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Kurz notiert

18.02.2013
2023-08-30T12:23:53.7200Z
6 Min

Entscheidungslösung gegen Widerspruchslösung

Nach § 3 des Transplantationsgesetzes (TPG) ist die Entnahme von Organen grundsätzlich nur dann zulässig, wenn der Organspender zu Lebzeiten darin eingewilligt hatte. Liegt keine Erklärung vor, ist die Entnahme nur gestattet, wenn die nächsten Angehörigen dieser zugestimmt hat. Diese sogenannte erweiterte Zustimmungslösung steht im Gegensatz zur Widerspruchslösung. Bei dieser ist die Entnahme nach dem Tod zulässig, sofern nicht ein Widerspruch zur Lebzeit des Verstorbenen oder eines Angehörigen vorliegt. Seit der am 1. August 2012 in Kraft getretenen Reform des TPG gilt für die Organspende in Deutschland die sogenannte Entscheidungslösung, die die erweiterte Zustimmungslösung ergänzt. Gemäß dem neuen § 1 TPG soll sich jeder Bürger regelmäßig im Leben mit der Frage der eigenen Spendebereitschaft auseinandersetzen. Er wird aufgefordert, hierzu eine Erklärung abzugeben. Die zuständigen staatlichen Stellen sowie die Krankenkassen sollen die Bevölkerung aufklären und Organspendeausweise zur Verfügung stellen (§ 2).

Hirntod als umstrittenes Kriterium

Die Voraussetzung für eine postmortale Entnahme von Organen ist nach § 3 TPG der irreversible Gesamthirntod. Dies bedeutet, dass nach Regeln, die dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen, der nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm festgestellt sein muss. Das Hirntodkriterium ist jedoch nicht unumstritten. Für Kritiker des Konzeptes ist ein irreversibel hirngeschädigter Mensch so lange, wie sein Herz-Kreislauf-System noch arbeitet oder künstlich am Laufen gehalten wird, ein sterbender Patient und kein Verstorbener. Demgegenüber vertreten die Befürworter des Konzepts, die sich in der Fachwelt in der Mehrheit befinden, die Ansicht, dass mit dem Hirntod das bewusste Leben des Menschen irreversibel erloschen sei. Bei der Organkonservierung mit anschließender Organentnahme finde keine Lebensverkürzung statt. Teile des Organismus funktionierten nur deshalb weiter, weil sie mit Hilfe ärztlich-technischer Kunstgriffe am Leben erhalten würden.

Organentnahme und Transplantation

Gemäß § 9a TPG gilt jedes Krankenhaus, das über eine Intensivstation verfügt und in dem eine Organentnahme grundsätzlich möglich ist, als Entnahmekrankenhaus. Dieses Krankenhaus ist verpflichtet, den Hirntod potenzieller Organspender vorschriftsgemäß festzustellen, der zuständigen Koordinierungsstelle zu melden sowie die für eine qualitätsgerechte Entnahme erforderlichen Mittel bereitzustellen. Ferner hat das Krankenhaus nach § 9b TPG einen Transplantationsbeauftragten zu benennen. Er ist unter anderem verantwortlich für die Betreuung der Angehörigen verstorbener Spender und für die Organisation des Spendeprozesses im Krankenhaus. Die Übertragung von Organen ist nach § 9 und § 10 TPG hingegen den sogenannten Transplantationszentren vorbehalten. Ein Patient, der ein Spenderorgan benötigt, muss sich zunächst bei einem Transplantationszentrum vorstellen. Dort wird festgestellt, ob er für eine Transplantation in Frage kommt. Ausschlaggebend hierfür sind der gesundheitliche Zustand des Patienten sowie die Erfolgsaussichten des Eingriffs.

Organisation des Spendeprozesses

Zur Organisation von Organspende und Transplantation beauftragen der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Bundesärztekammer und die Verbände der Krankenhausträger (Selbstverwaltung) eine Koordinierungsstelle. Diese Funktion hat seit Juni 2000 die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) inne. Ihre Aufgaben sind in einem Vertrag mit der Selbstverwaltung festgelegt. Die Koordinierungsstelle hat die Durchführung aller bis zur Übertragung erforderlichen Maßnahmen mit Ausnahme der Vermittlung von Organen zu organisieren. Die Krankenhäuser melden der DSO, sobald ein Verstorbener für eine Organspende in Betracht kommt. Zur Vermittlung von Organen beauftragt die Selbstverwaltung eine Vermittlungsstelle (§ 12 TPG). Als solche fungiert die private niederländische Stiftung Eurotransplant. Sie organisiert die Zuteilung von Spenderorganen in sieben europäischen Ländern. Die vermittlungspflichtigen Organe sind von der Vermittlungsstelle gemäß dem Stand der medizinischen Wissenschaft nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit für geeignete Patienten zu vermitteln. Die Wartelisten der Transplantationszentren bilden eine einheitliche Warteliste.

Anthroposophische Mediziner

In der anthroposophischen Medizin wird die postmortale Organspende sehr kritisch bewertet beziehungsweise abgelehnt. Vor allem das Konzept der Hirntoddiagnose steht in der Kritik. Hirntote Menschen werden als "schwerstkrank Sterbende" angesehen, die erst durch die Organentnahme getötet werden. Die Lebendspende von Organen hingegen wird befürwortet. Weitere Informationen auf der Homepage des Dachverbands Antroposphischer Medizin in Deutschland (www.damid.de).

Initiative "Christdemokraten für das Leben"

Auf Ablehnung stößt das Hirntodkonzept auch bei der Initiative "Christdemokraten für das Leben" (CDL) in den beiden Unionsparteien CDU und CSU. Die CDL bemängelt vor allem, dass im Zuge der neuen Gesetzgebung zur Entscheidungslösung durch die Krankenkassen keine ausreichende Aufklärung über die postmortale Organspende betrieben wird. Auch auf den Organspendeausweisen selbst, seien keine ausreichenden Informationen zu finden. Die CDL spricht sich zwar nicht prinzipiell gegen die postmortale Organspende aus. Sie rät aber davon ab, ohne vorherige ausführliche Beratung im Spenderausweis einer generellen Einwilligung zur Organentnahme im Todesfall zuzustimmen. Auf ihrer Homepage (www.cdl-online.de) bietet sie deshalb eine sogenannte "LifeCard" an, mit der einer Organ- und Gewebeentnahme ausdrücklich widersprochen werden kann.

Kritische Aufklärung über Organtransplantation (KOA)

Die Inititiative Kritische Aufklärung über Organtransplantation (KAO) ist ein Verein von Eltern, die laut eigenem Bekunden "im Schock ein Kind zur Organspende freigegeben haben" und erst im Nachhinein zu der Erkenntnis gelangten, dass ihre Kinder "zwar als hirntot definiert wurden, dass sie aber keine Toten, sondern Sterbende waren". Zweck des Vereins ist es unter anderem, sich "für ein behütetes Sterben und die Achtung der Menschenwürde von Sterbenden einzutreten und über die medizinischen und ethischen Probleme des sogenannten Hirntodes aufzuklären". Die KOA fordert vom Gesetzgeber die Einführung der sogenannten "engen Zustimmungslösung", das heißt, dass eine Organspende nur im Fall der ausdrücklichen Zustimmung des potenziellen Spenders erlaubt sein soll. Im Internet: www.initiative-kao.de

Interessengemeinschaft kritische Bioethik

Die Interessengemeinschaft kritische Bioethik wendet sich ebenfalls gegen das Hirntod-Konzept bei der Organspende. Sie kritisiert die aus ihrer Sicht einseitige Informationspolitik der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die "mit oft fragwürdigen Methoden für die Bereitschaft in der Bevölkerung zur Zustimmung einer Organentnahme nach dem sogenannten ,Hirntod'" werbe. Auf ihrer Homepage (www.organspende-aufklaerung.de) bietet sie einen sogenannten "Nicht-Organspenderausweis" an, mit dem jeder Entnahme von Organen, Gewebe oder Knochen widersprochen werden kann.

Niere, Leber und Herz werden am häufigsten eingesetzt

Seit der ersten Nierenübertragung vor 50 Jahren im damaligen Berliner Klinikum Charlottenburg sind in Deutschland mehr als 100.000 Organe transplantiert worden.

Den Hauptanteil macht dabei die Übertragung von Nieren aus: 2011 wurden nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) 2.055 Nieren nach postmortaler Organspende und 795 nach einer Lebendspende transplantiert. Demgegenüber standen im gleichen Zeitraum jedoch knapp 8.000 Nieren-Patienten auf der aktiven Warteliste.

Den zweitgrößten Anteil macht die Transplantation der Leber aus: mehr als Tausend Patienten erhalten dadurch pro Jahr die Chance auf ein längeres Leben. Rund 1.800 Patienten wurden für eine Lebertransplantation neuangemeldet. Und auch bei der Transplantation des menschlichen Herzens liegt das Verhältnis zwischen Neuanmeldungen und Operierten etwa bei 2:1. So wurden laut DSO im Jahr 2011 in Deutschland 366 Herztransplantationen in 22 Kliniken durchgeführt, 695 Patienten wurden im gleichen Zeitraum zur Transplantation angemeldet.

Versorgung in 47 Transplantationszentren

Einige der 47 von der Deutschen Stiftung Organspende gelisteten Transplantationszentren in Deutschland bieten das ganze Spektrum: So werden zum Beispiel in den Universitätskliniken in Kiel, Münster, Köln, Jena und Frankfurt am Main Transplantationen von Niere, Leber, Herz aber auch von Lunge, Pankreas und Dünndarm vorgenommen. Andere Einrichtungen konzentrieren sich auf die Übertragung von Herz und Lunge - wie zum Beispiel das Deutsche Herzzentrum Berlin, die Herzzentren in Dresden und Leipzig und die Kerkhoff Klinik in Bad Nauheim. Zu den größten Zentren gehören die Berliner Charité und Medizinische Hochschule Hannover.

Sinkende Spendebereitschaft nach Skandalen

Die Zahl der Spender lag laut DSO im Jahre 2011 bei 14,7 pro eine Million Einwohner, wobei die Zahlen zwischen den Bundesländern teils erheblich auseinandergehen: Am höchsten fiel die Zahl im Stadtstaat Bremen mit 32 Spendern pro eine Million Einwohner aus, gefolgt von Thüringen (24), Mecklenburg-Vorpommern (21). Die wenigsten gab es in Baden-Württemberg mit elf Organspendern pro eine Million Einwohner. Nach Bekanntwerden der Manipulationen an einigen Transplantationszentren im Jahre 2012 ging die Zahl der Organspenden auf 12,8 Spender zurück. Die Zahl der Organspenden ist damit laut DSO auf den niedrigsten Stand seit 2002 gesunken.

Spanien und Kroatien

liegen vorn

Deutschland liegt im Rahmen von "Eurotransplant" eher hinten: In Kroatien gab es 2011 rund 34 Organspender pro eine Million Einwohner, gefolgt von Belgien mit 29 und Österreich mit 23. Noch größer wird die Schere mit einem Blick auf die Länder der gesamten EU: Hier führte laut EU-Kommission 2011 Spanien mit 35 Organspendern pro eine Million Einwohner. Das Schlusslicht bildet Bulgarien mit statistisch gesehen weniger als einem Spender. ahe z