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"Das Risiko ist zu hoch"

BARTHOLOMÄUS KALB Zyperns Zahlungsunfähigkeit wäre eine Gefahr für die gesamte Eurozone, meint der CSU-Haushaltsexperte

22.04.2013
2023-08-30T12:23:58.7200Z
5 Min

Herr Kalb, Sie haben in der Debatte zu den Zypern-Hilfen vergangene Woche die Frage der Systemrelevanz angesprochen: Warum ist das vergleichsweise kleine Zypern für die Eurozone systemrelevant?

Man würde möglicherweise nicht von einer Systemrelevanz sprechen, wenn auf den Finanzmärkten keine Unruhe herrschen würde und wenn wir nicht andere europäische Programmländer hätten, die mit Hilfskrediten gestützt werden müssen. Aber in der aktuellen Situation muss man davon ausgehen, dass die Verweigerung von Hilfe einen Dominoeffekt in der gesamten Eurozone auslösen kann. Dieses Risiko ist zu hoch.

Zypern benötigt nach eigenen Angaben mehr als 20 Milliarden Euro, um eine Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Das ist mehr als ursprünglich gedacht. Eurogruppe und Internationaler Währungsfonds bleiben bei den geplanten Hilfszusagen im Umfang von zehn Milliarden Euro. Wie kann das Land die Finanzlücke aus eigener Kraft schließen?

Der größte Teil, den Zypern aus eigener Kraft aufbringen muss, ist dem Bankensektor zuzurechnen. Dabei geht es unter anderem darum, die Einlagen über 100.000 Euro bei der in die Schieflage geratenen Laiki-Bank zu einem erheblichen Teil in Aktien der Bank of Cyprus umzuwandeln. Außerdem wird die Regierung in Nikosia Ausgaben kürzen, etwa durch eine Anhebung des Renteneintrittsalters, und sie muss die Einnahmeseite verbessern, etwa durch Erhöhungen der Körperschafts- und Zinsertragsteuer. Es ist ein sehr anspruchsvolles Programm, das möchte ich gar nicht bestreiten. Aber es ist Grundvoraussetzung dafür, dass der Sanierungsprozess gelingen kann.

War die ursprüngliche Idee, auch Kleinsparer mit Konten bei zypriotischen Banken mit einer Zwangsabgabe zu belegen, eine gute Idee?

Das war mit Sicherheit keine gute Idee. Sie ging übrigens auch nicht auf die Eurogruppe oder gar den deutschen Finanzminister zurück, wie das gelegentlich dargestellt wurde. Es war die Idee der zypriotischen Regierung, die die Beteiligung der größeren Einleger nicht so deutlich ausfallen lassen und deshalb auch die Einleger von Sparguthaben unter 100.000 Euro heranziehen wollte.

Ist der der Zugriff auf Sparguthaben eine Blaupause, mit der in der Eurozone auf künftige Krisen einzelner Mitgliedsländer oder der Banken dort reagiert wird?

Von einer Blaupause würde ich nicht reden. Jedes Land und jede Situation ist gesondert zu beurteilen. Richtig ist, dass bei jedem Unternehmen, das in eine Schieflage gerät, am Ende auch Gläubiger betroffen sein können. Auf keinen Fall darf es aber bei Sparguthaben in Größenordnungen unter 100.000 Euro zur Beteiligung von Sparern und Einlegern kommen. Wir gewähren in Europa aus guten Gründen einen Einlegerschutz.

Befürchten Sie, dass solche Maßnahmen das Vertrauen der Sparer auch in soliden Euro-Ländern wie Deutschland beschädigen?

Jeder Sparer sollte sich überlegen, wem er sein Geld anvertraut. Bei Geldinstituten, die seriös sind, in Ländern die gut dastehen wie zum Beispiel die Bundesrepublik Deutschland, kann jeder davon ausgehen, dass sein Sparguthaben gut angelegt ist. Das heißt dann im konkreten Fall auch, dass die Zinserträge womöglich geringer sind. Es bleibt bei der alten Erkenntnis, dass hohe Erträge auch hohe Risiken bedeuten, geringere Erträge in der Regel auch geringere Risiken.

Der zypriotische Parlamentspräsident Yiannakis Omirou hat nach den Verhandlungen mit der Troika von einer "Erpressung gegen einen Staat" gesprochen. Zeigt das Beispiel Zypern, wie viel Porzellan beim Euro-Rettungsmanagement zwischen den europäischen Partnern zerschlagen wird?

Man kann jedenfalls nicht leugnen, dass diese Programme in den betroffenen Ländern bei der dortigen Bevölkerung zu unangenehmen Reaktionen geführt haben. Wenn man weiß, welche harte Auflagen zu erfüllen sind und was die Menschen an Einschränkungen und Lasten hinzunehmen haben, ist das verständlich. Auf der anderen Seite zeigen die Fortschritte in Programmländern wie Irland und Portugal, dass es sich auch lohnt, solche zunächst schmerzhaften Maßnahmen anzugehen. Auch Deutschland hat im vorigen Jahrzehnt tiefgreifende Reformen durchführen müssen, wenn auch nicht in dem Umfang wie jetzt in den Programmländern. Bei solchen Strukturreformen - etwa auf dem Arbeitsmarkt oder bei der Rente - ist zudem nicht immer auf den ersten Blick sichtbar, ob sie auch wirklich die positiven Wirkungen bringen, die man sich von ihnen erwartet. Bisher kann man sagen, dass es keinen anderen Weg gibt. Man kann im Übrigen auch von jenen Ländern in der Eurozone, wie etwa Deutschland, die ganz überwiegend die Garantien geben, nicht erwarten, dass ihre Hilfestellung ohne Gegenleistung bleibt.

Zypern muss seinen überdehnten Bankensektor verkleinern. Luxemburg, das sicherlich ganz andere Voraussetzungen hat als der Inselstaat, hat jüngst angekündigt, das Bankgeheimnis zu lockern. Verschwindet das Geschäftsmodell "Steuerparadies" in Europa?

Gerade beim letzten Treffen der europäischen Finanzminister Mitte April standen Steuerflucht und Steuerhinterziehung im Mittelpunkt. Das Problem muss angegangen werden, das hat man sich fest vorgenommen. Dazu gehört dann natürlich auch, dass beispielsweise ein verlässlicher Datenaustausch zwischen den Ländern und den Banken stattfindet.

Mit dem Beschluss zur Zypern-Hilfe hat der Bundestag vergangene Woche auch zugestimmt, die Laufzeiten für EFSF-Kredite für Portugal und Irland zu verlängern. Heißt das im Umkehrschluss, dass das Reformprogramm für diese Länder bisher zu streng war?

Das würde ich nicht so sehen. Die Verlängerung der Laufzeiten ist eine kluge Maßnahme, weil man anhand der Fälligkeiten der jeweiligen Papiere, die ausgegeben worden sind, nachvollziehen kann, wann man an die Finanzmärkte wieder herantreten muss. Die Verlängerung soll dazu dienen, dass beiden Ländern ein gleitender Wiedereinstieg in eine reguläre Finanzierung durch die Begebung von Staatsanleihen erleichtert wird.

Was passiert eigentlich, wenn es den Krisenländern nicht gelingt, mit eisernem Sparen ihre hohe Staatsverschuldungen in den Griff zu kriegen? Gilt dann womöglich, was der Finanzinvestor George Soros jüngst in Frankfurt sagte: Entweder Deutschland lässt Eurobonds zu - oder es tritt aus der Eurozone aus?

Solche Spekulationen halte ich für völlig inakzeptabel.

Die soeben gegründete "Alternative für Deutschland" fordert einen deutschen Austritt aus dem Euro. Könnte die Partei bei der Bundestagswahl im September gerade im schwarz-gelben Wählermilieu erfolgreich auf Stimmenfang gehen?

Das glaube ich eigentlich nicht. Zum Thema Euro-Austritt möchte ich nur anmerken: Wer mit den Menschen in Deutschland spricht, die sich ernsthaft Gedanken machen, wer mit Wirtschaftsvertretern spricht, der kriegt eine klare und eindeutige Antwort auf diese Frage. Es kommt auch nicht von ungefähr, dass die Zustimmung zum Euro und auch die Zustimmung zum Kurs der Bundeskanzlerin und des Finanzministers noch nie so hoch waren wie jetzt, wo es rund um die Frage Zypern eine gewisse Zuspitzung der Situation gegeben hat.

Das Interview führte Alexander Heinrich.

Bartholomäus Kalb (CSU) ist seit 1987

Mitglied des Deutschen Bundestages. Der haushalts- und finanzpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe ist Mitglied des Haushaltsausschusses.