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Finanzen : Ende der Flucht

Ein internationaler Vertrag legt die meisten Steueroasen trocken. Kapitalerträge werden gemeldet

10.11.2014
2023-08-30T12:26:23.7200Z
3 Min

Rund 100 Milliarden Euro gehen dem deutschen Staat jedes Jahr nach Schätzungen durch Steuerhinterziehung verloren – Geld, das für wichtige Aufgaben wie Bildung und Ausbau der Infrastruktur dringend gebraucht würde. Dem Verschieben von Vermögen per Knopfdruck in andere Länder und damit der Vermeidung von Steuern soll bald ein Riegel vorgeschoben werden. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stellte am Donnerstag im Bundestag die von 52 Staaten und Gebieten unterzeichnete Vereinbarung vor, nach der die Steuerbehörden ab 2017 wichtige Konto- und Steuerdaten untereinander in einem automatisierten Verfahren austauschen werden. „Das ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen internationale Steuerhinterziehung“, stellte der Finanzminister fest.

Schweiz auch dabei Die Länder, die sich an dem Informationsaustausch beteiligen, „stehen als Fluchtort für Kapitalvermögen nicht mehr zur Verfügung“, freute sich Schäuble und sagte: „Steuerhinterziehung wird unattraktiver.“ Er kündigte an, dass sich bis zu 100 Staaten, darunter die Schweiz, der Vereinbarung anschließen würden. Damit würden im Ausland lagernde Kapitalvermögen einer Besteuerung im Inland zugeführt. Besitzer großer Vermögen dürften sich nicht der Besteuerung entziehen können. Schäuble verteidigte die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige, die die Große Koalition zwar einschränken, aber nicht ganz abschaffen will.

Zu Forderungen, nach der Einigung auf den Informationsaustausch die in Deutschland auf Kapitalerträge erhobene Abgeltungssteuer von 25 Prozent durch eine individuelle Besteuerung zu ersetzen, sagte Schäuble, wenn der Informationsaustausch 2017 eingeführt sei, könne man die Argumente überprüfen, aber er rate bis dahin zur Zurückhaltung: „Wenn man den zweiten Schritt vor dem ersten geht, gerät man leicht ins Stolpern.“

Damit stieß der Minister auf scharfen Widerspruch der Opposition. Die Abgeltungssteuer gehöre schleunigst abgeschafft, forderte Sahra Wagenknecht (Linke). „Keine Bundesregierung hat auch nur das Mindeste an der skandalösen Situation geändert, dass wie in alten feudalen Zeiten die Reichsten der Reichen kaum noch Steuern zahlen, während bei denjenigen, die hart arbeiten, der Fiskus gnadenlos zuschlägt.“ Daran werde auch die neue Vereinbarung nichts ändern. So habe Panama, wo sich bereits die größten Namen der Finanzbranche und Reiche niedergelassen hätten, die Vereinbarung nicht unterschrieben. Und auch der US-Bundesstaat Delaware bleibe Steueroase für ausländische Steuerflüchtlinge. „Das Ganze ist eher ein Konjunkturprogramm für die Nadelstreifen-Mafia“, kritisierte Wagenknecht.

Carsten Schneider (SPD) würdigte das Abkommen über den Informationsaustausch: „Dass das gelingt, hätte ich mir vor wenigen Jahren nicht vorstellen können. Deshalb ist das ein großer Schritt.“ Schneider begrüßte auch die geplanten Maßnahmen zur Einschränkung der strafbefreienden Selbstanzeige. Die Abgeltungsteuer werde spätestens dann geändert, wenn der automatische Informationsaustausch kommt: „Unser Ziel als Sozialdemokraten ist, dass das Einkommen aus Arbeit genauso besteuert werden muss wie das Einkommen aus Vermögen.“ Wie Wagenknecht kritisierte auch Schneider die Steuervermeidungsstrategien großer Konzerne in Luxemburg und anderen Ländern: „Legal ist noch lange nicht moralisch korrekt.“ Er forderte, Gewinne dort zu versteuern, wo sie entstehen.

„Steuerhinterziehung untergräbt den Zusammenhalt in der Gesellschaft“, kritisierte Kerstin Andreae (Grüne). Es entstehe das Gefühl, die einen würden für Infrastruktur und Gemeinwesen zahlen und die anderen würden es nicht tun. „Das ist nicht nur ein Gefühl, sondern Tatsache.“ Sie verlangte eine Änderung der Kapitalbesteuerung in Deutschland. Die Abgeltungssteuer müsse abgeschafft werden: „Raus aus der Anonymität.“ Außerdem müssten unfaire Steuerpraktiken abgeschafft werden. Es sei ein Gebot der Gerechtigkeit: Wer von seinem Vermögen lebe, solle nicht besser gestellt werden als jemand, der einer Arbeit nachgehe. Dass es so hohe Steuerausfälle gebe, liege auch an der niedrigen Besteuerung für Lizenzen und Patente (sogenannte Lizenzboxen) im europäischen Ausland. Diese Steuergestaltungsmöglichkeiten müssten beendet und dürften keinesfalls im Inland eingeführt werden.

Wenn die Opposition sage, Bezieher von Kapitaleinkünften sollten nicht anders und nicht besser behandelt werden, dann dürfe man sie auch nicht schlechter behandeln, konterte Ralph Brinkhaus (CDU). Er erinnerte daran, dass die Grünen den Kapitaleigentümern mit Vermögensteuer und Vermögensabgabe ganz tief in die Tasche greifen wollen. Die Vereinbarung zum Informationsaustausch bezeichnete Brinkhaus als „Meilenstein“.