Ökonomie Kurz vor dem Mauerfall stand die DDR vor dem Ruin - und einem ökologischen Desaster
Die DDR war eine der zehn wirtschaftsstärksten Industrienationen der Welt. So sagten es ihre offiziellen Statistiken, und so glaubte man es weithin auch im Westen. Wesentlich näher kam der Wahrheit, was Günter Mittag, in der SED-Führung für Wirtschaft zuständig, 1991 in einem "Spiegel"-Interview sagte: "Ohne die Wiedervereinigung wäre die DDR einer ökonomischen Katastrophe mit unabsehbaren…
Matthias Platzeck Für Brandenburgs späteren Ministerpräsidenten waren Umweltzerstörungen ein Grund für den Protest gegen das System
Dieses Land war an seinem Ende, das konnte man spüren: Wenn man die Luft atmete, sich den Zustand der Flüsse oder die Beschaffenheit der Böden anschaute. Es gab in der DDR eine junge Generation , die in dem Glauben aufgewachsen war, dass auf Flüssen Schaumkronen obendrauf sein müssten. Dass es früher einmal möglich gewesen war, in Elbe und Oder zu baden, das war für sie unvorstellbar.…
OSTBLOCK Den Reformkurs von Polen und Ungarn sah die SED 1989 mit Verdruss
Als am 6. Februar 1989 im Säulensaal des Warschauer Palais Radziwill, dem damaligen Sitz des polnischen Ministerrates, knapp fünf Dutzend Personen an einem riesigen, aus Lindenholz gefertigten runden Tisch Platz nahmen, ahnte wohl keiner der Teilnehmer, dass dieser Tag in die Geschichtsbücher eingehen würde. Zum ersten Mal kamen in einem Land des Warschauer Paktes Vertreter der kommunistischen…
WERNER SCHULZ Der spätere Grünen-Politiker wollte seine Heimat trotz vieler Enttäuschungen nicht verlassen. 1990 wurde er Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer
Die Entwicklung in den "sozialistischen Bruderstaaten" haben wir immer aufmerksam verfolgt - wir lebten ja in der ständigen Hoffnung, dass es von dort Impulse für Reformen geben würde. Denn die DDR war eine Lüge mit drei Buchstaben und in Wirklichkeit ein demagogisches Regime. Restlos bewusst wurde mir das 1968. Ich hatte im Mai Abitur gemacht und war dann im Juli mit Freunden nach Prag…
ausreisewelle Die ungarische Regierung riss das erste Loch in den Eisernen Vorhang - die Massenflucht aus der DDR begann
Mai 1989. "Hier ist auch Deutschland", empört sich der Gastgeber, als dem Besuch aus dem Westen ein "morgen geht es schon wieder zurück nach Deutschland" herausrutscht. Das gesamtdeutsche Empfinden, Meinungsumfragen bestätigen das später, ist im Osten stärker ausgeprägt als im Westen. Für das SED-Regime ist das seit jeher ein erhebliches Problem. Denn sehr viel mehr DDR-Bürger als Bürger…
KARAMBA DIABY Erst vier Jahre in der DDR, muss der junge Student aus dem Senegal feststellen, dass viele Bürger das Land verlassen wollen
Im Oktober 1985 bin ich in die DDR gekommen. Erst zum Sprachkurs nach Leipzig und dann im Sommer 1986 zum Chemiestudium nach Halle. In den ersten Jahren konnte ich die Entwicklungen in der DDR noch nicht so richtig einordnen. Ich selbst verspürte eine große Zufriedenheit und Dankbarkeit für die Chance, die ich erhalten hatte, in mir. Als Waisenkind habe ich mir zuvor mit meinem Bruder dessen…
MACHTKAMPF Demonstranten erzwingen im Herbst 1989 den Rückzug der SED-Regierungselite
Wut, Verzweiflung, Frust und Angst: Erich Honecker kann an diesem Montag die Emotionen der Menschen nicht nur sehen, er kann sie auch hören. Auf Monitoren beobachtet er am 16. Oktober 1989 vom Lagezentrum des DDR-Innenministeriums in Berlin aus, wie etwa 120.000 Demonstranten durch Leipzig ziehen. Sie fordern freie Wahlen, Reise- und Pressefreiheit. Ein System aus Mikrofonen, Kabeln und…
9. NOVEMBER Am Morgen dieses Donnerstags des Jahres 1989 ahnt noch kein Mensch, dass sich die Tore in der Berliner Mauer noch vor Mitternacht öffnen werden
Dialog kurz vor Mitternacht, Donnerstag 9. November 1989, Berlin-Pankow, Schönhauser Allee. "Na, wo wollt ihr denn hin?", fragt ein älterer Herr zwei Jugendliche, die ihn fast umrennen. "Zur Bornholmer Straße."- "Und was wollt ihr da?" - "Mensch Opa, die Bretter sind weg! Die Bretter sind weg! Auf zum Kurfürstendamm. 28 Jahre habe ich darauf gewartet!" - "Wie alt bist du?" - "26". In dieser…
VERA LENGSFELD Der Tag des Mauerfalls
Am Morgen des 9. November bin ich in die DDR zurückgekehrt. Im Januar 1988 war ich auf dem Weg zur Liebknecht-Luxemburg-Demonstration in Ost-Berlin verhaftet worden - wegen "versuchter Zusammenrottung". Man verurteilte mich zu sechs Monaten Haft, die ich aber nicht absitzen musste, weil ich der Abschiebung ins westliche Ausland zugestimmt hatte. Ein Jahr sollte ich außerhalb der DDR…
VOLKSKAMMER Mitte November verliert die SED im DDR-Parlament überraschend den Rückhalt der Blockparteien
Es gibt Momente, in denen sich historische Entwicklungen wie unter einem Brennglas bündeln. Solch einen Moment kann man am Nachmittag des 13. November 1989 im Ost-Berliner Palast der Republik erleben. Im Saal der Volkskammer tritt Erich Mielke ans Rednerpult. Der 81-Jährige ist nicht nur Chef des mächtigen DDR-Staatssicherheitsdienstes, sondern auch Abgeordneter. Und als solcher drängt es ihn…
KÄTE NIEDERKIRCHNER Die langjährige Volkskammer-Abgeordnete wurde nach der Wende zur Abwicklerin von SED und Politbüro
Ich war 23 Jahre lang Mitglied der Volkskammer. Wir waren damals keine Berufspolitiker, wir hatten alle neben dem Mandat noch unsere Arbeit. Und wir durften uns nur wählen lassen, wenn unsere Kollegen zustimmten - die mussten nämlich in der Zeit, in der wir politisch unterwegs waren, unsere Aufgaben mit erledigen. Deshalb mussten die vorher sagen, ob sie dazu bereit waren. Für mich war die…
Runde Tische Ab Dezember 1989 ging nichts mehr ohne sie
Die Auffassungen über die Runden Tische, ihre Funktionen, Erfolge und Grenzen gehen nach wie vor weit auseinander. Für den Politikwissenschaftler und Beobachter des Zentralen Runden Tisches der DDR, Uwe Thaysen, stellten sie einen "Faktor der europäischen Demokratisierungsgeschichte 1989/90" dar. Ehemalige Protagonisten dagegen charakterisieren die Runden Tische mitunter als "Kaffeekränzchen"…
ANGELIKA BARBE Als Gründungsmitglied der SDP am Zentralen Runden Tisch
Ich habe mich in den 1980er Jahren in verschiedenen oppositionellen Gruppen in Ost-Berlin engagiert und dann zu den Gründungsmitgliedern der SDP in der DDR gehört. Als Vorstandsmitglied der SDP arbeitete ich zeitweise am Zentralen Runden Tisch mit. Zum ersten Mal trafen wir uns am 7. Dezember 1989. Wir gingen an die Arbeit mit dem gemeinsamen Ziel: die Herrschaft der SED zu brechen sowie freie…
GEHEIMDIENST Besetzungen und Bürgerkomitees erzwangen das Ende des Ministeriums für Staatssicherheit
Nach fast 60 Jahren Kampf an allen möglichen Fronten gibt sich Stasi-Chef Erich Mielke am 17. Oktober 1989 in der SED-Politbürositzung geschlagen: "Wir können doch nicht anfangen, mit Panzern zu schießen." Als er am 13. November 1989 seine berühmte Volkskammerrede hielt und erklärte, doch alle zu lieben, begann auch das MfS auseinanderzubrechen. Heftig verunsichert waren die Mitarbeiter…
WAHLKAMPF Nach dem Mauerfall mischte die Bonner Politik im Osten kräftig mit
Am 6. November 1989, drei Tage vor dem überraschenden Mauerfall, reiste Alexander Schalck-Golodkowski nach Bonn, um im Auftrag von SED-Generalsekretär Egon Krenz mit der Bundesregierung über Finanzhilfen für die vor der Zahlungsunfähigkeit stehende DDR zu verhandeln. Im Gespräch mit Kanzleramtsminister Rudolf Seiters und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) ersuchte der Chef des…
PETRA BLÄSS 1990 wurde sie überraschend Vorsitzende der Wahlkommission bei der Volkskammer-Wahl. Für deren Organisation blieb knapp ein Monat Zeit
Als 25-Jährige der Wahlkommission bei den Volksammer-Wahlen 1990 vorzusitzen, war schon eine verrückte Sache. Verrückt - wie die ganze Zeit damals. Laut Wahlgesetz konnte jede der an der Wahl teilnehmenden 25 Parteien oder Bewegungen zwei Personen in die Zentrale Wahlkommission entsenden. Ich war damals Mitglied beim frisch gegründeten Unabhängigen Frauenverband (UFV), der sich in einer…
19.1.1989 SED-Generalsekretär Erich Honecker erklärt, die Mauer werde "in 50 und auch in 100 Jahren noch bestehen bleiben, wenn die dazu vorhandenen Gründe noch nicht beseitigt sind". 6.2.1989…
23.8.1989 Die bundesdeutsche Botschaft in Prag wird wegen Überfüllung geschlossen. Hunderte weiterer Flüchtlinge klettern über den Zaun in den Garten der Botschaft. 24.8.1989 Mit Hilfe des…
16.10.1989 Erneute Großdemonstration in Leipzig mit diesmal mehr als 100.000 Menschen. Erstmals wird im DDR-Fernsehen über die Massenproteste berichtet. 17./18.10.1989 Der Machtkampf im…
11./12.11.1989 Am ersten Wochenende nach der Grenzöffnung besuchen schätzungsweise zwei Millionen DDR-Bürger West-Berlin; eine weitere Million passiert die innerdeutsche Grenze. 13.11.1989 In…
28.1.1990 Modrow und die am "Runden Tisch" vertretenen Parteien und Gruppierungen vereinbaren die Bildung einer gemeinsamen "Regierung der nationalen Verantwortung" sowie die Vorverlegung der…