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Dirk Niebel bekommt den Rotstift zu spüren

ENTWICKLUNG Die Koalitionsfraktionen kürzen beim Etat. Die Opposition sieht den Minister beschädigt und das Ziel in Gefahr, bis 2015 deutlich mehr Mittel in…

26.11.2012
2023-08-30T12:17:42.7200Z
3 Min

Noch im September hat der Minister von einem "Rekordhaushalt" gesprochen. Seit vergangener Woche ist klar: Erstmals muss Dirk Niebel (FDP) Kürzungen für sein Haus hinnehmen. Der Bundestag verabschiedete den Etat des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2013 in der Haushaltsausschuss beschlossenen Fassung (17/10823, 17/10824) mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen. Das Ministerium muss demnach mit knapp 87 Millionen Euro weniger als im Haushaltsjahr 2012 auskommen. Niebels Etat umfasst damit 2013 rund 6,3 Milliarden Euro.

Nerv getroffen

Für die Opposition ein willkommener Anlass zur heftigen Kritik: Sascha Raabe (SPD) meinte, der Minister lasse sich von FDP-Haushälter Jürgen Koppelin, "am Nasenring durch die Manege ziehen". Allerdings taten sich auch Abgeordnete aus den Reihen der Koalition mit der Kürzung schwer. Fünf Abgeordnete enthielten sich in der namentlichen Abstimmung über einen Änderungsantrag der Grünen (17/11532), wonach sich der Bundestag zur internationalen Zusage Deutschlands bekennen sollte, bis 2015 0,7 Prozent seines Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen. 251 Abgeordnete votierten dafür, 305 dagegen. Der Antrag treffe auch den Nerv der Unionsabgeordneten, "die als Fachpolitiker vom Beschluss im Haushaltsausschuss überrascht wurden", räumte Johannes Selle (CDU) ein. Er sagte jedoch auch: "Wir Entwicklungspolitiker wünschen uns mehr, aber wir stehen in der Verpflichtung, den Haushalt zu konsolidieren."

Bärbel Kofler (SPD) sprach von einem "fatalen Signal", weil Deutschland nicht bereit sei, internationalen Verpflichtung nachzukommen. Dem Minister warf Kofler vor, sich hinter den Haushältern zu verstecken, wenn er nun behaupte, dass das 0,7-Prozent-Ziel nicht mehr zu halten sei. Tatsächlich hätte sein Etat seit Amtsantritt 2009 jährlich um eine Milliarde Euro steigen müssen. Es wäre schön gewesen, wenn der Minister den "Drive" von 372 Abgeordneten genutzt hätte, die sich fraktionsübergreifend für eine Erhöhung des Etats einsetzen, sagte Kofler.

Zweitgrößter Geber

Jürgen Koppelin (FDP) betonte, dass Deutschland der weltweit zweitgrößte Geber der Entwicklungszusammenarbeit sei. Der Haushalt des einst SPD-geführten Ministeriums habe "null Richtung" gehabt und sei ein "Sammelkorb" gewesen. Es sei nicht zuletzt das Verdienst Niebels, hier eine Linie hineingebracht zu haben. "Dieser Haushalt kann sich sehen lassen", auch wenn der Minister "jetzt vielleicht nicht zufrieden ist", sagte Koppelin. Für die Senkung der Neuverschuldung "hat jeder seinen Beitrag zu leisten."

Dietmar Bartsch (Die Linke) sprach von einem "friendly fire" , das den Minister schwer beschädigt habe. Leidtragende seien die Ärmsten in der Welt. Bartsch kritisierte zudem, dass die Entwicklungszusammenarbeit auf zu viele Ministerien verteilt sei und als "zweites Standbein der Wirtschaftspolitik" und Außenwirtschaftsförderung verstanden würde. Entwicklungszusammenarbeit heiße aber nicht, zuerst darauf zu sehen, "welche positiven Rückwirkungen sie auf die deutsche Wirtschaft hat", sagte Bartsch.

Volkmar Klein (CDU) bezeichnete die Absenkung als "nicht schön" - allerdings gebe es sie vor allem "auf dem Papier". Der Europäische Entwicklungsfonds fordere von Deutschland im kommenden Jahr 144 Millionen Euro weniger als geplant. 20 Millionen Euro des wegfallenden Geldes seien zusätzlich auf andere Titel im BMZ-Haushalt verteilt worden, betonte Klein.

Zudem würden 80 Millionen Euro der entwicklungsorientierten Not- und Übergangshilfen aus dem BMZ an das Auswärtige Amt übergehen, im Gesamtetat ergebe sich also keine Kürzung der Entwicklungsmittel.

Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen) warf ihrem Vorredner daraufhin "schlechte Buchungstricks" und "Vernebelungstaktik" vor. Ihre Fraktion habe einen "Aufholplan" vorgelegt, der unter anderem 900 Millionen Euro zusätzlich für das BMZ vorsehe und mit dem das 0,7-Prozentziel zu erreichen sei, "zwar nicht bis 2015, aber 2017".

Keine Mehrheit fanden weitere Änderungsanträge der Fraktion von SPD (17/11528, 17/11529, 17/11530) und Die Linke (17/11531). Die SPD wollte unter anderem eine Milliarde Euro in die Hand nehmen, um dem 0,7-Ziel näherzukommen. Die Linke hatte mehr Geld für den Europäischen Zivilen Friedensdienst und für den Europäischen Entwicklungsfonds gefordert.