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ENDLAGER-KOMMISSION
Johanna Metz
Das Mehrgenerationen-Projekt

Die Atom-Endlagerung könnte erst in 150 Jahren oder noch später abgeschlossen sein. Ungeklärt ist die Frage, was bis dahin mit den Zwischenlagern passiert

150 Jahre und mehr könnten vergehen, bis die bundesweite Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll und dessen Bau abgeschlossen ist. Das geht aus einem Papier der Arbeitsgruppe 3 der Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfälle“ (Endlager-Kommission) hervor, das der Ko-Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Michael Sailer, vergangene Woche in öffentlicher Sitzung vorstellte. Sollten sich die Beteiligten wie geplant im Jahr 2031 tatsächlich auf einen Endlagerstandort festlegen, heißt es darin, wäre eine Inbetriebnahme des Endlagers frühestens 2045/2050, ein Ende der Einlagerung erst zwischen 2075 und 2130 vorstellbar. Erst Jahrzehnte später würden alle Abfälle sicher und wartungsfrei im Bergwerk eingeschlossen werden können. Einen Zeitraum von 2095 bis 2170 „oder sogar später“ hält die Arbeitsgruppe für denkbar.

Damit wird es nicht nur deutlich länger dauern, bis das Endlager in Betrieb ist. Es wird auch viel teurer werden als bislang angenommen. Auf 50 bis 70 Milliarden Euro könnten die Kosten in den nächsten Jahrzehnten ansteigen, warnte der Ko-Vorsitzende der Endlager-Kommission, Michael Müller (SPD), in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“. Auf den Staat kämen „erhebliche finanzielle Risiken“ zu. Die vier deutschen Betreiber von Atomkraftwerken (AKW) haben nur etwa
36 Milliarden für die Folgekosten ihrer Atomkraftwerke zurückgelegt.

Die Zeiträume, die für die Endlagersuche veranschlagt werden, bergen aber noch andere Risiken. Was zum Beispiel, wenn sich das Endlager irgendwann als nicht sicher genug erweist? „Wenn die mittel- oder langfristige Sicherheit des Endlagers infrage gestellt wird oder es in 80 oder 200 Jahren ein anderes Verfahren geben sollte, das viel besser ist, dann müssen die späteren Verantwortlichen sich umentscheiden können“, empfiehlt Sailer. Die Abfälle sollten deshalb auch Jahrhunderte nach Verschließen des Bergwerkes zurückgeholt werden können, um künftigen Generationen möglichst viele Optionen offen zu lassen. Bedingung dafür sei, betonte Sailer, dass „dieses Prinzip der Rückholbarkeit nicht mit Sicherheitserwägungen in Konflikt gerät“.

Der Vorschlag stieß in der Kommission auf positive Resonanz. Unter anderem nannte es der Umweltminister von Schleswig-Holstein, Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) richtig, die Möglichkeit einer Fehlerkorrektur in den Blick zu nehmen, ohne die Sicherheitsanforderungen an ein Endlager zu vernachlässigen. Der sächsische Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft, Thomas Schmidt (CDU), kritisierte hingegen, dass bei der Frage der Rückholbarkeit nicht darüber diskutiert werde, wie ein möglicher Missbrauch des radioaktiven Materials verhindert werden könne.

Neue Probleme Sorge bereiten den Kommissionsmitgliedern jetzt vor allem die Zwischenlager, in denen die hochradioaktiven Abfälle bislang gelagert sind. „Die von der Arbeitsgruppe genannten Jahreszahlen machen deutlich, in welch einer problematischen Situation wir bei den Zwischenlagern sind“, urteilte etwa der Vorsitzende Michael Müller. Erst im Januar entzog das Bundesverwaltungsgericht dem Zwischenlager in Brunsbüttel die Betriebsgenehmigung, weil sich nicht nachweisen ließ, dass es gegen Terroranschläge und andere Angriffe gerüstet ist. Der Atommüll wird dennoch mittels Notgenehmigung weiter dort gelagert – aus Mangel an Alternativen.

Aus Politik und Zeitgeschichte

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