aber doch gelegentlich vor. Am häufigsten, nämlich 15 Mal, war dies in der ersten Legislaturperiode von 1949 bis 1953 der Fall, und in der zweiten, bis 1957 dauernden Legislaturperiode kam es 13 Mal dazu. Nur in fünf der folgenden 15 Wahlperioden einschließlich der laufenden wurde gar keine Sitzungsaufhebung wegen Beschlussunfähigkeit verzeichnet, bei den restlichen weist die Parlamentshistorie zwischen einem und sechs solcher Vorkommnisse aus. Versuche, die Beschlussunfähigkeit des Parlaments durch Auszug aus dem Plenum herbeizuführen, belegt die Statistik übrigens nur in wenigen Fällen; am häufigsten kam es dazu wiederum in der ersten Wahlperiode mit vier solcher Versuche, von denen zwei erfolgreich waren.

Doch ob nun mit Absicht oder aus Versehen, die Folge der Beschlussunfähigkeit ist die selbe, nämlich eben Aufhebung der Sitzung. So stößt es nicht von ungefähr in Teilen der Koalition auf Bedenken, dass die Entscheidung über den Fiskalpakt in der kommenden Sitzungswoche, der letzten vor der Sommerpause, am Freitag um 17 Uhr als letzter Punkt auf der Tagesordnung steht: Nicht, dass 310 Abgeordnete verfrüht in die Ferien starten ... Helmut Stoltenberg