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Kurz notiert

29.04.2013
2023-08-30T12:23:58.7200Z
4 Min

Auf dem Cover loben nicht weniger als sechs Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften das Buch ihrer amerikanischen Kollegen Daron Acemoglu und James A. Robertson. Doch auch ohne diese Werbung hätte das umfassende Werk seine Leser gefunden. Allein schon deshalb, weil sich die Autoren ein Thema vorgenommen haben, das vielen auf den Nägeln brennt: Acemoglu und Robertson wollen nicht weniger als die Ursprünge von Wohlstand und Armut aufdecken und erklären, warum einige Nationen im Reichtum und andere in weniger wohlhabenden Verhältnissen leben.

In konkreten Länder- und Fallstudien analysieren die Autoren die politischen und wirtschaftlichen Systeme. Sie weisen nach, dass "inklusive" Institutionen die Voraussetzung für Wohlstand sind: Die Nationen wurden reich, weil ihre Bürger die Machteliten stürzten und eine Gesellschaft schufen, in der die politischen Rechte breit verteilt sind, in der die Regierung den Bürgern Rechenschaft schuldet, auf ihre Wünsche reagiert und in der die große Mehrheit des Volkes seine wirtschaftlichen Chancen nutzen kann. Zugleich beschränke sich die Rolle des Staates darauf, wirtschaftliche und gesellschaftliche Aktivitäten zu regulieren. Allerdings seien solche Staaten in der Geschichte die Ausnahme. Tatsächlich würden in der großen Mehrzahl der Nationen auch heute noch "extraktive" Institutionen vorherrschen, die nicht für Gesetz, Ordnung und die Einhaltung von Verträgen sorgten. Doch allein die Existenz demokratischer Institutionen, von Rohstoffvorkommen und guten klimatischen Bedingungen reichten nicht aus, um Wohlstand dauerhaft zu ermöglichen. Liege die politische Macht ausschließlich in den Händen einer kleinen Elite, würden selbst reiche Nationen über kurz oder lang verarmen.

Mit Blick auf Europa zeigen sich die Autoren dieses exzellenten Buches optimistisch. Die Institutionen der Mitgliedstaaten und der EU verhinderten, dass die derzeitige Krise im "Verderben" ende.

Daron Acemoglu, James A. Robinson:

Warum Nationen scheitern.

S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2013; 608 S., 24,99 €

Können Völkermode mit anderen staatlich organisierten Verbrechen gleichgesetzt werden? Ist es richtig, die Sklaverei, die gewaltsame Verdrängung der Indianer in den USA oder den stalinistischen Terror als Völkermorde im Sinne der UN-Konvention einzustufen? Diesen Frage geht eine internationale Historiker-Gruppe in einem empfehlenswerte Sammelband zu Geschichte und Wirkung des Holocaust nach.

"Statt Deutschland sollte man künftig Arminien sagen. Es ist lautreicher und klingt an Armenien an", schrieb der Romanist Victor Klemperer 1933 in Anspielung auf den deutschen Nationalhelden Arminius den Cherusker in sein Tagebuch. "Wer redet denn heute noch von der Vernichtung der Armenier", fragte hingegen Adolf Hitler vor dem Angriff auf Polen 1939 seine Kommandeure. Der Historiker Wolf Gruner belegt in seinem informativen Aufsatz über die "Armenier-Greuel", dass die deutsche - die jüdische wie die nichtjüdische - Öffentlichkeit in der 1930er Jahren genau über den Völkermord an den Armeniern von 1915 im Osmanischen Reich und in der Türkei informiert war. Franz Werfels Roman "Die vierzig Tage des Musa Dagh" von 1933 galt den deutschen Juden lange vor den Pogromen vom November 1938 als unmissverständliche Warnung.

Die Begriffe "Greuel" oder "Massenmord" reichten nicht aus, um Verbrechen wie die organisierte Vernichtung der Armenier und der Juden zu charakterisieren. Deshalb prägte der Jurist Raphael Lemkin, Sohn assimilierter polnischer Juden, den Begriff "Genozid", der in die UN-Genozid-Konvention vom 9. Dezember 1949 Eingang fand. Lemkin sei maßgeblich durch die Schriften von Johannes Lepsius über den Völkermord an den Armeniern beeinflusst worden, betont Christian Werkmeister in seinem Beitrag.

In ihren argumentativ überzeugenden Aufsätzen thematisieren die Autoren die Singularität des Holocaust. So lehnen sie es ab, etwa die Shoa mit den Übergriffen der Sowjetunion auf den "bürgerlichen Klassenfeind" gleich zu setzen. Der Sammelband ist ein wichtiger Beitrag zur vergleichenden Genozid-Forschung.

Fritz Bauer Institut, Sybille Steinbacher (Hg.):

Holocaust und Völkermorde. Die Reichweite des Vergleichs.

Campus Verlag. Frankfurt/M. 2012; 248 S., 24,90 €