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Eine Wahl, die keine war

weissrussland Abgeordnete verurteilen Parlamentswahl als unfrei und unfair

01.10.2012
2023-08-30T12:17:37.7200Z
3 Min

Von einer Wahl-Farce ist die Rede, von Gewalt und Einschüchterung und von einem Parlament, in dem nicht ein Vertreter der Opposition vertreten ist: Abgeordnete aller Bundestagsfraktionen haben in der vergangenen Woche die Parlamentswahl in Weißrussland Ende September als unfrei und unfair verurteilt. In einer von den Koalitionsfraktionen Union und FDP auf die Tagesordnung geholten Aktuellen Stunde debattierten die Abgeordneten vor allem die Frage, wie mit dem Regime des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko künftig umzugehen sei: mit einer Verschärfung der Sanktionen oder mit einer stärkeren Öffnung gegenüber der weißrussischen Gesellschaft.

Der FDP-Abgeordnete Patrick Kurth machte deutlich, dass die Abstimmung allen Grundsätzen einer demokratischen Wahl widersprochen habe: "Es wurde gefälscht, was gefälscht werden kann." Erneut habe das Regime gezeigt, dass "Gewalt und Einschüchterung" seine Visitenkarten seien. Kurth kritisierte die Internationale Eishockey-Föderation, die die Entscheidung für Weißrussland als Austragungsort der Weltmeisterschaft 2014 nach wie vor nicht infrage stelle. Eine solche Sportveranstaltung wäre "eine unangebrachte internationale Aufwertung für den weißrussischen Präsidenten", betonte Kurth.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rolf Mützenich, forderte die Freilassung aller politischen Gefangenen in Weißrussland. Er schilderte das Schicksal des weißrussischen Sozialdemokraten Mikalaj Statkewitsch, der als Kandidat zur Präsidentschaftswahl 2010 angetreten war und heute unter unwürdigsten Bedingungen in Haft sei. Nötig sei im Falle Weißrusslands die Einbeziehung Moskaus, das maßgeblichen Einfluss auf das Regime in Minsk habe, sagte Mützenich. Der russischen Regierung müsse deutlich gemacht werden, "dass man, wenn man auf diejenigen setzt, die von der Geschichte längst überholt sind, schnell selbst überholt werden kann".

Stipendien

Der stellvertretende außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, Karl-Georg Wellmann, sprach von einer "europäischen Tragödie". Lukaschenkos Regime habe es verpasst, das Land zu reformieren und "in die europäische Moderne" zu führen. Stattdessen werde das Land als "Kommandowirtschaft sowjetischer Prägung" verwaltet. Wellmann zweifelte die Wirksamkeit der EU- Sanktionen gegen Minsk an. Das Regime nehme diese Sanktionen offenbar in Kauf - aus Gründen blanken Machterhalts. Wellmann schlug vor, mehr Mittel für Stipendien für weißrussische Studenten freizumachen.

Für eine weit stärkere Öffnung gegenüber der weißrussischen Gesellschaft als bisher plädierte Wolfgang Gehrcke, außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion. Dazu gehöre durchaus auch, Weißrussland als Austragungsort der Eishockey-WM zu akzeptieren: "Wenn an die Mumie Luft kommt, zerfällt die Mumie", sagte Gehrcke mit Blick auf das Lukaschenko-Regime. Nötig seien zudem Einreise-Erleichterungen: "Wer nach Deutschland kommen möchte, soll kommen, die Türen müssen offen stehen."

Viola von Cramon-Taubadel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen forderte die Abschaffung der Visumspflicht. Sie nannte das Visaprozedere "bürokratisch" und "demütigend" und obendrein für Weißrussen sehr teuer. "Laden wir sie ein, unsere demokratische Gesellschaft kennenzulernen", sagte Cramon-Taubadel. Die Sanktionen gegenüber dem Regime und seinen Vertretern müssten hingegen aufrechterhalten werden. "Wir können und wollen eine Diktatur mitten in Europa nicht dulden."

Die Abgeordnete kritisierte in diesem Zusammenhang Ausbildungshilfen des Bundesinnenministerium für die weißrussische "Prügelpolizei". Das Innenministerium brauche dringend mehr Kontrolle seiner außenpolitischen Aktivitäten, sagte Cramon-Taubadel.