Piwik Webtracking Image

Notfallpille mit Spaltpotenzial

GESUNDHEIT Kontroverse Debatte im Bundestag über die Rezeptpflicht für die "Pille danach"

17.02.2014
2023-11-08T12:31:40.3600Z
3 Min

Gerade für junge Frauen dürfte sie im Notfall der letzte Ausweg sein. Die sogenannte "Pille danach" gewährt eine zweite Chance in kritischen Momenten, wo gerade Teenager meinen, jetzt sei alles zu spät und die größte denkbare Katastrophe, eine ungewollte Schwangerschaft, nicht mehr zu verhindern. Rund 463.000 Packungen der "Rettungspille" wurden im vergangenen Jahr in Deutschland verschrieben, und 13 Prozent der Frauen hierzulande haben die Notfallmedikation schon einmal genutzt.

Krasser Einzelfall

Als im Januar 2013 bekannt wurde, dass eine mutmaßlich vergewaltigte junge Frau wenige Wochen zuvor in zwei katholischen Kliniken in Köln nicht behandelt worden war, weil die Ärzte fürchteten, gegen die Ethik der Kirche die "Pille danach" verschreiben zu müssen, kochte die Frage der umstrittenen Rezeptpflicht für das Medikament erneut hoch. Auch am vergangenen Donnerstag in der Debatte über zwei Anträge der Opposition (Linke 18/303 und Grüne 18/492), die Rezeptpflicht aufzuheben, zeigte sich wieder, welch großes Spaltpotenzial in der kleinen Pille steckt. Denn auch die SPD-Fraktion hält, anders als der Koalitionspartner Union, eine Freigabe der Pille mit dem gut erforschten Wirkstoff Levonorgestrel (LNG) für überfällig. Es gehe hier, sagen die Befürworter, auch ums Prinzip: um das sexuelle Selbstbestimungsrecht von Frauen in Notlagen. Derweil hat sich Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), der an der Debatte im Plenum gar nicht teilnahm, schon auf ein Nein festgelegt. Seine Parlamentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) mühte sich redlich, SPD, Linken und Grünen die Argumente der Union nahe zu bringen. So gehe es in der Praxis um Verhütungspannen und ungeschützten Sex bis hin zur Vergewaltigung. Entsprechend umfassend müsse die Beratung ausfallen, die nur ein Arzt leisten könne. Wer die "Pille danach" benötige, habe "ganz konkret Angst". Das erfordere "mehr als den Nachtschalter in der Apotheke". Die jetzige Regelung stärke Frauen in ihrer Selbstbestimmung und gebe ihnen Sicherheit. Der Ansicht ist auch die Bundesärztekammer, die zudem bei einer Freigabe Werbung für das Arzneimittel befürchtet.

Faktor Zeit

Die Grünen-Abgeordnete Kordula Schulz-Asche hielt dem entgegen, der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht habe empfohlen, LNG freizugeben. Das Mittel gelte seit vielen Jahren als verlässlich und sei fast in ganz Europa frei erhältlich. Auch Apotheker könnten die nötige Beratung übernehmen. Die Krankenkassen sollen die Arzneimittelkosten dann erstatten. Ähnlich argumentierte für die Linksfraktion Birgit Wöllert und verwies darauf, dass neben diversen Experten auch der Bundesrat die Freigabe fordere. LNG sei medizinisch unbedenklich und wirke umso sicherer, je früher es eingenommen werde. Die Wege zum Gynäkologen und zu einer offenen Apotheke seien aber gerade am Wochenende auf dem Land lang. "Alles zusammen ziemlich viele Hürden." Die CSU-Abgeordnete Emmi Zeulner ließ das Argument nicht gelten. Auch in ländlichen Räumen sei die zeitnahe ärztliche Versorgung jederzeit sichergestellt.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warf der Union vor, Frauen in Notlagen das Recht auf schnelle Hilfe ohne gute Begründung vorenthalten zu wollen. Manche jungen Frauen griffen in der Not sogar zur Selbstmedikation, besorgten sich Hormonpillen bei Bekannten und stellten eine eigene Dosis zusammen. Den Apothekern werde seltsamerweise die Beratung in dem Fall nicht zugetraut, obwohl sie viel gefährlichere Wirkstoffe ausgäben. Die Anträge werden nun im Gesundheitsausschuss weiter beraten. Nach einer Freigabe des Mittels auf Kosten des Koalitionsfriedens sieht es aber derzeit nicht aus.