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Medienworkshop : Sie haken nach

Nachwuchsreporter im Parlament

13.10.2014
2023-08-30T12:26:21.7200Z
4 Min

Es ist eine unübliche Gemengelage an diesem sonnigen Spätnachmittag im Europasaal im Paul-Löbe-Haus. Normalerweise haben hier die Mitglieder des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union das Sagen. Sie stellen Fragen an Gäste. Sie haken nach, wenn ihnen die Antworten nicht passen. Doch nicht an diesem Tag. 30 Jugendliche, Teilnehmer eines Workshops der Jugendpresse Deutschland (JPD), löchern die Vertreter aller Fraktionen mit Fragen. Daran sind gewählte Abgeordnete natürlich gewöhnt. Routiniert beantworten die Politiker Fragen zur Bedeutung der EU: „Offene Grenzen“, „Friedensprojekt“, „Freiheit ist das A und O“, „Wertegemeinschaft“, „Historische Erfahrungen“ – es herrscht fast parteiübergreifende Einigkeit. Doch die 16- bis 20-jährigen Nachwuchsjournalisten wissen, wo sie ansetzen müssen. Das Freihandelsabkommen TTIP? Beitrittsperspektive der Türkei? Gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik? Nun werden die Antworten pointiert, die Spitzen gegen die Kollegen der Regierungs- beziehungsweise Oppositionsparteien deutlicher. Die Jugendlichen können zufrieden sein: Sie haben ihre Zitate im Block.

Bereits zum elften Mal veranstaltet die JPD in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bundestag und der Bundeszentrale für politische Bildung den Jugendmedienworkshop, der vergangene Woche stattfand. Das Ziel, das die Jungschreiber mit der Veranstaltung verfolgen, ist klar: „Wir wollen den Teilnehmern den Arbeitsalltag von Journalisten im politischen Berlin nahebringen und das passende Handwerkszeug vermitteln“, erklärt Projektleiterin Bianca Schmalz. Auch ein spannendes Thema hat die JPD ausgewählt: „Generation Grenzenlos – welche Chancen eröffnet uns Europa?“ Anlass sei die Europawahl gewesen, doch das Thema sei bewusst allgemeiner angelegt. „Wir sind ja die ‚Generation Grenzenlos‘“, sagt die 28-Jährige und betont: „Es ist wichtig, dass sich junge Journalisten mit Europa auseinandersetzen und das Thema präsent haben.“

Mehr als 80 Bewerber Um einen der Plätze zu ergattern, mussten sich die Teilnehmer bereits im Vorfeld ins Zeug legen. Es galt, einen Beitrag zum Veranstaltungsmotto zu verfassen. Mehr als 80 Einsendungen kamen zusammen. „Wir haben viele tolle Bewerbungen bekommen“, berichtet die Projektleiterin. Darunter seien beispielsweise viele persönliche Geschichten gewesen. Viel Arbeit für die Jury also, die sich nach intensiven Diskussionen schließlich für die 30 besten Bewerber entschied. Einer von ihnen ist Paul Meuleneers. In seinem Bewerbungsbeitrag hatte sich der Student der Germanistik und Politikwissenschaft mit der Frage der Grenzen in Europa beschäftig. So sei es zwar so, dass viele alte Grenzen nicht mehr existieren, aber „die immateriellen Grenzen sind stärker geworden“, sagt der 20-Jährige etwa mit Blick auf die Außengrenzen der Europäischen Union.

Sieben Tage umfasst das fordernde Programm in Berlin. Termin folgt auf Termin. Das heißt, frühmorgens aufstehen, durch Berlin eilen, abends noch Redaktionssitzung und natürlich schreiben. Schließlich soll am Ende ein eigenes Magazin entstehen. 28 Seiten sind mit Inhalt zu füllen. Bereits im Vorfeld hatten sich die Teilnehmer auf Themen verständigt und sich vorbereitet. Nun heißt es, recherchieren, Infos aufsaugen, Fragen stellen. So etwa im Bundestag: Eine Einführung in die Pressearbeit des Parlaments wird absolviert, die Plenardebatte zum Thema BAföG besucht. Dazu gibt es einen privilegierten Blick hinter die Kulissen: Bundestagsvizepräsidentin Edelgard Bulmahn (SPD), Schirmherrin der Veranstaltung, lädt zum Essen in die Räumlichkeiten der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft ein. Da kommen Journalisten eigentlich sonst nicht rein. In Gesprächen mit Mitgliedern des Bundestages lernen die Nachwuchsjournalisten politische Arbeit aus erster Hand kennen. Auf „Recherche-Streifzügen“ zu den Aspekten „Grenzenlose Mobilität“, „Grenzlose europäische Identität“ und „Grenzenlose EU“ treffen die Teilnehmer auf Experten außerhalb des Bundestags, um mit ihnen zu diskutieren. Paul Meuleneers zum Beispiel hat sich – passend zu seinem Bewerbungsbeitrag – für den Themenstrang Geflüchtete und Asyl entschieden. „Das Gespräch mit einem Aktivisten der Organisation ‚Jugendliche Ohne Grenzen‘ war sehr eindrucksvoll“, sagt der Student aus Münster.

Spannende Gespräche „Das Programm ist zeitlich anspruchsvoll. Wir bekommen sehr viel Input und müssen dann für Output sorgen“, berichtet Workshop-Teilnehmer Adrian Arab und fügt angesichts der prallgefüllten Agenda mit Understatement hinzu: „Langeweile kommt nicht auf.“ Das Spannende seien die verschiedenen Perspektiven auf dasselbe Thema, die sich aus Gesprächen mit Politikern und Experten ergäben. Der Schüler der Europaschule aus dem nordrhein-westfälischen Bornheim interessiert sich brennend für Politik und ist selbst in einer parteinahen Jugendorganisation aktiv. Engagement auch im Journalismus sei wichtig, schließlich sei die Presse die vierte Gewalt im Staat.

Auch der Alltag des Politikjournalismus kommt während des Workshops nicht zu kurz: Christoph Strack von der Deutschen Welle steht zum Gespräch bereit; die Redaktionen von „Bild“, „Zeit Online“ und anderen öffnen ihre Türe und lassen die Teilnehmer hospitieren. Ein Besuch bei der Bundespressekonferenz gehört auch dazu – just an jenem Tag, an dem sich Regierungssprecher Steffen Seibert mit Fragen zu den Kohl-Zitaten herumschlagen muss.

Natürlich fallen den Nachwuchsjournalisten auch die Tricks und Kniffe auf, derer sich Politiker gegenüber Journalisten bedienen: „Fragen, die nicht gefallen, werden nicht wirklich beantwortet“, berichtet der 17-Jährige Arab. Doch das Gesamtbild ist positiv: „Es ist wirklich sehr spannend und abwechslungsreich“, lobt Meuleneers. Auch dass sich gerade die Abgeordneten während der Sitzungswoche Zeit für die Jungjournalisten nehmen, sei bemerkenswert. Nicht nur das: „Sie haben uns als ganz normale Journalisten akzeptiert“, freut sich Arab. Lob gibt es auch für die Teilnehmer „Sie sind total motiviert, engagiert und hinter ihren Themen her“, sagt Projektleiterin Schmalz. Bis tief in die Nacht arbeiteten die Nachwuchsjournalisten an ihren Artikeln – „und stehen dann trotzdem um 7.30 Uhr auf der Matte“. Auch was ihre journalistischen Fähigkeiten angeht, ist Schmalz begeistert: „Die sind richtig fit.“