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Streit um Rechtsschutz für Flüchtlinge

ASYL Koalition weist Grünen-Vorstoß für Gesetzesänderung zurück

22.10.2012
2023-08-30T12:17:39.7200Z
3 Min

Die Grünen-Fraktion ist im Bundestag mit einem Vorstoß für einen "wirksamen Rechtsschutz im Asylverfahren" gescheitert. Gegen die Stimmen der drei Oppositionsfraktionen lehnte das Parlament vergangene Woche einen entsprechenden Grünen-Antrag (17/8460) mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit ab.

In der Vorlage hatte die Grünen-Fraktion kritisiert, dass die deutsche Regelung, wonach die "aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln gegen eine Dublin-Überstellung ausgeschlossen ist", mit der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht vereinbar sei. Die Bundesregierung sollte daher nach dem Willen der Fraktion einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem der "Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes gegen Überstellungen im Rahmen der Dublin-II-Verordnung" aufgehoben und gegen derartige Überstellungen im deutschen Recht ein effektiver Rechtsschutz festgeschrieben wird.

In der Begründung verwiesen die Abgeordneten auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der zufolge "ein Schutzsuchender in jedem Fall vor einer Rückführung in einen anderen EU-Mitgliedsstaat die Möglichkeit einer effektiven rechtlichen Überprüfung mit aufschiebender Wirkung" haben müsse. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) habe "die vom EGMR vorgegebene Richtung bestätigt". Eine auch im deutschen Recht enthaltene "unwiderlegbare Vermutung", dass die Mitgliedstaaten die Grundrechte der Asylbewerber beachten, verwerfe der EuGH ausdrücklich.

"Menschunwürdige Zustände"

Für den Grünen-Parlamentarier Volker Beck ist es "eines Rechtsstaates unwürdig", dass "bei Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung Schutzsuchende im Asylverfahren nach deutschem Recht keinen Anspruch auf effektiven einstweiligen Rechtsschutz" haben. Demgegenüber verwies der CDU-Abgeordnete Helmut Brandt darauf, dass die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes zum "sicheren Drittstaat" 1996 vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich gebilligt worden seien. Auch der Europäische Gerichtshof habe 2011 festgestellt, "dass eine Prüfung der Rechtstexte, die das Gemeinsame Europäische Asylsystem bilden, die Annahme zulasse, dass alle an diesem System beteiligten Staaten die Grundrechte beachten", gab Brandt zu Protokoll.

Von einer Rücküberstellung abzusehen sei dem Europäischen Gerichtshof zufolge allerdings, wenn "ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe die Annahme nahelegen, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen", fügte Brandt hinzu. Er erinnerte zugleich daran, dass Rücküberstellungen nach Griechenland, wo "in den Flüchtlingslagern menschenunwürdige Zustände" herrschten, bis Januar 2013 vollständig ausgesetzt seien. Über eine mögliche Verlängerung dieser Aussetzung werde rechtzeitig entschieden. Für andere Mitgliedstaaten gebe es indes keine konkreten Anhaltspunkte für "systemische Mängel des Asylsystems, die zu einer generellen Aussetzung von Überstellungen veranlassen".

Für den FDP-Parlamentarier Hartfrid Wolff wird mit der Aussetzung der Überstellungen nach Griechenland die schwierige Situation berücksichtigt, die dort für Asylbewerber bestehe. Als Reaktion auf die Aussetzung habe das Bundesverfassungsgericht die Verfahren eingestellt, "die dort zur Geltendmachung einstweiligen Rechtsschutzes anhängig waren". Über die Notwendigkeit eines einstweiligen Rechtsschutzes sei also nicht entschieden worden.

"Notwendiger Schritt"

SPD und Die Linke stellten sich klar hinter den Grünen-Antrag. Um ein wirksames europäisches Asylsystem zu haben, müssten an vielen Stellen Änderungen vorgenommen werden, argumentierte der SPD-Abgeordnete Rüdiger Veit. Die "von den europäischen Gerichten eingeforderte Möglichkeit der Gewährung einstweiligen Schutzes gegen Rücküberstellungen in Erstaufnahmeländer" sei ein "notwendiger Schritt in diese Richtung".

Für Die Linke unterstrich ihre Parlamentarierin Ulla Jelpke, ernstliche Zweifel an der Funktionsfähigkeit des Asylsystems und den Aufnahmebedingungen des Staates, in den überstellt werden soll, müssten grundsätzlich überprüft werden können. "Die unerträglichen Zustände in Griechenland, aber zum Beispiel auch in Italien und Ungarn, führen das klar vor Augen", fügte sie hinzu.