Piwik Webtracking Image

Edelgard Bulmahn (SPD)

28.10.2013
2023-08-30T12:24:06.7200Z
3 Min

Große, unbequeme Aufgaben haben Edelgard Bulmahn noch nie Angst gemacht. Als Bundesministerin für Bildung und Forschung legte sich die heute 62-Jährige immer wieder unerschrocken mit den Bundesländern an, die ihre Pläne zur Umgestaltung des deutschen Bildungswesens beharrlich ablehnten. Dennoch gelang es der gebürtigen Petershagenerin in ihrer Amtszeit von 1998 bis 2005, den Ausbau der Ganztagsschulen voranzutreiben. Die deutsche Hochschullandschaft veränderte sie mit der Einführung der Juniorprofessur, einer Reform der Professorenbesoldung und der Umsetzung des Bologna-Prozesses nachhaltig. Seither studieren junge Menschen in Deutschland in Bachelor- und Masterstudiengängen, deren Abschlüsse in den europäischen Staaten anerkannt werden.

Auch das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) wurde von Bulmahn reformiert: Als Bildungsministerin erhöhte sie Bedarfssätze und Freibeträge. Gern hätte sie auch eine elternunabhängige Studienförderung eingeführt, scheiterte dabei aber am Widerstand des Kanzlers. Ihr Verbot von Studiengebühren kippte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2005.

Nicht zuletzt wegen dieser Pleiten hatte sie es im Kabinett Gerhard Schröders nicht leicht: Als "Aschenputtel" wurde sie selbst von Parteigenossen bezeichnet, weil sie ihre Projekte schlecht verkauft habe - Bulmahns Stärke war immer die fleißige Arbeit im Hintergrund, weniger das Brillieren in der Öffentlichkeit.

Beharrlich kämpfte sie um mehr Mittel für den Bereich Bildung und Forschung. Allzu gern hätte sie für den Bund deutlich größere Kompetenzen in diesem Bereich erstritten. Dass die Bildungspolitik mit der Föderalismusreform der Großen Koalition 2005 eindeutig Ländersache wurde, schmerzte sie: Themen von so großer gesellschaftlicher Bedeutung dürfe man nicht allein in der Verantwortung der Länder lassen, lautete ihre feste Überzeugung. Undenkbar war für sie die Vorstellung, dass der Bund zum Geldgeber ohne inhaltliche Kompetenzen degradiert werde.

Bestes Ergebnis

Nun hat die Studienrätin sich für das Parlament Großes vorgenommen: Um nicht weniger als eine Verbesserung seines Ansehens geht es ihr. Sie sei "eine leidenschaftliche Parlamentarierin", sagt sie, und es freue sie, dass sie als Vizepräsidentin die Erfahrungen und Kompetenzen einbringen könne, die sie seit ihrem Einzug in den Bundestag im Jahr 1987 erworben habe. Bulmahn wurde vergangene Woche mit 534 von 626 Stimmen in das neue Amt gewählt; sie fuhr damit das beste Ergebnis aller Bewerber um die Vizepräsidenten-Posten ein.

Abgeordnetenrechte stärken

In dieser Legislaturperiode sei es ein "besonders wichtiges Thema", die Rechte der einzelnen Abgeordneten zu stärken, "nicht nur gegenüber der Exekutive, sondern gelegentlich auch gegenüber ihren Fraktionen". Unterschiedliche Argumente und Sichtweisen müssten sichtbarer werden, nur so würden sie für die Bürger nachvollziehbar. Nach der ersten Sitzung des neuen Präsidiums habe sie den Eindruck gehabt, man sei sich einig darüber, dass es in dieser Legislatur vor allem auch um eine Stärkung der Minderheitenrechte gehe. Ob dazu das Grundgesetz geändert werden muss, wie einige Abgeordnete fordern, sei zu prüfen. "Auf jeden Fall muss aber die Geschäftsordnung geändert werden", damit klar würde, "dass diese Rechte nichts sind, was man erst gewährt und dann wieder zurücknimmt".

Stärken will Bulmahn auch die Rechte der Abgeordneten gegenüber der Regierung. "Es wäre besser, die Parlamentarier hätten zu bestimmten politischen Themen nicht nur ein Fragerecht gegenüber den Staatssekretären, sondern auch gegenüber der Kanzlerin oder den Ministern." Nur so sei eine effektive Kontrolle der Exekutive möglich.

Bulmahn hält große Stücke auf die deutsche Legislative. Sie repräsentiere ein stabiles, demokratisches Land. Das aber müsse deutlicher werden: Geht es nach der ehemaligen Ministerin, sollen Debatten zu Themen, die für Menschen von großer Bedeutung seien, dann stattfinden, wenn diese Menschen und die Medien sie auch verfolgen könnten.

Mehr noch: Auch die Arbeit der Ausschüsse will Bulmahn öffentlicher machen. "Wenn es darum geht, politische Entscheidungsprozesse nachvollziehbar zu machen, sollten wir uns nicht nur aufs Plenum konzentrieren, sondern auch die Ausschüsse in den Fokus rücken. Wir sind ein Arbeitsparlament - und die Diskussionen in den Ausschüssen sind oft viel aufschlussreicher als die Debatten."

Bulmahn hat ein Herzensprojekt: das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Bundestag. Diese selbständige Einrichtung, die wissenschaftliche Politikberatung bietet, hat sie vor 23 Jahren mit ins Leben gerufen - und wünscht sich bis heute, dass die Abgeordneten es stärker nutzen. Als Vizepräsidentin wird sie dafür werben.