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Solarstrom gegen Putin-Gas

wirtschaft Die geplanten europäischen Kimaziele gehen der Opposition noch nicht weit genug

17.03.2014
2023-08-30T12:26:11.7200Z
4 Min

Nicht enden wollende Stürme und Fluten über den britischen Inseln bildeten den Auftakt zu diesem Jahr, in dem die Europäische Union über ihre weiteren Klimaschutzziele entscheiden will. Dass die zunehmende Zahl von Atlantikstürmen Folge des Klimawandels ist, steht für die Wissenschaft fest: "Gerade hat der britische Wetterdienst über die extremen Regenfälle und Stürme der vergangenen Tage und Monate einen Bericht veröffentlicht, in dem diese mit der globalen Erwärmung in Verbindung gebracht werden", sagte Klimaforscher Stefan Rahmtorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in einem Interview. Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen sei in Großbritannien nichts Vergleichbares passiert.

Vermutlich werden sich die 28 EU-Mitgliedsländer auf eine Minderung des Kohlendioxid-Ausstoßes bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 1990 einigen. Mit dieser Festlegung will die EU dann in die Internationale Klimakonferenz in Paris 2015 gehen, auf der über neue globale Klimaschutzziele beraten werden soll.

Opposition will mehr

Den Grünen sind diese Ziele allerdings längst nicht ambitioniert genug. Sie fordern in einem Antrag (18/777) unter anderem eine Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes bis 2030 um 55 Prozent. Zudem verlangen sie, anders als in der EU geplant, verbindliche europaweite Ziele auch für den Ausbau der erneuerbaren Energien und für die Senkung des Energieverbrauchs. Die gab es bisher in dem "3x20"-Ziel von 2007: 20 Prozent CO2-Reduktion, 20 Prozent mehr Energieeffizienz und 20 Prozent erneuerbare Energie bis 2020.

Strom sparen

Im Bundestag, der den Antrag am Donnerstag debattierte und dann in die Ausschüsse überwies, warb Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter auch mit dem Kostenargument für verbindliche Ziele bei der Energieeffizienz: "Die billigste Kilowattstunde Strom ist die Kilowattstunde, die wir gar nicht benötigen." Als wichtiges Mittel, die Klimaziele zu erreichen, bezeichnete Hofreiter die Stärkung des EU-Emissionshandelssystems. Dazu schlagen die Grünen ein Bündel von Maßnahmen vor. "Es kann nicht sein, dass eine Tonne CO2 nicht viel mehr kostet als eine Zigarettenschachtel", sagte Hofreiter zur Begründung.

Bei den Koalitionsfraktionen stießen die Vorschläge auf einhellige Ablehnung. Die Grünen setzten "auf nationale Kleinstaaterei, auf staatlichen Zwang und planwirtschaftliche Instrumente, die immer nur zu weiteren Belastungen führen, aber sicher nicht im europäischen Sinne sind", sagte Joachim Pfeiffer (CDU). Wolfgang Tiefensee (SPD) sekundierte: "Wir lehnen den Antrag ab, weil er die deutsche Energiewende unreflektiert in den Mittelpunkt einer europäischen Vereinbarung stellt." Die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den europäischen Ländern blende der Antrag aus.

Pfeiffer unterstützte im Gegensatz zum Antrag der Grünen die Absicht der EU-Kommission, nur ein Klimaziel festzulegen, nämlich für den Ausstoß von Kohlendioxid: "Wenn die Lage so ist, wie gerade von Herrn Hofreiter am Beispiel Irlands beschrieben, dass der Weltuntergang unmittelbar bevorsteht", dann müsse es doch richtig sein, alles an diesem einen Ziel festzumachen.

Die Grünen stören sich, ebenso wie die Linksfraktion, insbesondere daran, dass das CO2-Ziel für sich genommen auch mit einem Ausbau der Kernenergie erreicht werden könnte. Doch Redner der Koalitionsfraktionen verwiesen darauf, dass die deutsche Haltung zur Kernenergie nicht von allen EU-Partnern geteilt wird. Dirk Becker (SPD) brachte das so auf den Punkt: "Wenn Deutschland sagt, wir machen keine Vereinbarung mit, in der Kernenergie als Klimaschutzinstrument drinsteht, dann versagen uns die Briten im Gegenzug die Zustimmung zu den 40 Prozent." Becker verwahrte sich auch dagegen, der Bundesregierung die Schuld daran zu geben, dass in der EU-Vorlage nicht mehr als 40 Prozent als Reduktionsziel für den CO2-Ausstoß stehen. "Dass da 40 Prozent überhaupt drinstehen, ist nicht gegen, sondern wegen Deutschland erreicht worden."

Die Linksfraktion vertrat ähnliche Positionen wie die Grünen. Bei den auch von der EU-Kommission kritisierten Industrierabatten, die auf die Ökostrom-Abgabe nach dem Erneuerbare Energien-Gesetz gewährt werden, fordert die Linke allerdings noch deutlichere Einschränkungen als die Grünen. Das derzeitige System bedeute nichts anderes, sagte Caren Lay, "als dass beispielsweise der Hartz IV-Empfänger oder die alleinerziehende Mutter für den Braunkohlekonzern Vattenfall die Stromrechnung mitbezahlt". Mit der von ihrer Partei vorgeschlagenen Beschränkung der Energierabatte würde eine durchschnittliche Familie 180 Euro Stromkosten im Jahr sparen, ohne dass die Ausbauziele für Erneuerbare Energien gefährdet würden.

Lays Fraktionskollege Alexander Ulrich forderte, dass Deutschland aus der europäischen Organisation Euratom aussteigt und auch keine Hermes-Bürgschaften für den Bau von Atomkraftwerken anderswo in der Welt mehr gibt. Zudem kritisierte Ulrich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dafür, dass er jüngst im Kiew angeregt hat, die Ukraine könne Strom in die EU exportieren. Dieser Strom sei zu 90 Prozent mit Atomkraft und Kohle produziert, bemängelte Ulrich.

Der Ukraine-Konflikt hatte schon Anton Hofreiter ein Argument für die Energiewende geliefert. Unter Hinweis auf die derzeit große Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland sagte der Grüne: "Wind und Sonne schicken uns keine Rechnung. Das System Putin schickt uns durchaus eine Rechnung."