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Usa : Sie müssen reden

Nach ihrem Siegeszug bei den Kongresswahlen muss Barack Obama auf die Republikaner zugehen

10.11.2014
2023-08-30T12:26:22.7200Z
3 Min

Nach dem Wahl-Debakel seiner demokratischen Partei bedient sich Barack Obama vorläufig einer Mischung aus Kampfansage und Weiße-Fahne-Hissen, um unter radikal veränderten Machtverhältnissen im Kongress seine Position neu zu bestimmen. Der US-Präsident signalisierte den auf der ganzen Linie erfolgreichen Republikanern im Kongress einerseits Gesprächsbereitschaft und Kooperationswillen. Andererseits zog Obama rote Linien und kündigte unmissverständlich an, von seinem Veto-Recht Gebrauch zu machen – sollten die Konservativen für ihn unannehmbare Gesetzesinitiativen vorlegen oder wie im Wahlkampf angekündigt zentrale Projekte wie die Gesundheitsreform („Obamacare“) zu kippen versuchen. Beobachter in Washington sind darum eher skeptisch, ob sich an der lähmenden Frontstellung zwischen Weißem Haus und dem Parlament auf Capitol Hill in den letzten beiden Amtsjahren Obamas grundsätzlich etwas ändern wird.

Bei der mit 3,6 Milliarden Dollar bislang teuersten Zwischenwahl („midterms“) haben die Republikaner ihre Mehrheit im 435-köpfigen Repräsentantenhaus ausgebaut. Dort sitzen jetzt mit bis zu 250 so viele „rote“ Abgeordnete wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Durch Siege in den Bundesstaaten Arkansas, Montana, Colorado, West Virginia, South Dakota, Iowa und North Carolina haben die Konservativen zudem nach acht Jahren die Mehrheit im 100 Sitze bietenden Senat von den Demokraten zurückerobert. Sie geben dort künftig mit mindestens 52 Stimmen den Ton an, haben aber nicht die letztlich alles entscheidende Mehrheit von 60 Stimmen. Bis zur Stichwahl in Louisiana am 6. Dezember, die das amtliche Endergebnis der Zwischenwahlen verzögert, können noch zwei Mandate dazukommen.

Pannen Die Konservativen haben nach Ansicht von Demoskopen ihren Erfolg nicht eigener Stärke zu verdanken. Ihr Ansehen liegt in Umfragen noch unter dem des Präsidenten. Allgemeiner Überdruss in der Bevölkerung über die lähmende Unproduktivität des parlamentarischen Betriebs in Washington gab den Ausschlag. Adressat trotz positiver wirtschaftlicher Eckdaten: Barack Obama. Fehler und Unbeständigkeiten in der Regierungspolitik – von der holprigen Etablierung der Gesundheitsreform bis hin zu Secret-Service-Pannen und die schlechte Behandlung von Kriegsveteranen – sowie außenpolitische Schwächesymptome in der Ukraine wie in Syrien machten Obama zur Zielscheibe. Der Präsident als wichtigster politischer Spielgestalter gerät durch die Niederlage der Demokraten unter doppelte Manndeckung. Die Republikaner können ab Januar 2015 in beiden Kammern des Parlaments nach Belieben Gesetze anschieben. Obama bleibt nur das präsidiale Veto oder das Initiativ-Recht.

Um den Eindruck einer nahtlosen Fortführung der wechselseitigen Blockaden zu vermeiden, stimmte Mitch McConnell, der designierte Mehrheitsführer im Senat, versöhnliche Töne an. Der 72-jährige Politiker aus Kentucky kündigte an, dass es mit ihm keine Wiederholung der seinerzeit von ihm mitgetragenen destruktiven Politik geben wird, die Amerika 2013 an den Rand der Zahlungsunfähigkeit brachte und zum vorübergehenden Stopp der Regierungsgeschäfte („government shutdown“) führte. McConnells Worte wurden als Kampfansage an die innerparteilichen Radikalen um den texanischen Senator Ted Cruz gewertet, die weiter auf Kompromisslosigkeit setzen.

Die erste große Bewährungsprobe für das beiderseitige Bekenntnis zur Kooperation steht unmittelbar bevor. Obama will bis Jahresende die von den Republikanern bislang torpedierte Einwanderungsreform im Alleingang vorantreiben. Das Gesetz sieht die nachträgliche Legalisierung eines großen Teils der zwölf Millionen Immigranten vor, die abseits der vorgegebenen Pfade in die USA gekommen sind. McConnell wertete den Fingerzeig des Präsidenten als schädlich für den Aufbau neuen Vertrauens. „Das würden den Brunnen vergiften.“

Nach ersten Einschätzungen könnten sich Republikaner und Demokraten zügig bei einer Unternehmenssteuerreform einig werden. Sie gilt im internationalen Vergleich als zu hoch. Dass Straßen, Brücken, Häfen, Wasserwege und Schulen modernisiert werden müssen, ist ebenfalls Konsens. Bei dem in Europa stark umstrittenen Handelsabkommen TTIP sind die Republikaner auch kein Hindernis. Obamas Eintreten für einen substanziell höheren gesetzlichen Mindestlohn, eine Ausweitung der Gesundheitsreform, die Reduzierung von Treibhausgas-intensiver Industrie und sein Lavieren um den Bau der Öl-Pipeline Keystone XL sind den Konservativen dagegen ein Dorn im Auge. Außenpolitisch kann der neue Kongress dem Präsidenten weh tun, wenn es darum geht, einen Kompromiss mit dem Iran in der Atomfrage abzunicken. Eine Lockerung der Wirtschaftssanktionen, die der Westen Teheran für den Fall eines nachweisbaren Verzichts auf eine militärische Nutzung der Kernenergie versprochen hat, ist unter Republikanern unpopulär. Bei allen Bemühungen um Konsens drängt die Zeit. Im Sommer 2015 beginnt der Wahlkampf um die Präsidentschaft 2016. Dann werden aller Erfahrung nach die Gräben in Washington unüberwindbar breit.

Der Autor ist USA-Korrespondent der Funke Mediengruppe.