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Petra Pau (Die Linke)

28.10.2013
2023-08-30T12:24:06.7200Z
3 Min

Petra Pau saß mal ganz hinten links im Bundestag, ohne Tisch und wenig beachtet. Die Saaldiener rückten zwei Stühle heran, den einen für sie, den anderen für ihre Kollegin Gesine Lötzsch. Die beiden PDS-Frauen hatten 2002 in Berlin Direktmandate erzielt, während ihre Partei es nicht über die Fünf-Prozent-Hürde brachte. Die Damen traten als politische Einzelkämpferinnen auf - ohne Gruppenstatus, geschweige denn Fraktionsrechte.

Seither ist vieles anders geworden am Spreebogen in Berlin. Pau ist seit 2006 Vizepräsidentin des Parlaments und bei der konstituierenden Sitzung des 18. Bundestages wiedergewählt worden. Aus der PDS wurde die Linkspartei, die am 22. September mit 8,6 Prozent in das neue Parlament eingezogen ist. "Ich habe den Bundestag aus ganz unterschiedlichen Perspektiven erlebt", sagt die 50-Jährige rückblickend und sieht zufrieden aus.

Wenn die Frau mit der Diestel-Frisur durch den Bundestag schlendert, freundliche Blicke verteilend, markiert sie einen auffälligen Kontrast zu jenen Promis, die gerne mit Entourage kommen, mit Bodyguards oder Presseanhang. Den großen Auftritt überlässt Pau anderen, was dazu verleiten könnte, sie zu unterschätzen. Aber diese Frau ist hartnäckig und wusste früh, was sie wollte.

DDR-Laufbahn

Pau stammt aus einem Ost-Berliner Arbeiterhaushalt, ihr Vater war Maurer, ihre Mutter Fließbandarbeiterin in einem Werk für Fernsehelektronik, später arbeitete sie als Tierpflegerin. Als Petra Pau am 9. August 1963 zur Welt kam, stand die Mauer gerade zwei Jahre. Pau absolvierte bis zum Mauerfall 1989 eine ebenso typische wie umwegfreie DDR-Laufbahn. Von der Polytechnischen Oberschule kam sie 1979 an das Zentralinstitut der Pionierorganisation "Ernst Thälmann" (ZIPO) in Droyßig (Sachsen-Anhalt), wo sie ihr Studium 1983 als Freundschaftspionierleiterin und Unterstufenlehrerin für Deutsch und Kunsterziehung abschloss. Im selben Jahr trat sie in die SED ein. Es folgte ein Studium an der Parteihochschule Karl Marx (PHS) in Berlin, das Pau 1988 ein Diplom in Gesellschaftswissenschaften eintrug. Noch bis 1990 arbeitete sie im Zentralrat der FDJ, bis die DDR-Jugendorganisation abgewickelt wurde.

Im Bundestagshandbuch ist Lehrerin vermerkt, als Pädagogin gearbeitet hat Pau aber nur übergangsweise. Ihr Lebensweg verlief zu DDR-Zeiten an Kaderschmieden entlang und scheint ein Ziel gehabt zu haben: Politik. Der Untergang des SED-Dickschiffs zur Wendezeit verursachte heftige Wellen, brachte aber auch Chancen mit sich. Pau, zielstrebig, zäh, dickfellig, stieg die Parteileiter hinauf, an der jetzt PDS stand: Bezirksvorsitzende in Berlin-Hellersdorf 1991, im selben Jahr Vize-Landesvorsitzende, 1992 bis 2001 Berliner Landeschefin, 2000 bis 2002 Vize-Bundesvorsitzende.

Seit 1998 gehört Pau dem Bundestag an. Sie hat fünf Mal in Folge in Berlin ein Direktmandat geholt. 2000 bis 2001 war sie Vizefraktionschefin der PDS, 2005 bis 2008 hatte sie das Amt erneut inne, diesmal unter Die Linke firmierend. Dort bestimmten öfter Machtkämpfe der Flügel-Akrobaten den politischen Alltag. Das kann zermürben. Pau, dem Reformflügel verhaftet, blieb. Sie ist eine Konstante geworden in einer Partei, die mühsame Metamorphosen erlebt hat.

Stolz und Dankbarkeit

Wenn Pau über ihre Arbeit im Bundestagspräsidium spricht, ist ihr Stolz anzumerken, Dankbarkeit und auch ein Stück Verwunderung, es bis dahin gebracht zu haben. In ihrer typischen Unbefangenheit merkt sie an: "Wenn mir jemand 1990 gesagt hätte, du wirst mal Bundestagsabgeordnete oder gar Vizepräsidentin, hätte ich ihn zum Arzt geschickt." Als ihr im Mai 2010 plötzlich die Stimme versagte, erlebte sie nicht nur den größten anzunehmenden Unfall im politischen Geschäft: nämlich die Sprachlosigkeit, sondern auch Solidarität im kleinen Kreis des Präsidiums. Es war ausgerechnet der CSU-Kollege Eduard Oswald, der sofort helfend zur Seite sprang. "Er hat sich immer angeboten, zu übernehmen, wenn er merkte, es wird schwierig für mich." Ihre früher sonore Altstimme hat Pau noch nicht zurück, aber mit Hilfe eines Headsets fühlt sie sich nun sicher und den Aufgaben gewachsen.

Als einzige verbliebene Ost-Repräsentantin im Präsidium will die Fachfrau für Bürgerrechte Probleme benennen, "die es eben nur in Ostdeutschland gibt". So sei die Rentenangleichung "ein Dauerbrenner, wo die Menschen nicht nur ungeduldig sind, sondern ungehalten", wie sie aus vielen Bürgerrunden wisse. Und dann ist da die Aufarbeitung des Rechtsterrorismus. Mit dem NSU-Untersuchungsausschuss verbindet die Innenexpertin eine "wunderbare Erfahrung: Einigkeit und Zusammenarbeit". Daran will sie anknüpfen mit der Umsetzung der Empfehlungen des Ausschusses. Und wenn es mal nicht so läuft? "Ich habe in meiner Jugend mal Judo betrieben. Und das erste, was man da lernt, ist: hinfallen und wieder aufstehen."