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"Eine nachhaltige Säule" Wettbewerb tut not

STIFTUNGEN Generalsekretär Hans Fleisch setzt auf Politik

23.12.2013
2023-08-30T12:24:09.7200Z
4 Min

Herr Professor Fleisch, was ist eigentlich der Bundesverband Deutscher Stiftungen?

Der 1948 gegründete Bundesverband Deutscher Stiftungen ist die Interessensvertretung der gemeinnützigen Stiftungen gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit in Deutschland. Außerdem steht der Bundesverband den Stiftungen mit Service, Beratung und der Schaffung von Plattformen zur Verfügung. Zudem ist Zweck des Bundesverbandes die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements, insbesondere des Stiftens. Ungefähr 70 Prozent des gemeinnützigen Stiftungskapitals sind im Bundesverband organisiert. Er ist der mit Abstand größte Stiftungsverband Europas.

In Deutschland gibt es mittlerweile fast 20.000 gemeinnützige Stiftungen. Allein seit der Jahrtausendwende sind 11.000 Neugründungen zu verzeichnen. Ist dieser Stiftungsboom ein Modetrend?

Die Zivilgesellschaft wächst weltweit. Und Stiftungen sind ein besonderer Teil der Zivilgesellschaft. Sie zeichnen sich durch Nachhaltigkeit aus und bieten Möglichkeiten, die andere Initiativen, übrigens auch Vereine, so nicht haben. Die Stiftungslandschaft wächst in ganz Europa, allerdings regional unterschiedlich. In Deutschland ist die Dynamik bei den Gründungen besonders hoch. Das liegt vor allem am stiftungsfreundlichen Klima, das durch Verbesserungen der Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren beflügelt worden ist. Die Zahl der Neugründungen ist übrigens nicht das einzig entscheidende Kriterium für die Entwicklung der Stiftungslandschaft. Wichtig ist, dass immer mehr Menschen bereit sind, gemeinnütziges Zukunftskapital in Stiftungen, auch durch Zustiftungen, aufzubauen. Staat und Wirtschaft werden die gesellschaftlichen Herausforderungen ohne bürgerschaftliche Aktivitäten nicht lösen können. Und Stiftungen sind eine nachhaltige Säule für solche Aktivitäten.

Sie sagen, die Rahmenbedingungen sind in Ordnung. Sie haben also keine Forderungen an die Politik?

Die Rahmenbedingen für das Stiften und für gemeinnützige Stiftungen sind in den letzten Jahren gesetzlich mehrfach verbessert worden. Dafür gebührt der Politik Dank. Wir haben in Deutschland aber noch eine Reihe von Einzelregelungen, die unsinnig und erschwerend sind. Ich erwarte von der Politik, dass sie die weitere Optimierung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und die sonstige Förderung des bürgerschaftlichen Engagements als chancenreiche Dauerbaustelle begreift.

Wie fühlen Sie sich im Koalitionsvertrag der neuen Regierung aufgehoben?

Der Stellenwert des bürgerschaftlichen Engagements ist im Vergleich zu vorherigen Koalitionsvereinbarungen deutlich abgesunken. Das Thema Stiftung taucht nur am Rande auf, das Leitbild Bürgergesellschaft ist aus der Koalitionsvereinbarung praktisch ganz verschwunden. Und doch sind wir nicht völlig enttäuscht. Denn es kommt darauf an, was daraus gemacht wird.

Verkennt der Staat die Bedeutung der Stiftungen?

Auf Bundesebene, von Ausnahmen abgesehen, ist das leider so. Zivilgesellschaftliche Aktivitäten werden in den Bundesländern und Kommunen, also dort, wo die meisten Probleme zu bewältigen sind, stärker geschätzt. Bürgermeister wissen, dass in den Kommunen ohne Stiftungen vieles zusammenbrechen würde.

Jede dritte Stiftung hat sich sozialen Aufgaben verschrieben. Lässt der Staat da eine zu große Lücke?

Wenn Menschen eine Stiftung gründen, wollen sie etwas nachhaltig unterstützen, was ihnen wichtig ist. Mitmenschlichkeit, also die Sorge um soziale Fragen, ist dabei am häufigsten das treibende Motiv. Die meisten Zukunftsherausforderungen können nicht rein staatlich oder durch die Wirtschaft gelöst werden. Darum sind Stiftungen und andere zivilgesellschaftliche Organisationen als Ergänzung notwendig und chancenreich.

Wie wirkt sich das niedrige Zinsniveau auf das Stiftungskapital aus?

Die Idee des Stiftens hat darunter nicht wirklich gelitten, die Dynamik beim Stiften hält an. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, ist auch keine bereits existierende Stiftung in ihrer Existenz substantiell gefährdet. Es gibt eine Reihe von großen Stiftungen, die haben trotz der niedrigen Zinsen überproportionale Einnahmen, weil sie ihr Geld längst differenzierter anlegen. Die breite Masse der eher kleinen Stiftungen aber setzt traditionell auf festverzinsliche Wertpapiere. Da schlägt derzeit die kalte Enteignung zu wie beim Sparer.

Können Stiftungen Geld sichern, gar verdienen?

Stiften ist ein Akt des Schenkens. Zunächst verliert man also Vermögen beim gemeinnützigen Stiften, auch wenn der Staat das Spenden und Stiften steuerlich bis zu einer gewissen Grenze honoriert. Wer stiftet, kann damit hierzulande nicht finanziell profitieren. Aber man kann zusätzliche positive wirtschaftliche Effekte zugunsten des Gemeinwohls erzielen und zum Beispiel ein Unternehmen durch Einbringung in eine Stiftung sichern. Bosch ist da ein Beispiel.

Sind Stiftungen Steuersparmodelle?

In Deutschland nicht. Wer Steuern sparen und davon privat profitieren will, muss mit stiftungsähnlichen Konstruktionen ins Ausland gehen. Dort geht das unter bestimmten Voraussetzungen. In Deutschland wiegen die Steuerersparnisse den finanziellen Einsatz beim Stiften niemals auf.

50.000 Euro gelten als Mindestvermögen zur Anerkennung einer rechtsfähigen eigenständigen Stiftung. Wer weniger hat, kann sich also nicht engagieren?

Doch, natürlich. Kleinere Summen lassen sich ja immer spenden. Zudem kann man sich mit überschaubaren Beträgen mit anderen gemeinsam stifterisch engagieren, zum Beispiel in einer Bürgerstiftung. Das wesentliche Kriterium für eine eigenständige Stiftung ist, dass sie aus ihren Erträgen dauerhaft den Stiftungszweck erfüllen können muss. Das ist selbst bei 50.000 Euro nicht immer gewährleistet.

Das Interview führte Jörg Biallas.