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Die Wächter der Schlapphüte

PArlamentarische Kontrolle Abgeordnete fühlen sich über die Arbeit der deutschen Geheimdienste oft nur unzureichend informiert

25.11.2013
2023-08-30T12:24:08.7200Z
3 Min

Alles ist geheim, ein Paradoxon. Ihrem Wesen nach arbeiten Geheimdienste geheim. Doch dieses Prinzip widerspricht dem demokratischen Grundsatz der Transparenz. Diesem Manko abhelfen soll die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste. Allerdings: Auch diese Überwachung spielt sich im Geheimen ab, die Abgeordneten, denen diese Aufgabe obliegt, sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, gegenüber ihren Parlamentskollegen wie gegenüber der Öffentlichkeit.

Besonderer Raum

Indes bleibt natürlich nicht alles geheim. Niemand darf eigentlich wissen, wo das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) tagt, das den Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und den Militärischen Abschirmdienst (MAD) beaufsichtigt. Doch wenn in diesen Wochen die elf PKGr-Mitglieder unter Vorsitz von Thomas Oppermann (SPD) immer mal wieder wegen der NSA-Spähaffäre zusammenkommen, dann lagern stets Reporter und Kameraleute vor der längst allseits bekannten Tür eines abhörsicheren Raums im Untergeschoss des Jakob-Kaiser-Hauses. Und wenn die Geheimdienstaufseher nach den Treffen vor die Journalisten treten, dann vermögen sie trotz Verschwiegenheitspflicht ihre Kritik gleichwohl loszuwerden. So war es einst bei der geheimdienstlichen Journalistenbespitzelung und beim Einsatz von BND-Agenten im Irak-Krieg. Und das ist auch jetzt wieder beim Abhören des Handys von Angela Merkel wie bei der massenhaften E-Mail-Durchleuchtung durch US- und britische Geheimdienste der Fall - manche PKGr-Angehörige scheuen vor harten Vorwürfen nicht zurück.

Um die deutschen Nachrichtendienste kümmern sich neben dem PKGr noch die G-10-Kommission und das Gremium nach Grundgesetz-Artikel 13. Diese beiden Einrichtungen arbeiten tatsächlich jenseits des Scheinwerferlichts und treten öffentlich kaum in Erscheinung.

Telefone abhören

Die G10-Kommission entscheidet etwa darüber, ob ein Geheimdienst Telefone abhören darf und ob die Betroffenen nach dieser Maßnahme unterrichtet werden. Zudem prüft die Runde anhand von Beschwerden, ob durch nachrichtendienstliches Vorgehen unzulässigerweise Grundrechte verletzt werden. Die Mitglieder der G10-Kommission werden vom PKGr gewählt. Der Vorsitzende muss die Befähigung zum Richteramt haben, momentan ist dies Hans de With (SPD), dem drei Beisitzer zur Seite stehen. Das neunköpfige Gremium nach Verfassungsartikel 13, dem der Unionspolitiker Norbert Geis (CSU) vorsteht, soll die Kontrolle beim Abhören von Wohnungen sicherstellen, das einen besonders schweren Eingriff in Freiheitsrechte darstellt.

Im internationalen Vergleich verfügt das seit 2009 im Grundgesetz verankerte PKGr mittlerweile über beachtliche Rechte. Die Regierung hat die Kommission umfassend über die "allgemeine" Tätigkeit der Geheimdienste und über Vorgänge von "besonderer Bedeutung" zu unterrichten. Die Abgeordneten können Unterlagen von BND, BfV und MAD einsehen und deren Mitarbeiter befragen, auch existiert ein Zutrittsrecht zu den Einrichtungen der Dienste. In Einzelfällen kann das Gremium zur Unterstützung einen Sachverständigen beauftragen. Beschäftigte der Dienste dürfen sich direkt an das PKGr ohne behördeninternen Umweg wenden.

Allerdings sind solche Rechte das eine, die Praxis ist etwas anderes. Wenn Oppermann im Verlauf der NSA-Affäre stets aufs Neue mehr "Aufklärung" fordert, dann deutet dies darauf hin, dass die dem PKGr zufließenden Informationen vielleicht lückenhaft sind. Das Elfer-Team muss sich zunächst einmal auf die Angaben der Regierung und der Dienste verlassen. Anlass für gründliche Nachforschungen im Ausschuss liefert oft erst die Aufdeckung von Skandalen durch die Medien, der Fall NSA ist dafür ein Musterbeispiel.

Hans-Christian Ströbele von den Grünen, ein altgedienter PKGr-Kämpe, fühlt sich schon mal "an der Nase herumgeführt", man werde als Kontrolleur nicht ernst genommen. Wolfgang Neskovic, der ehedem längere Zeit für die Linke in der Kommission saß, sprach einmal von einem "blinden Wächter ohne Schwert".

Solch harte Urteile machen sich zwar nicht alle Abgeordneten zu eigen. Schon die Affäre um die dem NSU angelastete Mordserie ließ indes die Forderung nach einer effektiveren parlamentarischen Kontrolle laut werden. So plädiert Clemens Binninger (CDU) zusätzlich zum PKGr für einen vom Bundestag gewählten Geheimdienstbeauftragten. Von dieser Idee hält die SPD wenig, die lieber das PKGr "personell und sachlich professioneller ausstatten will", so Eva Högl, die dem NSU-Untersuchungsausschuss angehörte. Ein ernüchternder Zahlenvergleich: Den elf PKGr-Parlamentariern stehen allein beim BND mehrere tausend Beschäftigte gegenüber.