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Lob für den Krisendiplomaten

AUSWÄRTIGES Steinmeiers Etat legt zu und erhält mehr Mittel für Konfliktprävention

30.06.2014
2023-08-30T12:26:16.7200Z
6 Min

Frank-Walter Steinmeier (SPD) verbringt derzeit viele Stunden in Flugzeugen. Unermüdlich jettete der Außenminister in den vergangenen Wochen von einem globalen Krisenherd zum nächsten. Getreu dem von ihm selbst aufgerufenen Motto: Deutschland ist zu groß, um an der Außenlinie zu stehen. Für sein Engagement erntete der Außenminister vergangene Woche bei der abschließenden Beratung zum Haushalt des Auswärtigen Amtes (Einzelplan 05) überwiegend Anerkennung. Omid Nouripour (Grüne) fand etwa, es gebe viel zu loben "am Tun des Außenministers". Der Mittelaufwuchs in Höhe von 4,4 Prozent sei auch eine Referenz an die Arbeit Steinmeiers, sagte der Haushälter der Unionsfraktion, Alois Karl (CSU), der es als gutes Zeichen wertete, wenn das Spektakulärste der deutschen Außenpolitik deren "Berechenbarkeit, Verlässlichkeit und Unaufgeregtheit" sei. Das Ergebnis der Haushaltsberatungen nannte Karl einen "Bikini-Haushalt". Der Etat sei kurz und knapp, umfasse das Wesentliche und errege Aufmerksamkeit, urteilte er.

Die Haushaltsexpertin Doris Barnett (SPD) betonte, dass im Etat eine klare Stärkung der zivilen Krisenprävention zu erkennen sei. "Wir stärken unter anderem die erfolgreiche Arbeit des Zentrums für internationale Friedenseinsätze", betonte sie. Positiv sei außerdem, dass die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik als tragende Säule der deutschen Außenpolitik ausgebaut werde und es zudem gelungen sei, die geplanten Kürzungen beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) zurückzunehmen.

Omid Nouripour begrüßte zwar auch, dass es mehr Geld für die zivile Krisenprävention gebe. Er bemängelte jedoch, dass dies vor allem für Projekte eingeplant sei. "Die Institutionen zu stärken war eigentlich unser Anliegen", sagte der Grünen-Abgeordnete. Kritik gab es vom Haushälter der Linksfraktion, Michael Leutert. Lediglich 2,8 Millionen Euro seien für die europäische Integration vorgesehen. Dabei habe nicht zuletzt das Postengeschacher im Anschluss an die Wahlen zum EU-Parlament gezeigt, "dass wir einen Neustart für eine europäische Verfassung brauchen".

Krisenherde

Abseits der Zahlen kamen die Abgeordneten schnell auf die Vielzahl der aktuellen Konflikte in der Welt zu sprechen. Steinmeier warnte in seiner Rede davor, dass im Irak ein Zerfall der staatlichen Strukturen zu befürchten sei mit der Folge, "dass ein riesiger gesetzloser Raum zu entstehen droht". Gleichzeitig machte Steinmeier deutlich, dass bei dem Konflikt "Hilfe von außen nur ganz schwer möglich ist". Vielmehr komme es auf die irakische Regierung an. "Ich glaube, es wird überhaupt nur dann Chancen für eine politische Lösung im Irak geben, wenn die politische Elite im Irak bereit ist, eine Regierung zu formen, in der alle Religionen und alle Regionen tatsächlich integriert sind", sagte er.

Mit Blick auf den Konflikt in der Ukraine sprach der Außenminister von einer "historischen und entscheidenden Phase derzeit". Das Vorgehen des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, einen Friedensplan aufzulegen, obwohl die Bevölkerung harte Reaktion gegen die Separatisten fordere, nannte Steinmeier "mutig". Und dann gab er einen persönlichen Einblick, wie schnell sich die Lage ändern kann und mit welchen Rückschlägen er in seiner Rolle als Chefdiplomat zuweilen konfrontiert ist: Als er am Vortag nach seinem Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten in Kiew in das Flugzeug gestiegen sei, hätte er den Eindruck gehabt, ein Stück weiter gekommen zu sein. Auch weil zu dem Zeitpunkt bekannt geworden sei, dass Russlands Präsident Wladimir Putin auf die vom Föderationsrat erteilte Interventionsvollmacht in der Ostukraine verzichten wolle. "Als ich am Nachmittag in Brüssel landete, erfuhr ich von dem Abschuss des Hubschraubers", bei dem es neun tote ukrainische Soldaten gegeben habe, setzte Steinmeier hinzu. Dies zeige, wie fragil die Situation sei.

Die unterschiedliche Bewertung der Lage in der Ukraine sorgte schon zu Beginn der Debatte für Unruhe. Dieter Dehm (Die Linke) kritisierte vehement die ukrainische Führung. Vier der amtierenden Minister seien "lupenreine Faschisten" sagte er. Das gleiche gelte für den Generalstaatsanwalt, der zwar von Poroschenko abberufen worden sei, "hernach aber sofort zum Präsidentenberater gemacht wurde". Außerdem seien mehrere Holocaust-Gedenktage abgesagt und Rabbiner auf offener Straße verprügelt worden. "Darüber darf ein Antifaschist ja wohl wütend werden", befand Dehm, erntete aber Proteste von allen Seiten.

Manfred Grund (CDU) nannte es "schwer erträglich", wie der Begriff des Faschismus relativiert und jedes Ereignis, jede Bewegung, die den Linken nicht passe, mit "faschistisch" etikettiert werde. Ähnlich argumentierte der Außenminister. Niemand habe behauptet, "dass es auf dem Maidan keinen rechten Sektor gab", sagte Steinmeier. "Sie machen es sich aber zu einfach, indem sie die gesamte politische Führung des Landes zu Faschisten erklären", sagte Steinmeier.

Auch die Fraktion der Grünen stelle nicht in Abrede, dass es in der Ukraine Faschisten gebe, sagte Nouripour. Aber: "Wir sind nicht bereit, alle in die gleiche Ecke zu stellen und zu behaupten, dass alle Faschisten sind, die dort die Macht an sich gerissen haben", betonte er.

Für die bisherige Arbeit des Außenministers fand Nouripour auch abseits des Einsatzes als Krisendiplomat Anerkennung. So sei es zu begrüßen, dass Steinmeier mit dem Review-Prozess einen sehr guten Prozess angestoßen habe, "um noch einmal genau zu überprüfen, was in der deutschen Außenpolitik anders werden muss und wo wir stehen". Dass jedoch nach wie vor keine Evaluation des Afghanistans-Einsatzes geplant sei, "ist kein optimistisches Zeichen".

Mit Blick auf den Irak forderte Nouripour mehr Engagement durch die deutsche Außenpolitik. "Gerade weil wir 2003 bei dem Einsatz, den die Amerikaner begonnen und bei dem sie so viel falsch und kaputt gemacht haben, nicht dabei waren, und gerade weil Ministerpräsident Nuri al-Maliki in den letzten drei Jahren alles getan hat, um die Keime der Dynamik und der Hoffnung im Irak zu zerstören, finden wir in diesem Land anders Gehör und besitzen eine andere Glaubwürdigkeit", sagte er und fügte hinzu: "Ich frage mich aber, wo die Stimme erhoben wird, um Druck zu machen und dafür zu sorgen, dass die nächste Regierung im Irak auf die Belange der Sunniten anders eingeht."

Außenminister Steinmeiner habe im Zusammenhang mit der Irak-Krise auch mit den Kurden gesprochen, was er sehr begrüße, sagte der Unionsaußenpolitiker Philipp Mißfelder. Er kritisierte die Haltung Malikis, der sich weigere, eine Einheitsregierung zu bilden. "Ich halte es für einen sehr großen Fehler, die Sunniten systematisch von der Macht fernzuhalten und die Kurden systematisch an den Rand zu drängen", sagte Mißfelder.

Ausgabenplus

Der mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen verabschiedete Haushalt (18/1024) in der vom Haushaltsausschuss beschlossenen Fassung sieht für den Bereich der Außenpolitik im Jahr 2014 Ausgaben in Höhe von 3,64 Milliarden Euro vor - rund 152,46 Millionen Euro mehr als 2013 von der alten und 4,81 Millionen Euro mehr als von der aktuellen Bundesregierung vorgesehen wurden.

Mehr als ein Drittel der Gesamtausgaben entfallen auf das Kapitel "Sicherung von Frieden und Stabilität". Es soll 2014 ein finanzielles Volumen in Höhe von rund 1,48 Milliarden Euro umfassen. Das bedeutet einen Ausgabenanstieg um 120,35 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr. Allein für humanitäre Hilfe und Krisenprävention sind 398,2 Millionen Euro vorgesehen - gut zwei Millionen Euro mehr als im Regierungsentwurf vorgesehen waren. Im Rahmen der Haushaltsberatungen wurde zudem ein leichter Zuwachs für die allgemeine Auslandskulturarbeit erreicht, für die nun 89,59 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Einen weiteren Akzent setzte der Haushaltsausschuss mit einer Aufstockung bei den "Ausbildungspartnerschaften" zur beruflichen Ausbildungsförderung.

Im Rahmen der Transformationspartnerschaften unterstützt das Auswärtige Amt in diesem Jahr Reformprozesse in Nordafrika und im Nahen Osten in Höhe von rund 37,8 Millionen Euro. Das bedeutet einen Aufwuchs von mehr als 20 Prozent, nämlich um 8,12 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr. Auch für Demokratisierungs- und Ausstattungshilfe und Maßnahmen zur Förderung der Menschenrechte ist mehr Geld eingeplant: rund 22,8 Millionen Euro und damit 2,8 Millionen Euro mehr als 2013.

In der Einzelplanberatung hatten die Koalitionsfraktionen elf Änderungsanträge sowie einen interfraktionellen Antrag gemeinsam mit den Grünen vorgelegt, die schlussendlich auch Eingang in die Beratungen gefunden hatten. Die Linksfraktion brachte es auf zehn, die Fraktion der Grünen auf 15 Änderungsanträge, die jedoch allesamt keine Mehrheit fanden.