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Parlamentarisches Profil
Götz Hausding
Der Nachrücker: Tobias Lindner

Braucht die Bundeswehr angesichts der Vielzahl an Krisen in der Welt mehr Geld? Tobias Lindner, Haushaltspolitiker und Berichterstatter der Grünen für den Wehretat, beantwortet die Frage mit einem klaren Nein. Erst im vergangenen Jahr habe schließlich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) 1,5 Milliarden Euro an nicht verbrauchten Haushaltsmitteln an den Finanzminister zurückgegeben. „Es mangelt der Bundeswehr nicht an Geld. Sie hat eher ein Problem beim Umgang damit“, lautet die Einschätzung Lindners. Mehr Geld auszugeben als die Bundesregierung derzeit plant, ist für den 32-jährigen Volkswirt jedoch kein Tabu. „Die Krisen werden uns Geld kosten. Vor allem bei der humanitären Hilfe“, sagt er.

Einer der aktuellen Krisenherde ist der Irak. Die Bundesregierung will sich mit Waffenlieferungen am Kampf gegen die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ beteiligen. Die Grünen-Fraktion stimmte dem nicht zu. „Im Irak fehlt es nicht an Waffen“, sagt Lindner und verweist auf die Problematik des möglichen Missbrauchs der gelieferten Waffen. Als Plädoyer für ein Nichtstun und Wegschauen sei dies jedoch nicht zu verstehen, betont der Grünen-Politiker. Seiner Ansicht nach sollten sich die Vereinten Nationen mit dem Thema befassen. „Wenn es einen UN-Beschluss geben sollte, etwas zu unternehmen, darf sich auch Deutschland dem nicht entziehen. Das gilt für die Lieferung von Waffen, für die Aufnahme von Flüchtlingen sowieso, aber in letzter Konsequenz auch für einen eventuellen militärischen Beitrag, wenn die internationale Gemeinschaft das für unabdingbar hält“, fordert der 32-Jährige.

Die Vielzahl der Krisen derzeit könnte auch Einfluss auf die europäische Verteidigungspolitik der Zukunft haben, glaubt er. Stichwort: Pooling und Sharing, die Zusammenlegung und gemeinsame Nutzung militärischer Fähigkeiten. „Eine Debatte, die ich bislang als sehr theoretisch erlebt habe: Jeder ist irgendwie dafür – wenn es konkret wird, sind die Beharrungskräfte aber sehr groߓ, findet Lindner. In Deutschland habe das mit dem Parlamentsvorbehalt zu tun. „Eine der wichtigsten Errungenschaften des Bundestages.“ Doch auch bei den Europäischen Partnern gelten Außen- und Sicherheitspolitik als konstituierende Elemente eines Staates. „Es wird sich zeigen, ob die Staaten bereit sind, hier etwas abzugeben. Ich glaube, die derzeitige Multikrisensituation treibt das voran. Jedes Land erkennt, dass es allein militärisch nichts mehr ausrichten kann“, sagt der Grünen-Politiker, der nicht nur Obmann im Haushaltsausschuss, sondern auch Mitglied des Verteidigungsausschusses ist.

Und das, obwohl er erst seit Juni 2011 Bundestagsabgeordneter ist. Oder vielleicht auch gerade deswegen. Als „Nach-Nach-Nachrücker“ für Ulrike Höfken, die Umweltministerin in Rheinland-Pfalz wurde, kam Lindner in den Bundestag. Nachdem zwei eigentlich vorgesehene Grünen-Politiker auf den Schritt nach Berlin verzichtet hatten. Lindner, promovierter Volkswirt, ging sofort in den Haushaltsausschuss und übernahm den Platz des ebenfalls aus dem Parlament ausgeschiedenen Alexander Bonde. „Als Neuer im Ausschuss wurde mir der Verteidigungsetat zugewiesen“, erinnert sich Lindner. Einmal mit der Materie vertraut, wurde er von seiner Fraktion in den Euro-Hawk-Untersuchungsausschuss geschickt. Zum Dank für erfolgreiches Wirken dort nun also der Verteidigungsausschuss. „Da gibt es ganz gute Synergieeffekte mit dem Haushaltsausschuss“, findet er.

Ambitionen für Positionen ganz oben hatte Tobias Lindner schon als 18-jähriger Jungspund. „Damals wollte ich Berufspolitiker werden, am liebsten Bundeskanzler.“ Zwei Jahre später aber sah das schon ganz anders aus. Lindner studierte und plante ein ganz normales Berufsleben. Nebenbei machte er Kommunalpolitik – zuletzt als Mitglied des Kreistages Germersheim. Sein Zwischenfazit nach drei Jahren Bundestag: „Ich mache die Arbeit gerne und will sie auch gerne weitermachen. Aber wer mit 29 Jahren in den Bundestag kommt, sollte nicht mit 79 wieder herausgetragen werden.“ Götz Hausding

Aus Politik und Zeitgeschichte

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