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Kraftprobe in Krisenzeiten

EU Das Europaparlament lehnt den EU-Finanzrahmen bis 2020 ab. Das Volumen ist allerdings unstrittig

18.03.2013
2023-08-30T12:23:55.7200Z
4 Min

Das Europäische Parlament hat die EU-Finanzplanung für die Jahre 2014 bis 2020 abgelehnt und den EU-Mitgliedsstaaten klar signalisiert, dass es seine neu gewonnenen Kompetenzen in Sachen Haushalt ernst nimmt. Vergangene Woche stimmten die Europa-Abgeordneten in Straßburg mit großer Mehrheit gegen den Haushalts-Kompromiss, den die 27 Staats- und Regierungschefs Anfang Februar nach zähem Ringen erreicht hatten. Allerdings wollen die Abgeordneten die Finanzplanung nicht komplett aufschnüren. Das geplante Volumen von 960 Milliarden Euro stellten sie nicht in Frage. Ursprünglich hatten die Parlamentarier - wie auch die EU-Kommission - für eine deutliche Aufstockung des EU-Haushaltes plädiert. Der erzielte Kompromiss sieht dagegen vor, dass der EU-Haushalt erstmals real schrumpft.

Nachbesserungen

Mit ihrem negativen Votum wollen die Europa-Abgeordneten Nachbesserungen erzwingen. "Wir sind bereit, nun über einen verbesserten mehrjährigen Finanzrahmen zu verhandeln", sagte Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) nach der Abstimmung. Weil das Europäische Parlament dank des Vertrags von Lissabon zum ersten Mal bei der mittelfristigen Finanzplanung mitentscheiden darf, war abzusehen, dass die Abgeordneten das Zahlenwerk nicht einfach abnicken würden. Bereits im Vorfeld hatten zahlreiche Volksvertreter zu verstehen gegeben, dass sie entschlossen sind, Einfluss auf das Endergebnis auszuüben. Gleichzeitig ging es den Parlamentariern nicht darum, Fundamentalopposition zu betreiben. "Das Europaparlament hat gezeigt, dass es als Verhandlungspartner ernst genommen werden muss", sagte Parlamentspräsident Schulz. "Das ist sicher ein guter Tag für die europäische Demokratie."

Die EU-Kommission hat die Mitgliedsstaaten im Rat und das Europäische Parlament nun aufgefordert, die Verhandlungen "zügig" aufzunehmen. Erste informelle Verhandlungen zwischen einer Gruppe von Abgeordneten und der irischen Ratspräsidentschaft sollen noch vor Ostern stattfinden. Im Idealfall werden die Abgeordneten im Juni oder Juli über eine nachgebesserte Haushaltsplanung abstimmen, so dass der Finanzrahmen pünktlich zum Jahresbeginn 2014 in Kraft treten könnte.

In der verabschiedeten Entschließung fordern die Europa-Abgeordneten einen "zeitgemäßen, auf die Zukunft ausgerichteten, flexiblen und transparenten Haushalt". Der FDP- Europa-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff betonte, es gehe "nicht um mehr Geld für die EU, sondern darum, dass das Geld der Steuerzahler sinnvoller ausgegeben wird." Die Mitgliedsstaaten hatten beim Gipfel im Februar vor allem die in die Zukunft gewandten Investitionen zusammengestrichen, weil es keinen Konsens gab, etwa die Ausgaben für Landwirtschaft stärker zu beschneiden. Dass die Mitgliedsstaaten bei den Verhandlungen rein auf die nationale Nettoposition geachtet und das Potenzial grenzüberschreitender Politikinitiativen vernachlässigt haben, stieß im Europäischen Parlament auf heftige Kritik. "27 nationale Egoismen schaffen keinen europäischen Mehrwert, Wachstumsimpulse und Wettbewerbsfähigkeit in Europa", monierte Jutta Haug (SPD), stellvertretende Vorsitzende des Haushaltsausschusses. Der Vorsitzende der Fraktion der Konservativen im Europäischen Parlament, der Franzose Joseph Daul, betonte, dass es dem Parlament ausdrücklich darum geht, in den bevorstehenden Verhandlungen "das europäische Interesse" zu verteidigen.

Konkret streben die Europa-Abgeordneten an, dass die Haushaltsmittel künftig flexibler genutzt werden können. Werden Beträge nicht genutzt, so sollen sie nicht wie bisher wieder an die EU-Mitgliedsstaaten zurückfließen, sondern auf die folgenden Jahre übertragen werden. Außerdem wollen die EU-Parlamentarier die mittelfristige Haushaltsplanung nach der Europawahl 2014 grundlegend überarbeiten. Bei beiden Punkten haben die Staats- und Regierungschefs Kompromissbereitschaft signalisiert.

Die Europa-Abgeordneten hoffen vor allem, dass es auf der Einnahmeseite zu Änderungen kommt. Rabatte würden sie gerne komplett abschaffen. Beim Kompromiss vom Februar war die Zahl der Sonderregelungen von aktuell 38 auf künftig 50 erhöht worden. "Ohne Rechtsgrundlage ist die Zustimmung hinter verschlossenen Türen erkauft worden", kritisiert Haug. "Das geht nicht und gehört dringend auf den demokratischen Prüfstand." Ohnehin setzt sich das Europäische Parlament dafür ein, dass alle EU-Ausgaben tatsächlich auch über den EU-Haushalt finanziert werden sollen, weil nur auf diesem Wege gesichert sei, dass die Ausgaben demokratisch kontrolliert werden.

Um besonders starken Druck auf die Mitgliedsstaaten auszuüben, wollen die Europaabgeordneten die Verhandlungen nicht aufnehmen, ehe die unbezahlten Rechnungen aus dem vergangenen Jahr beglichen worden sind. Ende 2012 beliefen sich die ausstehenden Beträge auf 217,3 Milliarden Euro. In diesem Jahr könnte dieser Rekordwert noch übertroffen werden, wenn die EU-Mitgliedsstaaten keinem Nachtragshaushalt zustimmen. Sollten die Rechnungen mit den für dieses Jahr vorgesehenen Mitteln beglichen werden, dann würde die EU Schulden vor sich herschieben. "Artikel 310 des Vertrags verbietet ein Europäisches Haushaltsdefizit", sagt Daul. "Das Parlament kann daher nicht akzeptieren, dass wir uns seit 2013 in einer Defizitsituation befinden."

Spardruck

Forderungen nach einem Nachtragshaushalt haben die EU-Mitgliedsstaaten bisher abgelehnt und dies mit dem nationalen Sparzwang abgelehnt. "Es ist absurd, dass sich die Kommission künftig verschulden soll, während die Mitgliedsstaaten sich immer strengere Regeln zum Schuldenabbau geben", urteilt Alexander Graf Lambsdorff.

Wenn Länder auf den nationalen Spardruck verweisen, empfinden das viele im Europäischen Parlament ohnehin als verlogen. "94 Prozent der Ausgaben fließen in die Mitgliedsstaaten zurück oder gehen in die gemeinsame Außenpolitik", sagt Helga Trüpel, haushaltspolitische Sprecherin der Grünen im Europäischen Parlament. Das EU-Budget komme allen voran den Mitgliedsstaaten zugute und nicht den EU-Institutionen.