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Sandra Ketterer
Kurz notiert

Sarah Fingarow wollte am Anfang vor allem anders sein als jene, die an der Macht waren. "Damals war das nur so ein Rebellieren gegen das, was mich stört." Zum Beispiel der Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Oder Rechtsradikale in ihrem Kiez. In der neunten Klasse absolvierte sie ein Schulpraktikum bei einem Buchhändler. "Der wurde von Nazis angeschossen", erzählt die 26-Jährige. Im Haus habe Gregor Gysi sein Büro gehabt, der Händler selbst sei linksorientiert gewesen. 2001 tritt sie der Jugendorganisation Solid der Partei Die Linke bei, 2006 wird sie Parteimitglied. Sie folgt damit ihrem Vater, der ebenfalls Mitglied war. Heute sitzt sie in der Bezirksverordnetenversammlung in Berlin-Marzahn-Hellersdorf. Rund 20 Stunden die Woche engagiert sie sich für die Partei. "Inzwischen ist meine Motivation, etwas verändern zu wollen", sagt Fingarow.

Einmal im Monat kommt die Versammlung zusammen. Die Lehramtsstudentin - Arbeitslehre und Sozialkunde - ist Sprecherin für Bildung und Gleichstellung ihrer Fraktion. Sie engagiert sich daher auch in den Ausschüssen für Schule und Sport sowie Gleichstellung und Menschen mit Behinderung. "Auch die tagen jeweils einmal im Monat. Meist sind es Abendtermine, weil ja alle ehrenamtlich arbeiten." Die Linke ist mit 19 Sitzen die stärkste Fraktion, sieht sich aber einer Zählgemeinschaft aus CDU, SPD und Grünen gegenüber. So hat Fingarow sich kürzlich mit ihren Kollegen geschlagen geben müssen, als ihre Gegner im Parlament partout nicht mehr einen Antrag zum Equal Pay Day auf die Tagesordnung nehmen wollten. Ja, sagt sie, die langen Sitzungen könnten schon ermüden. "Was mich immer wahnsinnig auf die Palme bringt: Wenn ich in einer Versammlung sitze und die Leute etwas tausendmal wiederholen. Nach dem Motto ,Jeder hat es schon gesagt, nur ich nicht'", sagt Fingarow. Sie hofft aber weiterhin, etwas verändern zu können. "Wenn man Leuten direkt helfen kann" - das treibe sie an. "Das ist das Schöne an Kommunalpolitik, da geht es um die ganz kleinen Dinge." Ihr Traum: "Dass der Bezirk dieses schlechte Image los wird. Dass die Menschen in diesem Bezirk glücklich sind."

Seit drei Jahren ist Fingarow außerdem im Vorstand ihres Bezirksverbandes. Dort organisiert sie unter anderem einmal im Monat ein Frauentreffen. Weiter engagieren will sie sich auf jeden Fall. Auch in der Bundespolitik? "Ich würde es nicht ausschließen, strebe es aber nicht an", sagt sie. Ihr langfristiges Ziel: Ein besseres Bildungssystem. "Ich schließe es auch nicht aus, Bildungswissenschaften zu studieren und später Lehrpläne zu schreiben." Letztlich komme es für sie darauf an, wo sie größere Chancen hat, etwas zu verändern.

Aus Politik und Zeitgeschichte

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