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EUROPA : Die 28-Milliarden-Lücke

Wegen offener Rechnungen drohen die Verhandlungen über den EU-Haushalt 2015 zu scheitern

01.12.2014
2023-08-30T12:26:24.7200Z
3 Min

Europaabgeordnete und EU-Mitgliedstaaten ringen weiter um den EU-Haushalt 2015. Beide Seiten hoffen auf eine Einigung in letzter Minute, da ein Nothaushalt droht, wenn die Verhandlungen bis Jahresende ergebnislos bleiben.

Am vergangenen Freitag legte die EU-Kommission einen neuen Vorschlag vor, der für das kommende Jahr Ausgaben von 141,3 Milliarden Euro vorsieht. Die Mitgliedstaaten haben bisher einen Budgetumfang von 140,5 Milliarden Euro angepeilt. Das Europaparlament will 2015 dagegen 146,5 Milliarden Euro ausgeben.

Am Montag werden sich die EU-Botschafter mit dem neuen Zahlenwerk beschäftigen, um dann informelle Gespräche mit den Europaabgeordneten aufzunehmen. Sollte es zu einer Einigung kommen, könnte das Europaparlament bei seiner letzten Plenarsitzung des Jahres Mitte Dezember den Haushalt für das kommende Jahr billigen.

Bis dahin muss allerdings noch hart verhandelt werden. Eines der zentralen Probleme besteht darin, dass die EU seit Jahren einen Berg von offenen Rechnungen vor sich her schiebt, der jüngst noch einmal gewachsen ist. Im laufenden Jahr handelt es sich nach Schätzung des Europäischen Parlaments um einen Betrag von 28 Milliarden Euro. Die genaue Summe ist nicht bekannt. Die Europaabgeordneten und die EU-Kommission pochen darauf, dass die offenen Rechnungen beglichen werden. „Wir können die fälligen Zahlungen an Bürger, Organisationen und Studenten nicht weiter aufschieben“, sagt Eider Gardiazábal, Mitberichterstatterin für den Haushalt 2015.

Die Europaabgeordneten machen einen Nachtragshaushalt für 2014, der die offenen Rechnungen reduziert, zur Voraussetzung für eine Einigung zum Haushalt 2015. Bisher haben sich die Mitgliedstaaten dagegen jedoch gewehrt.

Die Zahlungskrise kommt keinesfalls überraschend. In den vergangenen Jahren haben sich die 28 EU-Mitglieder und das Europäische Parlament auf hohe Zahlungszusagen verständigt. Die Staaten haben jedoch versucht, die tatsächlichen Auszahlungen möglichst gering zu halten, auch vor dem Hintergrund des Spardrucks in den nationalen Haushalten. Es war absehbar, dass diese Strategie mittelfristig nicht funktionieren kann. Die Europaabgeordneten ärgert außerdem, dass die EU-Mitgliedstaaten bisher sehr viel Zeit damit verbracht haben, die Modalitäten der Nachzahlungen von Milliardenbeträgen zu regeln, die vor allem auf Großbritannien und die Niederlande zukommen. Der britische Premier David Cameron hatte die absehbaren Nachzahlungen beim EU-Gipfel im Oktober zum Politikum gemacht, obwohl solche Finanzkorrekturen üblich sind.

Die Finanzminister haben sich mit der EU-Kommission mittlerweile darauf verständigt, dass die Beträge ohne Zinsen erst im September 2015 fällig werden. Dadurch ging aber wertvolle Verhandlungszeit verloren.

Nothaushaltdroht Einigen sich Europaabgeordnete und die 28 Mitgliedstaaten nicht vor Jahresfrist, dann greift die „Zwölftelregel“, nach der in jedem Monat ein Zwölftel des Vorjahreshaushalts ausgegeben werden darf. Damit wäre gesichert, dass laufende Ausgaben gedeckt sind. Langfristige Projekte könnten dann allerdings nicht mehr geplant werden. Einen solchen Nothaushalt hält EU-Haushaltskommissarin Kristalina Georgieva für „ein Risiko für unsere Bürger, da die Bereitstellung der finanziellen Mittel erheblich erschwert würde“.

Indes hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in der vergangenen Woche in Straßburg das angekündigte Investitionspaket vorgestellt, welches Wachstum und Beschäftigung in Europa ankurbeln soll. Anders als zunächst angenommen, wird kein frisches Geld hineinfließen. Die EU-Kommission wird eine Garantie über 16 Milliarden Euro abgeben, hinzu kommen fünf Milliarden Euro der Europäischen Investitionsbank (EIB), so dass der neue „Europäische Fonds für Strategische Investitionen“ ein Grundkapital von 21 Milliarden Euro hat. Mit diesem Grundkapital als Sicherheit soll der Fonds 63 Milliarden Euro am Markt aufnehmen. So sollen private Investitionen von 252 Milliarden Euro angelockt werden. Indem der Fonds das Hauptrisiko von Investitionen trägt, soll das Geld „gehebelt“ werden. „Jeder Euro öffentlichen Geldes, der in den Fonds fließt, zieht ungefähr 15 Euro an Investitionen an“, rechnete Juncker vor.

Das Investitionspaket stieß im Europäischen Parlament auf ein geteiltes Echo. „Wir sehen den guten Willen, aber das Paket alleine schafft bei weitem noch keine Trendumkehr“ sagte Udo Bullmann, Vorsitzender der SPD-Abgeordneten, und forderte, dass die Mitgliedstaaten neue Mittel für Investitionen zur Verfügung stellen sollen. Juncker hat sich aber ausdrücklich dagegen ausgesprochen, dass die Länder neue Schulden aufnehmen sollen, um Investitionen zu finanzieren: „Die nationalen Haushalte stehen bereits unter Druck.“Manfred Weber, Fraktionsführer der konservativen Europäischen Volkspartei, begrüßte den neuen Ansatz der Hebelung öffentlichen Geldes: „Es ist der richtige Weg, dass privates Kapital mobilisiert und Geld zur Finanzierung in innovative Projekte aufgebracht werden muss.“ 

Die Autorin ist Korrespondentin der »Wirtschaftswoche« in Brüssel.