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Schutzzoll für "Made in China"

HANDEL Beim Streit um chinesische Solarmodule setzt die EU-Kommission offenbar auf eine Verhandlungslösung

10.06.2013
2023-08-30T12:24:00.7200Z
4 Min

Ungeachtet der heftigen Kritik aus Deutschland und 16 weiteren EU-Mitgliedsstaaten hat die EU-Kommission vergangene Woche vorläufige Antidumping-Zölle auf chinesische Solarmodule verhängt. Allerdings staffelt EU-Handelskommissar Karel De Gucht den Zoll und setzte zunächst einen Satz von 11,8 Prozent fest, der erst nach zwei Monaten auf die ursprünglich geplanten 47,6 Prozent steigt. "Die Entscheidung der EU-Kommission ist eine ausgestreckte Hand, um einen Handelskrieg zu vermeiden", sagte der Sprecher der Fraktion der Konservativen im Europäischen Parlament, der Deutsche Daniel Caspary zu der stufenweisen Einführung des Zolls. Eine große Mehrheit im Europäischen Parlament unterstützt De Guchts Ansatz, der von der Kommission einstimmig verabschiedet wurde.

Aus den Mitgliedsstaaten kam offene Kritik an der Entscheidung. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) nannte den Zoll einen "Fehler". Neben Großbritannien zeigte sich auch De Guchts Heimatland Belgien unzufrieden mit dem Schritt. Die Mitgliedsstaaten monieren, dass Europa wegen des Zolls auf einen Handelskrieg mit China hinsteuere. China hat bereits mehrere Gegenmaßnahmen angekündigt. De Gucht will sich jedoch von chinesischen Drohgebärden nicht einschüchtern lassen. "Die Europäische Politik sollte sich von Gesetzen und nicht von Angst leiten lassen", betont der Handelskommissar.

Dumping-Preise

China exportiert aktuell Solarmodule im Wert von 21 Milliarden Euro in die EU. Die EU-Kommission wirft den Chinesen vor, die Solarmodule in Europa seit drei Jahren zu Dumping-Preisen zu verkaufen, also billiger als die Herstellungskosten. Die Kommission errechnete, dass die Solarmodule im Durchschnitt um 88 Prozent teurer verkauft werden müssten. Allerdings gibt es Kritik an den Berechnungen. Da China bei der Welthandelsorganisation WTO nicht als Marktwirtschaft anerkannt wird, hat die EU-Kommission bei der Kalkulation einen gewissen Spielraum. Als Berechnungsgrundlage dienen die Herstellungskosten in Indien.

Die EU-Kommission erwartet nun von China ein Verhandlungsangebot. "Der Ball ist im chinesischen Feld", sagte Handelskommissar De Gucht. Er glaubt, dass er durch die gestaffelten Zölle den Druck erhöht hat, um die Chinesen schnell zu einem Angebot zu bewegen. In Brüssel wünscht man sich, dass China einen Mindestpreis für die Solarmodule einführt.

Kapazitäten verzehnfacht

China hat seine Kapazitäten für Solarmodule in den vergangenen Jahren rasant aufgebaut, seit 2008 haben sie sich auf 55 Gigawatt verzehnfacht. Dies entspricht 150 Prozent der weltweiten Nachfrage. Der Staat hat das starke Wachstum unterstützt, die Subventionen zuletzt jedoch zurückgefahren. In Europa haben chinesische Hersteller mittlerweile einen Marktanteil von 80 Prozent erreicht. Europäische Hersteller halten nur noch einen Marktanteil von 13 Prozent, der zudem rapide abnimmt.

In der politischen Debatte wird verschwiegen, dass die Solarenergie auch in Europa von staatlicher Unterstützung profitiert. Im Zuge des Klimaschutzes haben viele EU-Mitgliedsstaaten die Solarenergie massiv gefördert, allerdings nicht, indem sie Hersteller päppelten, sondern indem sie Verbrauchern Zuwendungen zukommen lassen. China hatte schon vor der Ankündigung der Zölle auf Solarmodule eine Antidumping-Untersuchung gegen europäische Chemieunternehmen bekannt gemacht. Chinesische Hersteller werfen der europäischen Konkurrenz vor, ein Lösungsmittel unter den Herstellungskosten zu verkaufen. Vergangene Woche folgte eine Untersuchung gegen europäische Weinhersteller. "Weineinfuhren aus Europa kommen dank Dumping, Subventionen und anderer unerlaubter Handelspraktiken auf unseren Markt und haben unsere Weinproduktion beeinträchtigt", hieß es dazu in einer Erklärung des chinesischen Handelsministeriums. Der Angriff auf die europäischen Weingüter ist aus zwei Gründen interessant. Zum einen nimmt die chinesische Regierung mit der Landwirtschaft einen Sektor ins Visier, der traditionell stark von Subventionen profitiert. Der britische Think Tank Open Europe schätzt die Subventionen für europäische Weinbauern auf 2,8 Milliarden Euro im Jahr.

Gleichzeitig trifft die chinesische Regierung mit ihrem Verfahren gegen europäischen Wein ausgerechnet jene Länder, die sich für die Zölle auf Solarmodule ausgesprochen haben. Die großen Weinhersteller Frankreich, Spanien und Italien hatten die Kommission in ihrer Haltung ausdrücklich bestärkt. Frankreichs Staatspräsident François Hollande reagierte auf die chinesische Ankündigung prompt und forderte ein Krisentreffen, bei dem die Europäer ihre Haltung abstimmen sollten.

Drohender Handelskrieg

Ein Handelskrieg mit China würde Europas ohnehin schon schwächelnde Wirtschaft empfindlich treffen. Im vergangenen Jahr haben die EU-Mitgliedsländer Waren und Dienstleistungen im Wert von 143,9 Milliarden Euro nach China exportiert. Mit Ausfuhren von 66,6 Milliarden Euro ist Deutschland der wichtigste Exporteur unter den EU-Staaten. Sollten die Chinesen ihren Markt abschotten, wäre das zum Nachteil von Branchen wie beispielsweise dem Maschinen- und Automobilbau, die Chinesen zu ihren guten Kunden zählen.

Die beschlossenen Zölle laufen für maximal sechs Monate, endgültige Zölle kann die EU-Kommission nur dann verhängen, wenn die Mitgliedsstaaten zustimmen. Aus der EU-Kommission ist hierzu zu hören, dass Mitgliedsstaaten in der Vergangenheit ihre Position dazu schon mehrfach verändert hätten.