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Aschot Manutscharjan
Kurz notiert

Juli 1914: "Fest steht und treu die Wacht, die Wacht am Rhein!", schmettern deutsche Reservisten, die schwarz-weiß-rote Fahne schwenkend, wenige Tage vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Zentrum von London. Der beurlaubte Leutnant Cordt von Brandis marschiert begeistert mit und hält diesen heute so absurd anmutenden Moment in seinem Tagebuch fest. 19 Monate später wird er während der "Urschlacht des Jahrhunderts" von Verdun für spätere Historiker weitere wertvolle Beobachtungen notieren.

Die längste Schlacht der Weltgeschichte dauerte zehn Monate: vom deutschen Angriff am 21. Februar 1916 bis zum Ende der französischen Großoffensive am 20. Dezember 1916. Sie kostete 700.000 Soldaten das Leben. Dieses Ereignis veränderte nicht nur die politische Lage in Frankreich und in Deutschland, sie befeuerte auch die Entstehung der "Dolchstoßlegende", begünstigte den Bau der Maginot-Linie und legte damit die Grundlage für Frankreichs Niederlage gegen die Wehrmacht im "Blitzkrieg" 1940. Dies arbeitet der Historiker Olaf Jesse in seinem enzyklopädischen Werk über die Schlacht überzeugend heraus.

Jesse nutzte für seine Recherchen nicht veröffentliche deutsche und französische Archivdokumente über das militärische Vorgehen bei Verdun und untermauert seine Erzählung mit hunderten Augenzeugenberichten, vom General bis zum Zugführer. So gelingt es ihm, das Wechselspiel zwischen dem "Krieg des kleinen Mannes" und dem der Heerführer zu beleuchten. Ausführlich analysiert Jesse die berühmt-berüchtigte "Weihnachtsdenkschrift" des Generalstabschefs Erich von Falkenhayn, um dem Leser zu verdeutlichen, was dieser unter dem "Ausbluten" der Franzosen bei Verdun verstand.

Obwohl die zahlreichen Zitate den Erzählfluss häufig unterbrechen und die Lektüre so erschweren, macht diese Art der Darstellung das Buch gleichzeitig so wertvoll und authentisch. Der Leser meint den Soldaten selbst zuhören zu können, die vor hundert Jahren in die Hölle von Verdun geschickt wurden.

Olaf Jessen:

Verdun 1916. Urschlacht des Jahrhunderts.

C.H. Beck Verlag, München 2014; 496 S., 24,95 €

Aus Politik und Zeitgeschichte

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